Die Pädagogin Lilo Jene-Ackermann begeistert seit zehn Jahren mit ihrem Theaterprojekt Hamburger Jugendliche

Hamburg. Die Ferien hat sie in Kanada verbracht, wo ihre erwachsene Tochter zurzeit lebt. Dort sind die beiden Frauen durch die noch ziemlich unberührte Natur von British Columbia gewandert, an Bergseen und Bächen entlang, durch endlose Wälder und entlang der menschenleeren Strände des Pazifiks, und Lilo Jene-Ackermann hat sich von der klaren, kühlen Luft mal so richtig durchpusten lassen, um den Kopf frei zu kriegen. Das brauche sie, meint sie, gerade jetzt, für die Theatersaison.

Eigentlich ist die zierliche Frau Biologie- und Sportlehrerin am Gymnasium Alstertal in Fuhlsbüttel. Ihr Alter sei übrigens „vollkommen nebensächlich“, stellt sie sofort klar, aber einen Aufschwung am Reck: den schaffe sie immer noch spielend. „In Wahrheit bin ich jedoch theatersüchtig“, sagt sie und lacht, wie sie eigentlich fast immer lacht, jedenfalls dann, wenn das Gesprächsthema „Tusch“ heißt, das Projekt „Theater und Schule“, „ein Leuchtturmprojekt für Deutschland, das eine so umwerfende Wirkung habe“.

Seit fast zehn Jahren ist sie nun schon dabei, seit vier Jahren in der dreiköpfigen Projektleitung. „Tusch ist ein geniales Steuerungselement, um Schülerinnen und Schüler mit dem phänomenalen Fach Theater zu konfrontieren. Sie lernen durch die professionellen Künstler aber noch viel mehr – nicht nur das Spielen selbst, sondern alle Formen dieser Kunst“, sagt Lilo Jene-Ackermann. Zurzeit machen 14 Hamburger Theater mit. Jedes von ihnen geht eine zweijährige Kooperation mit einer Schule ein, die größeren Theater auch mit mehreren Schulen gleichzeitig, die sich wiederum bewerben müssen. Und die Theater bieten wiederum Künstler an, die den Schülern, von den Jahrgängen eins bis Oberstufe, die ganze Welt des Spiels eröffnen sollen.

Als Lilo Jene-Ackermann der Liebe wegen 1997 aus Heidelberg nach Hamburg zog, beschloss sie, es noch besser zu machen. Sie absolvierte eine Zusatzausbildung zur Theaterpädagogin, sie lernte den Gründer von Tusch kennen, Gunther Mieruch vom Bundesverband Theater in Schulen. Inzwischen steuert sie die Koordination zwischen den Theatern und den Schulen, wofür das Gymnasium Alstertal auf ein Drittel ihrer Arbeitszeit verzichtet.

„Überspitzt formuliert könnte man auch sagen: Theaterspielen ist eine Therapie ohne Therapie zu sein“, sagt Lilo Jene-Ackermann, „aber es gibt einfach keine bessere Methode, um an Schüler heranzukommen – auch an die aus den sogenannten bildungsferneren Schichten.“ Schließlich sei es das einzige Metier, das mit allen Sinnen erfasst wird. Und sie zählt auf: „Hören, Sehen, Fühlen. Die Teamfähigkeit wird gefördert, die Schüler können in andere Rollen schlüpfen – in ein anderes Ich!“ Doch was ganz besonders wichtig sei: „Durchs Theaterspiel erfahren Kinder häufig zum ersten Mal Anerkennung, manchmal sogar durch die eigene Familie. Dann dürfen die Kinder endlich einmal stolz auf sich sein, etwas geleistet zu haben.“ Das gelte vor allem für die Stadtteilschulen, die von besonders vielen Migrantenkindern besucht würden.

Diese ebenso positive wie auch flächendeckende Wirkung des Theaterprojekts spiegelt sich darin wider, dass auch die die Kulturbehörde ihren Blick auf das Fach wieder verschärft hat. „Tusch geht raus zu den Kindern und Jugendlichen und sucht und findet immer wieder ein neues Publikum für die Theater“, schreibt Kultursenatorin Barbara Kisseler auf der Tusch-Website. „Durch seine Struktur und die nachhaltigen Partnerschaften entsteht hier ein Labor für das Theater von Morgen.“ Daher freue sie sich, diese Expedition auch weiterhin zu unterstützen. „Es kann nie genug Unterstützung geben“, sagt Lilo Jene-Ackermann und lächelt spitzbübisch. Vor allem für die vielen freien Theaterkünstler nicht, die „gerade mal für ’n Appel und ’n Ei“ ihr Wissen und Können zur Verfügung stellen würden.