Der Eigentümer der Roten Flora, Klausmartin Kretschmer plant eine Konzerthalle für rund 2500 Besucher, außerdem Restaurants, eine Kita und eine Tiefgarage. Den Besetzern bietet er Mieträume an.

Sternschanze. Im Sommer brandeten die erste Gerüchte über einen möglichen Verkauf der umstrittenen Roten Flora auf, jetzt ließ der Eigentümer des besetzten Gebäudes im Schanzenviertel, Klausmartin Kretschmer, die Katze aus dem Sack: Im Gespräch mit dem Abendblatt kündigte sein Immobilienberater Gert Baer den Um- und Neubau zu einem großen Veranstaltungszentrum mit einem Konzertsaal von bis zu 2500 Plätzen an. Beteiligt sei ein amerikanischer Investor, dem Kretschmer das neue Gebäude später verkaufen könnte. Am Freitagnachmittag noch stellte Baer beim Bezirksamt Altona dazu einen Antrag auf einen Bauvorbescheid.

Die linksautonomen Besetzer der Roten Flora wolle man beteiligen und ihnen Räume anbieten, sagte Baer. Ein Vorschlag, der dort auf wenig Gegenliebe stoßen dürfte. „Wir bereiten uns ab sofort auf mögliche Angriffe vor“, heißt es auf der Internetseite der Rotfloristen kämpferisch, die Baer als „ernst zu nehmende Bedrohung“ einschätzen. Wenig wahrscheinlich, dass in jahrelanger Kapitalismuskritik geübte linksautonome Besetzer mit amerikanischen Investoren zusammenkommen mögen.

Tatsächlich ist daher schwer abzuschätzen, wie die neuen Pläne von Kretschmer und Baer zu bewerten sind. Für manche Anwohner dürften sie zumindest verlockend klingen: Statt eines heruntergekommenen, alten Theaters, von dem in der Vergangenheit oft Straßenkrawalle ausgingen, bekämen sie ein neues Veranstaltungsgebäude, in das die Rote Flora quasi integriert wird. „Ein echtes Stadtteilkulturzentrum“, wie Baer argumentiert. Zudem verspricht er den Bau von neuen Tiefgaragenplätzen, die auch Anwohner nutzen könnten. Selbst Aktien für die neue Betreibergesellschaft des Zentrums mit Konzertsaal, Restaurants, Kita und Büros sollen an interessierte Anwohner verkauft werden, wenn sie denn wollen. Das klingt nach einem Genossenschaftsmodell.

Doch Bezirkspolitiker wie der Altonaer SPD-Bauexperte Mark Classen bleiben gegenüber solchen Vorschlägen skeptisch. Mit Angeboten wie diesem könnte lediglich versucht werden, den Kaufpreis für die Stadt hochzutreiben, vermutet er. Tatsächlich kommt der Vorstoß von Baer und Kretschmer zu einem interessanten Zeitpunkt: Seit mehr als einem Jahr verhandeln Stadt, Bezirk und Kretschmer immer wieder über einen Rückkauf. 2001 hatte der Immobilieninvestor das damals schon besetzte Gebäude für 370.000 Mark von der Stadt gekauft und wollte den Zustand zunächst so belassen. Die Stadt versprach sich davon Ruhe, weil eine Räumung womöglich tagelange Krawalle provoziert hätte. 2011 lief ein Vorverkaufsrecht der Stadt ab und Kretschmer sprach erstmals von einem möglichen Verkauf. Ein Angebot über rund 1,3 Millionen Euro schlug er aus und die Stadt brach die Verhandlungen zunächst ab. Seine Vorstellungen dürften eher in Richtung elf, zwölf Millionen Euro gehen – soviel hatte ihm einst der seinerzeitige Innensenator Schill geboten, der die Flora offensichtlich selbst räumen lassen wollte und stets von einem rechtsfreien Raum sprach.

Um keine neuen Krawalle nach einem möglichen Verkauf zu riskieren, brachte der Bezirk Altona daher nach Abbruch der Verkaufsverhandlungen einen neuen Bebauungsplan auf den Weg – dessen öffentliche Auslegung für mögliche Einsprüche just auch am gestrigen Freitag beendet ist. Mit diesem Bebauungsplan „Sternschanze 7“ soll die Rote Flora als Stadtteilkulturzentrum festgeschrieben werden. Das Gebäude darf dann nicht mehr abgerissen, höchstens saniert werden. Ein Verkauf wäre damit fast unmöglich, weil kein Investor viel damit anfangen könnte. Auch ein Konzertsaal, wie ihn Baer und Kretschmer jetzt planen, wäre nicht zu realisieren. Das politische Ziel dieses Planes ist für Bezirkspolitiker wie Mark Classen denn auch klar: „Wir wollen bei der Roten Flora am liebsten alles so lassen, wie es ist.“, sagte er dem Abendblatt.

Immobilienexperte Gert Baer kündigte daher folgerichtig am Freitag auch an, dass Kretschmer gegen diesen Bebauungsplan klagen werde, sollte der Vorbescheidsantrag auf Ablehnung stoßen. „Wir werden dabei bis zum Europäischen Gerichtshof gehen“, sagte Baer, der selbst Volljurist ist. Nach seiner Einschätzung sei dieser Bebauungsplan leicht zu „kippen“, weil er juristisch fehlerhaft sei. „Nach Einsicht der Akten kommt der Verdacht auf, dass dieser Bebauungsplanentwurf nur zu Gunsten der linksextremen Besetzer und aus Angst vor Krawallen in Gang gesetzt worden ist“, argumentiert er und dürfte damit nicht falsch liegen. Aus seiner Sicht sei eine solche Begründung aber unzulässig als Planbegründung, für das Grundstück der Roten Flora sei vielmehr der alte Baustufenplan aus den 50er Jahren gültig. Die Fläche der Roten Flora wird in dem alten Plan explizit als Areal für „besondere Zwecke“ wie eben ein Konzertsaal bezeichnet.

Einen Vorteil hätte der neuen Bebauungsplan für den Rote-Flora-Eigentümer aber dennoch: Vor einem Jahr konnte er der Stadt das Gebäude lediglich zum Rückkauf anbieten. Weil nun die Nutzung mit dem neuen, voraussichtlich Ende des Jahres rechtsgültigen Plan eingeschränkt wird, ist er laut Bezirkspolitik in einer besseren Position. Jetzt hat er quasi einen Anspruch darauf, dass die Stadt das Gebäude zurückkauft. Die Frage ist nur: Zu welchem Preis?