Ja, Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst muss gehen. Aber dies rechtfertigt nicht Häme und Hass

Der Öffentlichkeit ist nichts mehr heilig. Wer derzeit die geradezu hysterische Debatte um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst verfolgt, kann sich nur noch wundern. In Deutschland geht es um die Bildung einer Großen Koalition, Europa taumelt weiter am Abgrund, die USA schrammen an der Pleite vorbei, in Syrien tobt ein Krieg, Flüchtlinge ertrinken auf dem Weg nach Europa – und die Talkshows diskutieren die bischöfliche Badewanne im Bistum Limburg. Keine Frage: Der eitle wie stockkonservative Bischof hat in Limburg einen Haufen Porzellan zerschlagen, Laien vor den Kopf gestoßen und offenbar Journalisten belogen. Sollten Hamburger Richter ihn wegen Falschaussage an Eides statt verurteilen, wäre seine sechsjährige Amtszeit sowieso beendet. Das steht zu hoffen. Aber sein Fehlverhalten rechtfertigt nicht die Jagd, die eine säkulare Öffentlichkeit gegen den „Kirchenfürsten“ treibt. Immer „neue Vorwürfe“, die im Kern dieselben sind, werden herausgekramt und zugespitzt, selbst seriöse Zeitungen wie die „FAS“ spekulieren über eine angebliche Autismus-Erkrankung. Schmähungen folgen auf Enthüllungen, Verleumdungen auf Anschuldigungen. Verteidiger gibt es kaum noch. Es passt ins Bild, dass ausgerechnet der kirchenkritische Sänger Wolfgang Niedecken völlig zu Recht vor einer „Hexenjagd“ warnte.

Die überzogene wie gnadenlose Reaktion der Öffentlichkeit auf Tebartz-van Elst erinnert an die Hatz auf den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Auch er musste sich wochenlang immer neuer Vorwürfe erwehren. Geblieben sind davon nur Petitessen, wie die Einladung zum Oktoberfest und eine Hotelübernachtung. Was von den Vorwürfen gegen Tebartz-van Elst bleibt, muss noch die Kontrollkommission der Bischofskonferenz klären.

Die Ähnlichkeit zum Fall Wulff, das enorme öffentliche Echo auf das Fehlverhalten des Limburger Bischofs, zeigt, dass Kirche in Deutschland vielen ein weltlich Ding geworden ist. Tebartz-van Elst wird behandelt wie ein Parteifunktionär, doch hinter dem vermeintlichen Ruf nach Aufklärung steckt bei vielen Häme und Hass gegen die Institution Kirche insgesamt.

Während die Säkularisierung bei den Katholiken eher mediengetrieben ist, erfolgt sie bei den Protestanten aus eigenem Antrieb – zumindest aus dem Antrieb einiger Aktivisten. Der Pfarrer von St. Pauli hat mit seiner humanitären Geste, der Aufnahme der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“, ein Zeichen gesetzt. Inzwischen aber droht sich dieses Zeichen zu einer Politaktion gegen das europäische Asylrecht zu verselbstständigen. Bei der Kampagne zum Rückkauf der Netze fand sich die evangelische Kirche plötzlich wegen des Übereifers eines Diakonie-Mitarbeiters im politischen Schützengraben wieder. Zuletzt konnte der Eindruck entstehen, Nordelbien sei eine Unterorganisation der Grünen. Wenn die Kirche aber als politische Organisation wahrgenommen wird, verhalten sich die Mitglieder dementsprechend: Der Kirchenaustritt wird zum weltanschaulichen Bekenntnis.

Ja, Kirche ist politisch. Und muss es auch sein. Aber Kirche ist eben nicht in erster Linie politisch, sondern eine Gemeinschaft der Gläubigen. Wer Kirche auf Bischöfe, Stromnetze und Asylpolitik reduziert, verkennt das enorme soziale und spirituelle Leben in den Gemeinden. Hier finden junge wie alte Menschen einen religiösen Raum, der Heimat ist. Hier engagieren sich viele Menschen für andere – jugendliche Gruppenleiter für Kinder, Frauen und Männer für alleinstehende Senioren, Christen für Flüchtlinge. Und hier liegt das Fundament für gesellschaftliches Engagement, von Kindergärten und Schulen über Krankenhäuser bis zur Caritas. Die Kirche ist größer als Männer wie Tebartz-van Elst und viel bunter als das Zerrbild, das in Talkshows und Radaublättern gezeichnet wird. Gott sei Dank.