Kriminalpolizisten sollen Neujahr die Wohnungen von Hamburgs Bürgermeister und die des Innensenators sichern. Doch die Beamten wollen das nicht.

Hamburg. Sie fahnden im Internet, ermitteln im Rotlichtmilieu, klären Morde auf. Die Fahnder des Landeskriminalamtes (LKA) sind hoch qualifizierte Experten. Ihre Ausbildung hat Tausende Euro gekostet. Bei der Bekämpfung von Massendelikten wie dem Ausspähen von Kreditkartendaten oder bei der Ermittlung von Schwerstkriminalität sind sie unentbehrlich. Eigentlich.

Doch die Polizeiführung sieht ihre Experten für noch ganz andere Aufgaben qualifiziert. Für den ganz profanen Objektschutz etwa. Weil die Behörde Probleme hat, den Schutz der Wohnhäuser von Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann (beide SPD) in der Silvesternacht zu gewährleisten, sollen jetzt Experten aus dem LKA Streife laufen. Intern ist von einem „Solidarbeitrag“ die Rede.

Im Oktober hatte der Staatsschutz der Polizei verfügt, die Schutzmaßnahmen für Scholz und Neumann zu erhöhen. Nicht nur die Personen, auch deren Wohnhäuser sollten bewacht werden. Anlass war eine Ankündigung aus der linken Szene, mit Gewalt gegen die Flüchtlingspolitik des Senats protestieren zu wollen. 24 Schutzbeamte sind seitdem für die Bewachung der Adressen abgestellt.

Was an einem normalen Tag pro Schicht sieben Beamte der Bereitschaftspolizei fordert, scheint die Polizei an Feiertagen wie Silvester und Neujahr vor ein fast unlösbares Problem zu stellen. Grund: In der Silvesternacht werden alle Beamten der Bereitschaftspolizei und der Polizeiwachen für die Jahreswechsel-Feiern auf den Straßen benötigt. Für den Schutz der Politikerhäuser sind, so ein internes Schreiben, keine Schutzpolizisten mehr übrig.

Hier kommt das LKA ins Spiel: Nachdem sich die Polizeiakademie bereits bereit erklärt hat, mit ihrem Lehrpersonal den 31. Dezember zu besetzen, wurde das LKA angeschrieben, um die Bewachung am Neujahrstag sicherzustellen. Elf Beamte würden benötigt, die anderen sollten aus weiteren Bereichen kommen. Gesucht würden „im LKA sowohl Beamte der Schutzpolizei (...) als auch Kriminalbeamte für die geplanten Objektschutzmaßnahmen“, heißt es in der Anordnung. Die Zuteilung gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht. Obwohl bereits die erste Frist am Dienstag verstrichen ist, haben sich noch immer nicht genügend LKA-Beamte gemeldet.

Zum Verständnis: Die Polizei setzt sich aus drei grundlegenden Organisationseinheiten zusammen: Den größten Bereich bildet die Schutzpolizei, für die mehr als 6500 Beamte arbeiten. Ihr folgen, der Größe nach geordnet, die Kriminalpolizei (etwa 1500 Beamte) und die Wasserschutzpolizei (500). Weitere 1200 Beamte sind der Verwaltung und sonstigen Bereichen zugeordnet. Die Aufgaben der einzelnen Einheiten sind klar voneinander abgegrenzt, was sich nicht zuletzt darin ausdrückt, dass Schutzpolizisten Uniformen tragen, Kriminalbeamte aber eben nicht. Wie mit diesem Problem an Silvester umgegangen werden soll, liest sich in einem internen Schreiben so: „Die einzusetzenden Beamten werden leihweise mit Uniformkleidung ausgestattet werden. Wie genau dies stattfindet, wird noch geprüft.“

Der Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, kritisiert: „Es steht in keinem Verhältnis, dass Experten für die Bekämpfung von Cybercrime und organisierter Kriminalität, anstatt Schwerverbrecher zu bekämpfen, dafür eingesetzt werden, die Wohnungen von Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann gegen Farbbeutelwerfer zu schützen.“

Dass hoch qualifizierte Kriminalbeamte für den Objektschutz eingesetzt werden, für den sie zudem nicht ausgebildet wurden, zeige die desolate Personalsituation in der Polizei. Schulz: „Wie will die Polizei reagieren, wenn mal ein richtiges Problem auftritt?“

Die Kriminalbeamten befürchten, auch in Zukunft als stille Reserve herhalten zu müssen. Dass Kriminalisten aushelfen sollen, könne mit Solidarität begründet werden. Dass aber 24 Stellen angesichts von 6500 Schutzpolizisten nicht besetzt werden könnten, werfe kein gutes Licht auf den Zustand der Polizei, heißt es. Zudem seien 35 Stellen im Objektschutz vakant.

„Die Silvesternacht ist die einsatzstärkste Zeit des Jahres. Dann sind alle verfügbaren Schutzpolizisten auf den Beinen. Da müssen auch mal Beamte aus anderen Bereichen die Kollegen unterstützen, die dort jede Nacht stehen“, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün. Welche Beamte das konkret sein werden, stehe noch nicht fest.