Fünf große Innungen bieten ihrem Präsidenten Paroli. Vordergründig geht es um das Wahlrecht zur Vollversammlung. Doch die Probleme liegen tiefer.

Hamburg. Die von Fritz Schumacher vor knapp 100 Jahren erbaute Hamburger Handwerkskammer strahlt nach außen Würde aus, doch im Innern brodelt es. Es geht um eine Wahlordnung, Briefe, Vorwürfe und Machtkämpfe. Bereits vor Monaten startete Präsident Josef Katzer den Versuch, die Wahlordnung zur Vollversammlung – dem Parlament der Kammer – zu ändern. Statt einer Listenwahl wollte er Einzelwahlen durchsetzen, bei denen sich jedes Mitglied der Kammer um einen der rund 40 Sitze in der Vollversammlung hätte bewerben können. Doch fünf große der insgesamt knapp 50 Innungen der Kammer fuhren ihm in die Parade. Am Ende zog Katzer seinen Plan zurück. Es war der Beginn einer Schlammschlacht zwischen Präsident und mächtigen Innungen.

Auf der einen Seite steht Katzer, der sich mit seinen „dauererklärten Feinden“ herumplagen muss, wie er sagt. Auf der anderen Seite positionieren sich die große Innungen, die ihrem Präsidenten grobes Fehlverhalten bei der geplanten Änderung der Wahlordnung vorwerfen.

Nun könnte man argumentieren, dass dies ein interner Streit sei, den niemanden sonst zu interessieren habe. Doch angesichts des Schwergewichts, das die Kammer darstellt, ist der Disput durchaus von Bedeutung für die Stadt und ihre Wirtschaft. Immerhin 15.400 Betriebe mit etwa 129.000 Beschäftigten sind der Hamburger Handwerkskammer angeschlossen und damit auch indirekt betroffen, wenn in der Kammer etwas schiefläuft.

Die Sache schwelt seit Mai dieses Jahres. Damals kündigte Katzer seinen Mitgliedern die Änderung des Wahlverfahrens und die Einführung einer Frauenquote in den Gremien der Kammer an. Die Frauenquote musste er schnell zurücknehmen, weil diese laut Handwerksordnung nicht gestattet ist. Also konzentrierte sich Katzer auf die Wahl und startete eine sogenannte Kandidatenfindungsaufnahme. Doch das rief die Innungen der Bäcker, des Bauwesens, der Dachdecker, des Kfz-Handwerks und der Sanitärbranche auf den Plan, die offenbar nichts gegen eine Wahländerung gehabt hätten, wenn sie denn früh genug einbezogen worden wären, wie es heißt. Seither herrscht Unfrieden im Hamburger Handwerk, Briefe werden hin und her geschrieben, selbst Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) wird eingebunden. „Katzer wollte seinen Plan im Schweinsgalopp durch die Vollversammlung des Handwerks bringen“, sagt Michael Seitz, Geschäftsführer der Bau-Innung.

In einem Schreiben vom 14. November, das auch an Senator Horch ging, holt Katzer gegen seine Dauerfeinde aus. „Es wurde bekannt, dass es große Innungen gibt, die die Kandidatenfindungsmaßnahme dazu missbrauchen wollen, um in ihrer Gewerkegruppe ausschließlich oder mehrheitlich ihre eigenen Kandidaten durchzusetzen“, schreibt er. Damit würden kleinere Innungen leer ausgehen. Katzers Konsequenz: Er beerdigt seinen Plan.

Dem Missbrauchsverdacht widerspricht Seitz heftig. „Diese Behauptung ist empörend und sachlich falsch. Richtig ist vielmehr, dass Vertreter der unterzeichneten Innungen von Anfang an vor der sogenannten Kandidatenfindungsaufnahme gewarnt haben“, steht in einem Schreiben der Innungen an ihren Präsidenten, das dem Abendblatt vorliegt. Man habe darauf hingewiesen, dass der Plan nicht nur übereilt und unausgegoren gewesen sei, sondern auch rechtlich bedenklich. Die Kandidatenfindungsmaßnahme erscheine den großen Innungen als Umgehung der Handwerksordnung, die festgelegte Listen vorsieht. Auch auf Katzers Rückzieher reagieren seine Gegner: „Dieses Vorgehen erscheint mir wie rein in die Kartoffeln und raus aus den Kartoffeln“, kritisiert Walter Wohlert, Geschäftsführer der Sanitär-Innung. Seine Interpretation: „Es geht um Machterhalt.“ Doch inzwischen seien bei Kammermitgliedern Erwartungen geweckt worden, die nun nicht erfüllt werden könnten. Denn es hätten sich bereits Kandidaten für Einzelwahlen gemeldet, denen jetzt wieder abgesagt werden müsse, kritisieren die großen Innungen.

Und sie werden sogar persönlich: „Bitte nehmen Sie, sehr geehrter Präsident, zur Kenntnis, dass sich die Unterzeichnenden nicht in die Ecke ewig gestriger Demokratieverweigerer stellen lassen“, heißt es im Brief der Rebellen. „Im Gegenteil sind wir gerne bereit, mit der Kammer in der nächsten Legislatur der Vollversammlung über Veränderungen und Verbesserungen beim Wahlverfahren zu sprechen, allerdings in einem geordneten und transparenten Verfahren.“ Und die Innungen setzen noch einen drauf: „Da Sie mit Ihrem Schreiben vom 14. November 2013 alle wesentlichen Akteure im Hamburger Handwerk angesprochen haben, werden Sie sicher verstehen, dass wir für unsere Entgegnung den gleichen Verteiler gewählt haben.“ So bekommt auch Senator Horch eine Kopie des Schreibens an Katzer.

Am 2. Dezember findet die nächste Kammersitzung statt. Die Wahländerung steht dann zwar nicht auf der Tagesordnung. Dennoch dürfte es Gesprächsbedarf geben. Denn im März wird eine neue Vollversammlung gewählt – nach dem alten Verfahren. Auch Katzer stellt sich wieder zur Wahl. Er ist der einzige Kandidat für dieses Ehrenamt. Werde er gewählt, wolle er die Kammer weiter modernisieren, sagt er. „Die meisten Innungen fühlen sich von uns gut betreut“, so Katzer. Die großen Innungen sind wohl anderer Meinung, verlangen mehr Entgegenkommen. Ohne allzu großes Druckmittel. Denn einen Gegenkandidaten haben sie nicht.