In Hamburg gibt es immer mehr sogenannte Wohngruppen. Einige davon brauchen noch Mitstreiter und bieten bezahlbaren Wohnraum in Wilhelmsburg und Jenfeld. Der Traum von freundlichen Nachbarn.

Wie schön wäre es, wenn in unserem Haus nur nette Leute wohnen würden und alle anderen weg wären. Wer hat das nicht schon einmal gedacht? In Hamburg sieht die Stadt theoretisch 20 Prozent der verfügbaren Grundstücke für Wohnprojekte vor. Dabei handelt es sich meistenteils um eine Gruppe von Menschen, die in enger Abstimmung ein Wohnhaus entwickeln und später dann bewohnen. Den Anfang machen oft drei oder vier Parteien, die weitere Freunde und befreundete Kollegen hinzuziehen und sich dann auf die Suche nach einem Grundstück machen.

Doch das bedeutet oft jahrelanges Suchen, Diskutieren, Planen und Rechnen – und während dieser Zeit verändert sich die Gruppe, denn viele verlieren Lust und Kraft. Schneller und leichter geht es, wenn eine Projektplanungsgesellschaft die schwierige Suche nach dem Grundstück, die grundsätzliche Planung sowie die Vorfinanzierung in der ersten Bauphase übernimmt. Denn Grundstücke in begehrten Lagen gibt es in Hamburg immer seltener, parallel dazu sind die Kosten für Baugrund und -preise gestiegen. Auch vor diesem Hintergrund kann die Stadt ihre eigene 20-Prozent-Vorgabe nicht einhalten.

Auch mit Grundstück ist die Umsetzung von Projekten oft schwierig

„Die Rahmenbedingungen für Wohnprojekte sind im Moment sehr schwierig“, bestätigt Tobias Behrens, Geschäftsführer der Stattbau Hamburg. Die Gesellschaft berät Baugemeinschaften und unterstützt Wohnprojekte. „Selbst wenn ein Grundstück gefunden ist, gibt es oft noch Probleme, denn Baufirmen sind oft ausgebucht und suchen sich die besten Aufträge aus.“

Bei manchen Grundstücken stehen bis zu 100 interessierte Gruppen auf der Warteliste. Warum also nicht das Viertel wechseln, um den Traum vom gemeinschaftlichen Leben umzusetzen? „Viele Gruppen sind stadtteilbezogen und möchten die gewohnte, gute Infrastruktur nicht missen“ sagt Britta Becher, Mitarbeiterin bei der Stattbau. „Vielleicht kann man aber umdenken und sich auch in weniger beliebten Vierteln umsehen“, schlägt sie vor.

Konrad Grevenkamp, Projektleiter von Impuls 21, hat sich beispielsweise auf die Entwicklung von Wohnprojekten im Süden Hamburgs spezialisiert. Er kauft dort geeignete Grundstücke und beginnt mit der Planung. „Die ersten Käufer suchen dann die weiteren Mitbewohner aus“, sagt der Investor, der gern den dörflichen Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt in die Stadt transferieren möchte. Horst Dillmann und seine Frau haben von diesem Wunsch profitiert. Sie haben eine Wohnung in Grevenkamps aktuellem Projekt am Vogelhüttendeich in Wilhelmsburg gekauft. „Obwohl wir die anderen Mitbewohner anfangs nicht kannten, sind wir jetzt schon eine nette, befreundete Truppe geworden“, sagt Horst Dillmann. Er und seine Frau hätten als Studenten viel in WGs gelebt und freuten sich jetzt darauf, wieder mehr gemeinschaftlich mit anderen zu leben.

Läuft alles nach Plan, werden die Dillmanns ihre Wohnung bereits kommenden April beziehen können. Dann wären es statt der üblichen fünf oder sieben Jahre nur zwei Jahre, die für die Umsetzung eines solchen Wohnprojekts nötig waren. Der Quadratmeterpreis für Wohnflächen im Haus – es hat einen Jahresprimärenergiebedarf von 70 Prozent eines vergleichbaren Neubaus nach der EnergieEinsparVerordnung (EnEV) – wird mit circa 2800 Euro am unteren Ende der Hamburger Wohnungspreis-Skala liegen. Drei der zehn Wohnungen sind noch zu haben – für Mitbewohner, die gern am lauschigen Ernst-August-Kanal in Wilhelmsburg mit eigenem Bootssteg leben möchten, von dem sie zu Paddeltouren bis nach Cuxhaven aufbrechen können.

Durch versteckte Mängel wurde der Umzug in Bahrenfeld verzögert

Wie langwierig normalerweise Planungen für ein Wohnprojekt in Hamburg verlaufen können, zeigt das Wohnprojekt „Hütten und Paläste“ in Bahrenfeld. „Wir haben vor sechs Jahren mit ersten Überlegungen zu unserem Wohnprojekt begonnen“, sagt Jutta Schwarz, eine der Initiatorinnen des Projekts. „Seit drei Jahren arbeiten wir als Gruppe aktiv an der Umsetzung.“ Diese hatte sich bei einer Ausschreibung der Stadt um das Grundstück beworben und den Zuschlag bekommen. Eigentlich wollte Jutta Schwarz mit ihrem Mann und den zwei Kindern dieses Jahr schon in eines der acht Gebäude beziehungsweise in eine der 29 Wohnungen ziehen, doch jede Menge versteckter Mängel in den Bauten – sie dienten einst als städtisches Altenheim – führten nicht nur zu Mehrkosten von circa 50.000 Euro, sondern auch zu einer Verzögerung des Einzugs um mindestens ein Jahr.

Die Tatsache, dass die Gebäude unter Denkmalschutz stehen, macht das Vorhaben nicht einfacher. Bereits seit neun Monaten müssen die ersten Kredite von den 29 Parteien abgerufen werden. „Wir freuen uns wirklich sehr auf den Einzug, den wir jetzt zumindest auf Ende 2014 datieren haben“, sagt Jutta Schwarz. „Dann werden wir wie in einem kleinen Ritterdorf wohnen: Die Häuser gruppieren sich um einen Innenhof mit schönen alten Bäumen, und gleich nebenan ist ein Wäldchen.“

Auch in der Jenfelder Au ist ein weiteres Wohnprojekt im Entstehen. Initiatorin Angelika Quade sucht dafür noch Mitstreiter, denn hier sind nicht bauliche Mängel das Problem, sondern die „Unbekanntheit“ des Stadtteils. Ein Dutzend Wohnungen sind noch zu vergeben. Das Grundstück liegt an einem schönen Stadtpark mit Wasserlauf, Baubeginn soll in einem Jahr sein.

Die Eigentumswohnungen sind in Größe und Grundriss noch variabel, der Preis liegt bei circa 2750 Euro pro Quadratmeter. In dem ehemaligen Kasernengebiet der Jenfelder Au stehen denkmalgeschützte Häuser aus den 1930er-Jahren, um die herum ein großes Neubaugebiet mit Stadthäusern und Grünflächen geplant ist. „Die Stadt hat hier sehr strenge Umweltauflagen gemacht – auch, um ein neuartiges Abwasser- und Energiekonzept umsetzen zu können“, sagt Angelika Quade. Zum Beispiel soll sogenanntes „schwarzes“ Abwasser (aus Toiletten, stark verschmutzt) aufgrund seiner hohen Konzentration an organischen Stoffen für eine Vergärung und somit für die Produktion von methanhaltigem und energiereichem Biogas genutzt werden. Dieses kann in einem Blockheizkraftwerk zu Wärme und Strom transformiert werden.

Begleitet wird das Wohnprojekt von Conplan. Die Betriebs- und Projektberatungsgesellschaft mit Sitz in Lübeck betreut derzeit 18 Wohngemeinschaften. „Inzwischen ist es so, dass knapp 70 Prozent der Baugruppen über das Grundstück zusammenkommen“, sagt Lars Straeter, der für Conplan Projekte in Hamburg betreut. „Die Tendenz geht zu anderthalb Jahren planen und einem Jahr bauen.“ Er regt an, bei speziell für neue Wohnprojekte ausgeschriebenen Grundstücken mehr darauf zu achten, dass die Vergabe auch wirklich nur an Baugruppen erfolgt. „Und nicht an Investoren, die auf einen im Haus integrierten ,Gemeinschaftsraum‘ verweisen.“ Dazu Angela Hansen, Leiterin der Agentur für Baugemeinschaften, angesiedelt in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU): „Bei der Grundstücksvergabe berücksichtigen wir neben dem Finanzierungskonzept besonders den Hintergrund und Zusammenhalt der Gruppe.“ Insgesamt seien bereits gut 90 Neubau-Wohnprojekte realisiert worden, 50 weitere seien aus sanierten Altbauten hervorgegangen. Vier Grundstücke bietet die Agentur jährlich an. Weitere kommen von der Lawaetz-Stiftung, die ebenfalls Ansprechpartner für Wohngruppen ist.

www.impuls21.eu

www.stattbau-hamburg.de

www.lawaetz.de

www.wohnprojekt-jenfelder-au.de