Im Internet finden Musiker und Publikum für die Hauskonzerte zusammen. Musiker erstellen ein Profil mit Hörproben, Musikinteressierte skizzieren ihre Wohnung oder Wohngemeinschaft mit ein paar Worten und Fotos.

Hamburg. Miriam Schütt hatte eine feste Anstellung in der Marketingabteilung eines bekannten Hamburger Unternehmens. Marie-Lene Armingeon studierte auf Lehramt, steckte mitten im Examen. Das alles haben sie auf Eis gelegt – für eine Idee.

Eigentlich wollten die beiden Freundinnen vor gut einem Jahr nur zusammen ein Lied schreiben. „Der Song wurde nie fertig, doch an diesem Tag hatten wir einen Einfall“, erzählt Miriam Schütt. Die Hobbymusikerinnen hatten schon oft kleine Konzerte besucht, die in privaten Wohnungen veranstaltet wurden. „Man müsste diesen Newcomern eine Bühne geben“, dachten sich die Freundinnen. Und anstelle des geplanten Songs entstand ein Geschäftsmodell, das binnen kurzer Zeit ein Erfolg wurde: SofaConcerts. Das Prinzip von www.sofaconcerts.org ähnelt dem des Online-Netzwerks Couchsurfing, nur dass es nicht um Übernachtungen, sondern eben um Konzerte geht: Musiker erstellen ein Profil mit Hörproben, Musikinteressierte skizzieren ihre Wohnung oder Wohngemeinschaft mit ein paar Worten und Fotos. Man kontaktiert einander und vereinbar Konzerttermine, bundesweit.

„Die Programmierung der Internetplattform war nicht so einfach“, wie Miriam Schütte und Marie-Lene Armingeon sagen. Und teuer sei es auch gewesen. Ist das eine Spinnerei oder eine Idee, die es wert ist, verwirklicht zu werden? „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, dachten sich die beiden. Marie-Lene Armingeons Vater, von Beruf Programmierer, war von Anfang an von der Idee überzeugt und unterstützte die jungen Frauen. Aber auch von anderen Seiten wurde Hilfe mobilisiert. Sänger Perry O'Parson bot seinen Auftritt an, und eine junge Band aus Heidelberg komponierte eigens einen Song für den Imagefilm, der auf YouTube kursiert und bereits fast 2000-mal angeklickt wurde.

Im Dezember 2013 dann die Stunde der Wahrheit: Mit großer Aufregung stellten die Gründerinnen ihre Homepage online. Schon in den ersten zwei Stunden wurden über die Plattform drei Wohnzimmerkonzerte vereinbart. Mittlerweile wurden schon mehr als 30 Konzerte über die Plattform geplant und mehr als 200 registrierte Künstler und mögliche Zuhörer haben sich registriert. Laura Böhmer aus Hamburg war eine der Ersten.

Ihr Wohnzimmer ist mit 15 Quadratmetern nicht gerade groß – ihr Interesse an Musik dafür schon. So kam bei der 23-Jährigen Mitte Dezember das erste offizielle Sofakonzert zustande. An einem Freitagabend klingelten 25 Leute an ihrer Wohnungstür. Zum Teil sind es Freunde, aber auch Freunde von Freunden. Ein paar ihrer Gäste hatte sie noch nie gesehen. Singer und Songwriter Perry O’Parson alias Marcel Gein, der von Miriam Schütt liebevoll das „Maskottchen“ von SofaConcerts genannt wird, trat er. Er spielt pro Jahr 70 bis 90 Konzerte auf richtigen Bühnen. Doch ein Wohnzimmerkonzert ist für ihn etwas ganz Besonderes. „Dabei sind die Menschen viel aufmerksamer. Sie sind nicht abgelenkt und hören wirklich zu“, sagt der Musiker.

An jenem Abend in Laura Böhmers Wohnung war es nicht anders. An der Haustür stapelten sich die Schuhe, während es sich die Zuhörer mit Decken auf dem Boden und auf der Couch bequem gemacht hatten. Perry O' Parson, ebenfalls in Socken, stand kaum einen Meter von der „ersten Reihe“ entfernt in einer Ecke des kleinen Zimmers. Er sang eigene, eher melancholische Songs auf Englisch. Unverstärkt, nur begleitet von seiner Mundharmonika und Gitarre.

Nach und nach lockerte sich die Stimmung. Spätestens, als der Sänger private Erlebnisse preisgab – er war zwei Tage zuvor auf der Reeperbahn ausgeraubt worden – entstand eine offene, fast vertraute Atmosphäre. Der Applaus wurde nach jedem Lied lauter, nach einer Stunde wurde eine Zugabe gefordert. Und dann noch eine.

Reich wird der Sänger damit nicht, er bittet meist am Ende des Konzerts um Spenden. Zukünftig ist aber auch ein Zahlungssystem geplant. So können gerade bekanntere Musiker vorab mit dem Gastgeber ein angemessenes Honorar vereinbaren. Acht Prozent davon gehen an die beiden Gründerinnen. „So soll sich die Plattform mittelfristig selbst tragen.“

Am Konzertabend bei Laura Böhmer wurde dann einfach eine Kaffeemühle herumgereicht, die sich doch schnell mit ein paar Scheinen füllte. „Es war noch viel, viel schöner, als ich es erwartet habe“, schwärmt Zuhörerin Jannike nach ihrem ersten Wohnzimmerkonzert. Und was sagte Gastgeberin Laura? Sie war auch mit dem Verlauf des Abends sehr zufrieden und meinte: „Ich habe bereits eine Anfrage für das nächste Konzert – ich freu mich schon auf das nächste Musikerlebnis in den eigenen vier Wänden.“