Dem 35 Jahre alten Kriminalkommissar wird vorgeworfen, einer Drogenbande dabei geholfen zu haben, insgesamt 330 Kilo Kokain aus Südamerika über den Hafen nach Deutschland einzuführen.

Hamburg. Das begehrte weiße Pulver hatten die Schmuggler auf äußerst gerissene Weise versteckt. Sie versteckten das Kokain in zahlreichen Holzteilen, die per Container aus Südamerika geliefert wurden. Ihrer Fantasie war dabei keine Grenzen gesetzt: Ausgehöhlt als Drogenversteck wurden Holztüren, aber auch Parkettböden und andere Bodenteile genutzt. Mehrfach hatten sie damit Erfolg. Die Zöllner im Hamburger Hafen entdeckten die Drogenlieferungen aus Südamerika nicht. Erst im November vergangenen Jahres konnte eine Lieferung mit 30 Kilogramm gestreckten Kokains, sogenanntes Kokaingemenge, aufgebracht werden.

Auf der Suche nach den Hintermännern des Drogentransportes stießen die Fahnder des Bundeskriminalamtes (BKA) in Wiesbaden, die den Fall übernahmen, dann auf eine weitere Überraschung: auf einen ihrer Hamburger Kollegen. Mittlerweile sitzt der 35-Jährige Beamte in einer Einzelzelle der Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis. Der Polizist wurde bereits am 19.Juni festgenommen, wenig später ein Haftbefehl vollstreckt. Die Anklage wegen Beihilfe zum Handeltreiben und Einführen von nicht geringen Mengen Kokain in vier Fällen wurde bereits vor zwei Wochen, am 14.Oktober, erhoben. Erwartungsgemäß wird sich der Polizist in ein bis zwei Monaten vor einem Strafrichter zu verantworten haben.

Die Staatsanwaltschaft in Hamburg bestätigte den Fall bereits. Wie Oberstaatsanwältin Nana Frombach, die Sprecherin der Behörde, erklärte, gibt es drei Mitangeklagte. Sie sollen keine Bezüge zur Polizei haben. Der eigentliche Kern der Bande, die Organisatoren des weltumspannenden Kokainhandels, ist aber bislang nicht gefasst. Auf mehr als 330 Kilogramm beziffert die Staatsanwaltschaft die Menge Kokain, die in mindestens vier Schiffslieferungen aus Ecuador und Bolivien zwischen August 2009 und November 2012 über den Hamburger Hafen und unter Mithilfe des Polizeibeamten ins Land kam. Darunter sind drei Lieferungen mit je 100 Kilogramm der Droge, sowie eine letzte Lieferung über 30 Kilogramm, die die Ermittlungen letztlich in Bewegung brachten. Die Drogen haben einen Straßenverkaufswert von mehreren Millionen Euro.

Die Vorwürfe gegen den gebürtigen Hamburger sind massiv. Die Anklageschrift ist mehr als 60 Seiten dick. Vorgeworfen werden ihm insbesondere verschiedene „Unterstützungshandlungen“: So soll der 35-Jährige geholfen haben, das Kokain abzutransportieren und die Lieferung abzuwickeln, also auch den Vertrieb und Verkauf zu organisieren. Nicht zuletzt soll er weitere Helfer angeworben haben, einige von ihnen werden bald ebenfalls mit ihm auf der Anklagebank sitzen.

Der Beamte soll schon mehrfach gegen das Gesetz verstoßen haben

Brisant: Der Angeklagte arbeitete als Kriminalbeamter. Möglicherweise hatte er so auch genauere Einblicke in die Drogenszene der Stadt. Warum sich der Beamte auf das schmutzige Geschäft einließ, ist nicht bekannt. Er schweigt bislang sowohl zu den Vorwürfen der Beihilfe, als auch zu seinen Motiven. Bekannt ist allerdings, dass er bereits mehrfach gegen das Gesetz verstoßen hat, nicht das erste Mal mit Drogenhandel in Verbindung gebracht wurde, und aus diesem Grund schon suspendiert ist: 2007 soll der Kriminaloberkommissar, der an der Davidwache auf St.Pauli eingesetzt war, zum ersten Mal gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben. Ihm wird vorgeworfen, aus der Asservatenkammer gestohlen zu haben.

Allerdings wurde die Polizei den Dealer in den eigenen Reihen bis heute nicht los: Das nach dem Strafverfahren automatisch einsetzende Disziplinarverfahren – mit dem Ziel, ihn endgültig aus dem Polizeidienst zu entfernen – konnte bis heute nicht zu Ende geführt werden. Grund: Der Beamte wurde während des Verfahrens am Verwaltungsgericht weiterer Drogendelikte überführt, die in das Disziplinarverfahren aufgenommen werden mussten und den Rechtsstreit bis heute verlängerten. Rein formal ist der 35-Jährige also, trotz seiner Verfehlungen, immer noch Polizeibeamter. Dies könnte sich mit dem anstehenden Gerichtsprozess ändern. Sollte er zu einem oder mehreren Jahren Haft verurteilt werden, würde er automatisch seine Beamtenrechte und alle Pensionsansprüche verlieren. Dies gilt auch, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

Der Hamburger Hafen ist einer der Hauptumschlagsplätze für Kokain aus Südamerika: Regelmäßig entdeckt der Zoll große Mengen der Droge auf Schiffen versteckt, teils werden Pakete auch unter Wasser am Schiffsrumpf befestigt. Den mit Abstand größten Fund machten Zollfahnder im April 2010: In einem Frachtcontainer aus Paraguay entdeckten sie in ausgehöhlten Holzbriketts rund 1,2 Tonnen hochreines Kokain. Die aus 1244 schwarzen Päckchen bestehende Drogenlieferung hatte einen Wert von geschätzt 40 Millionen Euro.