Der evangelische Kirchenkreis Hamburg-Ost hat die Initiative für den Rückkauf der Energienetze als größter Sponsor mit einer Gesamtsumme von 41.944 Euro unterstützt. Mitglieder sind entrüstet.

St. Georg. Der evangelische Kirchenkreis Hamburg-Ost hat die Initiative für den Rückkauf der Energienetze als größter Sponsor mit einer Gesamtsumme von 41.944 Euro unterstützt. Die kirchliche Hilfe liegt damit noch weit vor der Umweltschutzorganisation BUND (25.584 Euro) und der Verbraucherzentrale (9628 Euro). Das geht aus dem jetzt veröffentlichten Rechenschaftsbericht der Initiatoren des Volksbegehrens „Unser Hamburg – Unser Netz“ hervor. Politische Organisationen wie der Landesverband der Hamburger Linken (3300 Euro) oder die Rosa-Luxemburg-Stiftung (4900 Euro) rangieren in dem Rechenschaftsbericht hinter Deutschlands größtem Kirchenkreis.

Zunächst hatte der Kirchenkreis Ost „nur“ eine Finanzierungszusage gegeben, gern hatten die Verantwortlichen betont, es handele sich lediglich um eine Bürgschaft für „alle Fälle“. Aber die Spenden an die Netze-Initiative reichten nicht, so musste der Kirchenkreis zahlen. Nach ersten Zuschüssen 2011 und 2012 in einer Höhe von insgesamt 19.500 Euro wurde laut „Bild“-Zeitung jetzt ein Betrag von 22.444 Euro fällig – aus Kirchensteuermitteln. Während die Verantwortlichen in der Kirche, Verbraucherschützer und Umweltexperten die Finanzspritze zum Beispiel mit dem Argument der Daseinsvorsorge verteidigen, lösen die nun bekannt gewordenen Zahlen erneut scharfe Kritik aus. In den Fokus rückt dabei abermals die Abteilung Diakonie und Bildung im Kirchenkreis Ost, die von Theo Christiansen, einer der Vertrauenspersonen für den Netze-Rückkauf, geleitet wird.

Bürgerschaftsabgeordneter Walter Scheuerl sagte dem Abendblatt: „Es ist ein schwerer Fehler von Herrn Christiansen gewesen, Kirchengelder und die für kirchliche Zwecke gezahlten Kirchensteuermittel für seine politischen Zwecke bei einer umstrittenen Kampagne einzusetzen. Denn viele Hamburger Kirchenmitglieder standen der Verstaatlichung der Energienetze von Anfang an ablehnend gegenüber und lehnen diese Verstaatlichung auch heute noch ab.“ Scheuerl selbst hatte sich in den vergangenen Monaten vehement gegen einen Rückerwerb der Hamburger Energienetze durch die Hansestadt gewandt. Beim Volksentscheid im vergangenen Jahr sprach sich allerdings eine knappe Mehrheit (51 Prozent) der Wähler für den Rückkauf aus. Abteilungsleiter Christiansen, fügt sein Kontrahent Walter Scheuerl hinzu, habe mit seiner Entscheidung dem „Ansehen der Kirche schwer geschadet“.

Kritiker werfen dem weithin angesehenen Kirchenmann vor, die Entscheidung lediglich in Absprache mit seinen Vorgesetzten, nicht aber auf der Basis eines Synodenbeschlusses gefällt zu haben. Propst Hans-Jürgen Buhl, Vorsitzender des Kirchenkreisrates Hamburg-Ost, verteidigte am Donnerstag noch einmal das Vorgehen der Kirche. „Die Beteiligung an der Initiative ist eine legitime Form der öffentlichen kirchlichen Bildungsarbeit und eine selbstverständliche Praxis in einer Demokratie“, sagte der Geistliche dem Abendblatt. „Vor diesem Hintergrund konnte und kann es keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des finanziellen Engagements von Diakonie und Bildung geben.“ Kirchenkreisintern hätten sich die Gremien mit der Analyse befasst, wie es bei anderen Projekten üblich ist. „Die Synode des Kirchenkreises Hamburg-Ost wird sich auch weiterhin mit den kritischen Äußerungen innerhalb und außerhalb der Kirche beschäftigen“, bekräftigte Propst Buhl.

Konservative Christen teilen diese Position nicht. Die Kirchliche Sammlung um Bibel und Bekenntnis in der Nordkirche geht nach dem Bekanntwerden der Zahlen erneut auf Distanz. „Wenn fast 42.000 Euro aus Kirchensteuermitteln zur Finanzierung eines Volksentscheids zum Netze-Rückkauf gezahlt werden, liegt ein Missbrauch von Kirchensteuermitteln vor. Das fördert Misstrauen“, kritisierte Pastor Ulrich Rüß, 1. Vorsitzender der Kirchlichen Sammlung. Der Netze-Rückkauf habe mit den Aufgaben der Kirche nichts zu tun. In der Seelsorge, bei der Kinder-, Alten- und Jugendarbeit stünden die Gemeinden unter Sparzwängen, Gemeinden würden fusioniert – hier aber „fließen Gelder für die finanzielle Unterstützung eines nicht kirchlichen Projekts“, bemängelt der frühere Eppendorfer Pastor. Den meisten Kirchensteuerzahlern sei dies nicht vermittelbar. „Im schlimmsten Fall droht der Kirchenaustritt.“

Als Konsequenz aus dem umstrittenen Engagement fordern Kirchenmitglieder auch eine Änderung des Wahlrechts in der Nordkirche. Die Kirche müsse Verfahren wie die Direktwahl einrichten, um der Basis eine demokratische Aufsicht über die Verwaltung, transparente Haushaltsentscheidungen und Beschlüsse zu politischen Grundlinien zu ermöglichen, betont der frühere CDU-Bildungsstaatsrat Reinhard Behrens. „Der Einsatz eines Teils der Nordkirche für den Rückkauf der Energienetze jedenfalls hat viele Menschen aufgebracht – gerade in den sehr knapp ausgestatteten Gemeinden“, sagt Behrens. Tatsächlich prüfen Juristen des Kieler Kirchenamtes jetzt auch die Möglichkeit einer Direktwahl der Landessynode durch die Kirchenbasis.