Am Stübenplatz in Wilhelmsburg warten täglich rund 70 Bulgaren auf einen Job als Tagelöhner – oft werden sie ausgebeutet. Legale Arbeitsangebote gibt es für sie kaum.

Hamburg. Es ist noch dunkel. Am Rande des Stübenplatzes in Wilhelmsburg steht ein gutes Dutzend Männer, die auf etwas zu warten scheinen. Die meisten von ihnen stammen aus Bulgarien, andere aus Rumänien oder Polen und sind nach Hamburg gekommen in der Hoffnung auf Beschäftigung. In letzter Zeit sind es auch immer häufiger Spanier, die auf dem „Arbeitsstrich“ einen Job als Hilfsarbeiter auf dem Bau, bei Abbruch- oder Pflasterarbeiten oder dem Entladen von Containern suchen. An diesem Morgen hält ein Kleintransporter am letzten Stück der Veringstraße, die dort als Sackgasse endet. Der Fahrer öffnet die Tür, im Fahrzeug geht das Licht an. Zwei Männer, die schon länger vor dem Fahrradladen an der Ecke gewartet haben, steigen ein. Ein kurzes Gespräch. Wenige Minuten später fährt das Fahrzeug mit ihnen weg. Als es auf dem Stübenplatz hell wird, haben sich die Reihen deutlich gelichtet. Nur noch drei Männer sind da, die augenscheinlich zu der Szene gehören.

Die Behörden haben den Sammelplatz der Tagelöhner im Blick: „Nach Auskunft der Bundesfinanzdirektion Nord stehen auf dem Stübenplatz arbeitstäglich bis zu 70 Personen, bei denen zu vermuten ist, dass sie sich dort zur Anbahnung von Beschäftigungsverhältnissen aufhalten“, schreibt der Senat jetzt in seiner Antwort auf eine Kleine Schriftliche Anfrage der FDP-Sozialpolitikerin Martina Kaesbach. Er weiß auch: Am Stübenplatz stehen vor allem Bulgaren. Am Wilhelmsburger Platz bieten mehrheitlich Mazedonier ihre Dienste an, im Umfeld der Spaldingstraße gehen vor allem die Rumänen auf Arbeitssuche.

Viele von ihnen sind schlecht qualifiziert, haben keine Ausbildung und sprechen kaum Deutsch. Manche sind sogar Analphabeten. Legale Arbeitsangebote gibt es für sie kaum. Und so landen sie morgens in der Frühe auf dem Arbeitsstrich. Die Bezahlung ist schlecht, oft werden sie sogar um ihren Lohn geprellt.

Für den Senat sei die Wahrung erreichter Sozial- und Entlohnungsstandards für alle Arbeitnehmer „von herausragender Bedeutung“, schreibt er. In der Praxis allerdings kann er offenbar gegen den Arbeitsstrich am Stübenplatz, der seit 2011 sichtbar ist, wenig ausrichten. Zwar gibt es Beratungsangebote für die Betroffenen in unmittelbarer Nähe zum Stübenplatz, wie zum Beispiel die Anlaufstelle des Trägers Bildung und Integration Süd an der Rudolfstraße. Auch führt der Zoll regelmäßig Kontrollen durch. Oft geben die Arbeitssuchenden an, selbstständig zu sein. Manchmal gelingt es dem Zoll auch, an die Auftraggeber heranzukommen und sie zu überprüfen.

„Der Senat weiß seit Langem von der offenbar illegalen Tagelöhneranwerbung in Wilhelmsburg, unternimmt aber nichts, frei nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn“, kritisiert die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Martina Kaesbach. „Ein bisschen beobachten und überprüfen reicht hier aber nicht aus.“ Die Liberale spricht von „inakzeptabler Passivität statt vorsorgender Politik“. „Es kann nicht sein, dass sich in Hamburg über Jahre vom Senat geduldete illegale Arbeitsmärkte quasi institutionalisieren.“

Der runde Tisch „Fairness und klare Regeln auf dem Hamburger Arbeitsmarkt“, der auf Betreiben der Bürgerschaft vor zwei Jahren eingesetzt wurde, und an dem verschiedene Behörden, Kammern, Unternehmensverbände und Gewerkschaften sowie die Arbeitsagentur mitwirken, will das Problem jetzt angehen. „Wir wollen mit den Akteuren im Stadtteil eng zusammenarbeiten, um zu sehen, wie wir das Phänomen des Tagelöhnerstrichs wegbekommen“, sagt Rüdiger Winter, der den runden Tisch leitet. Dabei müsse es um arbeitsrechtliche und Sozialberatung gehen, und auch um reguläre Arbeitsangebote für die Männer.