Hamburger App-Entwickler erhöht eigene Provision und löst Proteststurm aus. Touren werden meistbietend versteigert

Hamburg. Als Niclaus Mewes und Sven Külper vor etwa vier Jahren ihre erste Taxi-App herausbrachten, da planten sie nichts Geringeres als eine Revolution in der Branche. Nicht mehr über die klassischen Funkzentralen sollten die Fahrgäste ihre Touren buchen, sondern bequem über ein Programm auf dem Mobiltelefon, über das sich auch gleich die Anfahrt der bestellten Autos beobachten lässt.

Das Konzept der Hamburger Firma Mytaxi schien zunächst aufzugehen: Mittlerweile haben sich rund 18.000 Fahrer bundesweit an das System angeschlossen, weltweit sind es sogar 45.000. Nach Österreich, Spanien und Polen hat das Unternehmen sogar die USA ins Visier genommen, rund zehn Millionen Mal wurde die App von Nutzern schon heruntergeladen.

Doch nun hat es sich die noch junge Firma mit ihren wichtigsten Verbündeten verscherzt: den Fahrern. Seit Wochen tobt auf einschlägigen Internetseiten wie Taxiforum.de eine Diskussion über das neue Geschäftsmodell von Mytaxi. Erzürnte Fahrer drohen unverhohlen mit einem Boykott der Firma oder unterstellen dem Unternehmen, auf dem Rücken der Fahrer den Profit steigern zu wollen.

Konkret geht es um eine Erhöhung der Vermittlungsgebühren, die die Fahrer an Mytaxi zahlen müssen. Werden bislang pro Tour pauschal 79 Cent fällig, so sollen die Fahrer von Februar an zwischen drei und 15 Prozent des eingenommenen Preises an das Unternehmen abführen. Den genauen Wert können die Fahrer zwar selbst per Eingabe in der App bestimmen, doch die Wahrscheinlichkeit, eine Tour auch tatsächlich zu bekommen, steigt mit dem gebotenen Preis. Im Prinzip müssen die Fahrer also um die besten Touren feilschen und sich gegenseitig überbieten.

Während solche Auktionsmodelle beim Verkauf von Werbeflächen im Internet durchaus üblich sind, können sich die Taxifahrer mit diesem Konzept so gar nicht anfreunden. „Da der Vermittlungsmarkt offensichtlich weitere Umsatzsteigerungen nicht zulässt, geht es den angeschlossenen Fahrern an den Kragen“, schreibt ein Betroffener auf Taxiforum.de. „Ist ja zum Schießen. Bieterwettbewerb um Touren“, urteilt ein anderer.

Ursprünglich hatte Mytaxi sogar eine Vermittlungsgebühr von bis zu 30 Prozent einführen wollen. Für eine durchschnittliche Fahrt von 12,50 Euro wären dann bis zu 3,75 Euro fällig geworden. Aufgrund der massiven Proteste mussten die Chefs in dieser Woche aber zurückrudern. In der Unternehmenszentrale an der Großen Elbstraße gibt man unumwunden zu, die Reaktion zunächst unterschätzt zu haben, und ist nun um Schadensbegrenzung bemüht.

„Wir nehmen die Reaktionen auf das neue Preismodell und die Sorgen der Taxifahrer sehr ernst und haben deshalb die Vermittlungsgebühr auf maximal 15 Prozent angepasst“, sagt Firmengründer Külper, der im Führungsteam unter anderem für das Marketing verantwortlich ist. Grundsätzlich wolle man aber an dem neuen Preismodell festhalten.

Eine Sprecherin verteidigt das Auktionsmodell mit dem Hinweis, dass die Gebühr nur ein Kriterium bei der Vergabe einer Fahrt sei. Mindestens ebenso wichtig seien die Nähe eines bestimmten Fahrers zum Kunden, seine Bewertung durch die Fahrgäste sowie die Erfolgsquote.

Aus Sicht des Unternehmens ist das neue Modell zudem sogar fairer als die alte, pauschale Gebühr, weil die Fahrer je nach Auftragsvolumen selbst bestimmen könnten, wie viel ihnen eine Tour gerade wert sei. Letztlich gehe es nur darum, das Prinzip von Angebot und Nachfrage mit in die Vergabe der Touren zu integrieren, so die Sprecherin.

Vehement weist die Mytaxi-Sprecherin Vermutungen zurück, das veränderte Preismodell habe mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens oder einem verstärkten Druck der Kapitalgeber zu tun, zu denen Car2go von Daimler, die Telekom und die KfW-Bank gehören. „Wir betreten mit dem neuen Preissystem komplettes Neuland und wissen derzeit noch gar nicht, wie es sich auf Umsatz und Ertrag auswirken wird.“ Tatsache ist allerdings auch, dass Mytaxi bislang nicht profitabel arbeitet und nach Angaben der Sprecherin in diesem Jahr erstmals in die Gewinnzone kommen möchte. Genaue Geschäftszahlen veröffentlicht das Unternehmen nicht.

Im Internet diskutieren die Fahrer über Boykotts und andere Aktionen

Im Netz diskutieren die betroffenen Fahrer unterdessen, wie sich das ungeliebte Auktionssystem möglicherweise umgehen ließe. So fordern einige, alle Vertragspartner sollten grundsätzlich nur drei Prozent des Fahrpreises an Mytaxi zahlen. Andere spekulieren darüber, ob man bei der Angabe der erzielten Einnahmen nicht ein wenig schummeln und so die Gebühr drücken könnte. Dem glaubt man bei Mytaxi aber einen Riegel vorgeschoben zu haben: „Jeder Kunde bekommt nach der Fahrt eine Quittung per Mail, da würden etwaige Manipulationen schnell auffallen“, sagt die Sprecherin.