Ganztagsbetreuung an den Schulen entspannt Situation. Manche Einrichtungen stehen fast leer. Bei den Elbkindern, der „Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten“, vermelden zurzeit 116 von 178 Kitas freie Plätze.

Barmbek. Keine langen Wartezeiten mehr und auch kein Gedrängel in den Garderoben: Die Situation an Hamburger Kitas hat sich spürbar entspannt. Weil in diesem Sommer die „Ganztägige Bildung und Betreuung an Schulen“ (GBS) komplett umgesetzt wurde und die Grundschüler nachmittags an den Schulen bleiben, sind bei den Kitas Tausende Plätze frei geworden. Diese Lücke wird von nachrückenden Kindergartenkindern nur langsam gefüllt. Die Folge: Es sind viele Plätze frei. Bei den Elbkindern, der „Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten“, vermelden zurzeit 116 von 178 Kitas freie Plätze. Diese Entwicklung sorgt bei den Träger-Einrichtungen für wirtschaftliches Unbehagen, ist für Eltern und Kinder jedoch ein ungewohnter Luxus mit freien Wahlmöglichkeiten, kleinen Gruppen und viel Raum zum Spielen.

Emma und Paul (Namen von der Red. geändert) betreten morgens ein Kinderparadies. Die beiden Einjährigen sind die ersten zwei Kinder der neuen Kindertagesstätte KiKu Zwergenland in Barmbek-Süd – und bisher die einzigen. Wenn sie morgens im Haus im Hinterhof der Richardstraße 16 eintreffen, ist es mucksmäuschenstill. Leiterin Anna-Lena Offen wartet schon auf die zwei und begrüßt sie mit einem fröhlichen „Guten Morgen“. Dann hängen die Kinder ihre Jacken an die Garderobenhaken, 34 bleiben leer. „Für uns ist das natürlich toll “, sagt Emmas Mutter Nina S., 33. Mit einem Betreuerschlüssel von eins zu eins weiß sie ihre 15 Monate alte Tochter bestens aufgehoben.

Das Zwergenland hat im September erst eröffnet. Die Gruppenräume, Küche und Toiletten, Spielsachen, Betten – alles ist nagelneu und wartet auf Benutzer. Plakate, Flyer und zwei Tage der offenen Tür haben bisher jedoch nur wenig gebracht. „Uns ist klar, dass neu eröffnete Kitas immer Zeit brauchen“, sagt Anna-Lena Offen. Sie und ihre Kollegin Sarah Hofmeister nutzen den zeitlichen Freiraum, um die Räume zu gestalten, Pläne für die nächsten Monate zu machen und weiter für sich zu werben. Eine bessere Auslastung ist in Sicht, denn in der Nähe entsteht ein Neubaugebiet mit 650 Wohneinheiten. Andererseits wird schon bald eine weitere Kita in der Nähe aufmachen.

Das vor zehn Jahren eingeführte Kita-Gutschein-System reguliert in Hamburg die Angebote auf dem Markt der Kinderbetreuung. Die Kitas und ihre Träger können sich selbstständig und eigenverantwortlich anpassen. „Die Stadt macht keine Bedarfsabfragen, weist jedoch auf Versorgungsengpässe oder eine gute Angebotslage hin“, sagt Stefanie Franz, Marketingleiterin bei Kinderzentren Kunterbunt (KiKu) aus Nürnberg, die das KiKu Zwergenland in Barmbek betreiben. So geschehen auch in diesem Fall. Der Träger aus Süddeutschland wurde gewarnt, die Versorgung sei gut. Weil mit dem Haus aber schon alles klar war, wurde doch eröffnet – aber jetzt wird umgedacht. Ursprünglich als Krippe nur für die Kleinsten zwischen sechs Monaten und drei Jahren gedacht, soll aus dem Zwergenland im kommenden Jahr eine Kita für Kinder bis zu sechs Jahren werden.

Das erspart den Kindern einen Wechsel vor der Schule und vergrößert den Kreis der möglichen Interessenten. Für den Betreiber mit bisher nur zwei Kitas in Hamburg war die Situation aber auch eine Überraschung. „In Nordrhein-Westfalen ist der Bedarf viel größer. Da sind alle Plätze schon bei der Eröffnung belegt“, sagt Stefanie Franz.

„Durch die GBS sind bei uns rund 6000 Hortplätze weggefallen, damit ist eine pädagogische Fläche von etwa 13.000 Quadratmetern frei geworden“, sagt Franziska Larrá, eine der beiden Geschäftsführerinnen der Elbkinder. Diese Lücke wird sich nur über längere Zeit füllen lassen und muss überbrückt werden. Die Situation bringt auch einen Vorteil mit sich: Kleine Kinder brauchen Zeit zur Eingewöhnung. Nur mit Ruhe und Gelassenheit über mehrere Wochen gelingt der nachhaltige Start in die Kinderbetreuung. Neue Gruppen werden deshalb nur nach und nach aufgefüllt. Franziska Larrá blickt optimistisch in die Zukunft, denn der seit August bestehende Rechtsanspruch auf die Betreuung Einjähriger (täglich fünf Stunden) wird nach ihrem Eindruck immer besser angenommen. Und mit dem Wegfall der Elternbeiträge ab August 2014 wird das Interesse an der Betreuung schon der Kleinsten weiter steigen. Auch bei den rund 170 evangelischen Kitas bleibt man gelassen. „Bei uns sind etwa 1500 Hortkinder weggefallen“, sagt Pressereferentin Ulrike Kotthaus, „aber diese Entwicklung war absehbar und wir nutzen die Zeit, um Krippen auszubauen und zu renovieren. Geschlossen wird nichts.“

Im Zwergenland in Barmbek sind Emma und Paul sich selbst genug. Mit Matschhosen sitzen sie im Sand und backen Kuchen. Nina S. schaut ihnen zu und sagt: „Also, von uns aus könnten es jetzt ruhig ein paar mehr werden.“