Bürgermeister und Innensenator wollen die St.-Pauli-Kirche aber nicht räumen lassen. Die Nordafrikaner weigern sich, den Behörden ihre Identität preiszugeben und einen Asylantrag zu stellen.

Hamburg. Der SPD-geführte Senat bleibt bei seiner harten Linie den „Lampedusa-Flüchtlingen“ gegenüber. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stellte im Gespräch mit dem Abendblatt klar, dass es keine Sonderregelung für die rund 80 Männer aus Nordafrika geben werde, die seit fast vier Monaten in der St.-Pauli-Kirche ausharren.

„Es wird in Hamburg keine Situation geben, in der Männer mit unbekannten Namen und unbekannten Flüchtlingsschicksalen ein Aufenthaltsrecht bekommen“, sagte Scholz. Wer als Flüchtling Schutz vor Verfolgung suche, müsse den Behörden seinen Namen nennen und seine Fluchtgeschichte erzählen. Nach Informationen des Abendblatts ist das bislang nicht geschehen. „Wenn man das zugrunde legt, was die Männer öffentlich geäußert haben, dürfte es wohl allenfalls für einige wenige von ihnen eine Perspektive in Deutschland geben, für die meisten nicht“, sagte der Bürgermeister.

Zuletzt hatte ein Besuch des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), in der St.-Pauli-Kirche neue Hoffnung bei den Lampedusa-Flüchtlingen genährt. Der FDP-Politiker hatte von einem „Gestaltungsspielraum“ gesprochen, den er in der Sache sehe. Löning verwies auf die Möglichkeit des „Selbsteintrittsrechts“ nach der Dublin-Verordnung der EU. Danach könne der Bund Asylverfahren an sich ziehen, wenn es gravierende Verfahrensmängel im Ankunftsland der Flüchtlinge gebe.

Die Nordafrikaner hätten in Italien einen Asylantrag stellen müssen

Die Nordafrikaner waren über die Mittelmeer-Insel Lampedusa nach Italien gekommen und hätten dort eigentlich einen Asylantrag stellen müssen. Stattdessen waren sie von italienischen Behörden mit einem Touristenvisum ausgestattet und nach Deutschland geschickt worden.

Innensenator Michael Neumann (SPD) hat in einem dem Abendblatt vorliegenden Brief an Löning deutlich gemacht, dass es aus Sicht des Senats keinen „Gestaltungsspielraum“ gibt. Neumann spricht den FDP-Politiker in seinem Schreiben direkt an: „Sollten Sie sich für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach der sogenannten Dublin-Verordnung aussprechen, würde dies zunächst Asylanträge der Betroffenen voraussetzen.“ Die Nordafrikaner hätten aber bislang erklärt, keine Asylanträge stellen zu wollen. Sollte sich diese Einstellung ändern, wäre laut Neumann nicht der Senat, sondern das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge allein zuständig.

Innensenator Neumann sieht keine Möglichkeiten für die Flüchtlinge

Die Lampedusa-Flüchtlinge und ihre Unterstützer sehen im sogenannten Gruppenbleiberecht nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes eine Möglichkeit, dauerhaft in Hamburg zu bleiben. Laut Neumann sind die Voraussetzungen für diesen Weg nicht gegeben. „Wie die Bundesregierung… geht Hamburg davon aus, dass es in Italien keine systemischen Mängel der Aufnahmebedingungen gibt, die Rücküberstellungen nach Italien grundsätzlich entgegenstehen“, schreibt der Innensenator an den Menschenrechtsbeauftragten.

Neumann macht Löning insgesamt wenig Hoffnung. „Auch alle sonstigen Rechtsgrundlagen für eine Erteilung humanitärer Aufenthaltstitel haben wir – soweit es anhand der wenigen uns vorliegenden Informationen über die Personen und ihre Fluchtgeschichten möglich war – sorgfältig geprüft“, schreibt der Senator. Nach derzeitigem Stand sehe die Innenbehörde „keine für die Betroffenen positiven Ergebnisse“. Nach Informationen des Abendblatts hatten drei Männer aus der Lampedusa-Gruppe der Innenbehörde die Schilderung ihrer Erlebnisse, die zum Verlassen ihres früheren Aufenthaltsorts Libyens führten, übermittelt – zwei von ihnen in anonymisierter Form. Auch diese Prüfung verlief negativ. „In den drei Fällen sehen wir beim besten Willen derzeit keine Chance auf eine Aufenthaltserlaubnis“, sagte Behördensprecher Frank Reschreiter. Das weitere Schicksal der Flüchtlinge ist völlig offen, eine Räumung jedoch nicht vorgesehen. „Wir sind bislang nicht in die Kirche gegangen und wollen das auch nicht tun. Das ist eine politische Entscheidung“, sagte Bürgermeister Scholz. „Kirchen sind Schutzräume, unabhängig davon, ob das gesetzlich geregelt ist oder nicht. Das ist eine gute Tradition, die wir achten.“ Auf die Frage, ob er die Sorge habe, dass weitere Kirchen ihre Türen für Flüchtlinge öffnen könnten, sagte Scholz: „Ich kann das nicht beurteilen. Für mich ist der Respekt vor der Kirche als geweihtem Ort wichtig – mit Konsequenzen, die auch zu Ungereimtheiten führen können.“

Scholz betonte, dass Hamburg derzeit viele Flüchtlinge aus aller Welt aufnehme. „Wir geben uns größte Mühe, angesichts steigender Flüchtlingszahlen genügend Unterkünfte zu finden. Das werden wir hinbekommen“, sagte Scholz, der „über die sehr große, solidarische Unterstützung sehr glücklich“ ist, die zum Beispiel die Flüchtlinge aus Syrien in der Bevölkerung erfahren.