Grüne wittern „Beigeschmack“: Ex-Behördenchef für Energiewirtschaft, Hans-Joachim Klier (SPD), wechselte zu Beginn der Verhandlungen die Seite.

Hamburg. Bis zum Februar 2011 war er einer der Hamburger Beamten mit der größten Kompetenz in der Energiepolitik. Dann ging Hans-Joachim Klier, zuletzt Referatsleiter für Energiewirtschaft in der Wirtschaftsbehörde, in den Ruhestand. Nur drei Monate später, im Mai 2011 – kurz vor Beginn der Verhandlungen zwischen Vattenfall und Senat über eine Beteiligung der Stadt an den Netzen – heuerte SPD-Mitglied Klier bei dem schwedischen Energie-Konzern an, als Berater für die „Gestaltung des Verhältnisses zu Politik und Verwaltung in Hamburg in energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Fragestellungen“.

Die Verhandlungen zwischen Stadt, Vattenfall und E.on führten bekanntlich dazu, dass Hamburg 25,1 Prozent der Energienetze erwarb und dafür 543 Millionen Euro bezahlte. Darüber, ob dieser Preis angemessen war, wird bis heute gestritten.

Mit Klier jedenfalls hatte sich Vattenfall genau vor den Verhandlungen exzellentes Insiderwissen aus der städtischen Verwaltung eingekauft. Denn Klier, derzeit Präsident der Bezirksversammlung Wandsbek, zeichnete seit Jahrzehnten mitverantwortlich für die Energiepolitik der Hamburger Senate.

Vor seinem Wechsel in die Wirtschaftsbehörde im Frühjahr 2006 leitete er das Grundsatzreferat Energiewirtschaft in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Zeitweise war er auch für die Prüfung der Frage zuständig, ob Vattenfall eine Konzessionsabgabe für das Fernwärmenetz zu zahlen hatte – was bis 2011 nicht geschehen ist.

Weil Nebentätigkeiten kurz nach der Pensionierung laut Beamtenrecht angezeigt werden müssen, wandte sich Klier am 29. Mai 2011 ordnungsgemäß an seinen letzten Dienstherrn, die Wirtschaftsbehörde. Im nun von SPD-Bürgermeister Olaf Scholz geführten Senat hatte man keine Bedenken gegen diesen Seitenwechsel. Behördensprecherin Susanne Meinecke bestätigt den Vorgang. Die Behörde habe keine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen feststellen können und Klier den Job bei Vattenfall nicht untersagt. Auch Klier selbst findet seinen Seitenwechsel kurz vor den Verhandlungen, bei denen es für die Stadt um mehr als eine halbe Milliarde Euro ging, unproblematisch.

Grünen-Fraktionschef spricht von Wissenstransfer zum Nachteil der Stadt

„Ich habe das ordnungsgemäß angezeigt, und es gab keine Bedenken“, sagte Klier, der bis heute „auch wegen des Volksentscheids“ für Vattenfall tätig ist, dem Abendblatt. „Ich hätte diese Beratungstätigkeit natürlich niemals aufgenommen, wenn ich damit den Interessen der Stadt schaden würde“, sagte der pensionierte Beamte.

Die Grünen stellt das nicht zufrieden. „Diese Personalie hat einen deftigen Beigeschmack“, sagt ihr Fraktionschef Jens Kerstan. „Mitten in der heißen Verhandlungsphase mit Vattenfall geht ein städtischer Energieexperte und SPD-Mann mit seiner langjährigen Erfahrung zu Vattenfall. Hier gab es einen Wissenstransfer zum Nachteil der Stadt – und niemand im Senat und bei der SPD scheint sich daran zu stören. Macht man denn bei der SPD gar keinen Unterschied mehr zwischen Vattenfall, Stadt und Partei?“

Auch eine weitere Personalie stößt den Grünen sauer auf: Im September 2011 verpflichtete der Senat den früheren schleswig-holsteinischen Finanzminister und SPD-Chef Claus Möller als Berater. Möller lieferte eine Art energiepolitisches Kurzgutachten ab. Honorar für den Parteifreund des Bürgermeisters: 5000 Euro. Eine Ausschreibung für den Beraterjob gab es laut Finanzbehörde nicht. „Bei der Auswahl des Gutachters hat offensichtlich das Parteibuch eine wichtigere Rolle gespielt als die Kompetenz“, behauptet Grünen-Fraktionschef Kerstan. „Das Möller-Gutachten ist oberflächlich und enthält reihenweise Copy-and-Paste-Passagen. Als Basis für eine energiepolitische Grundsatzentscheidung ist es wertlos. Wenn der Senat sich auf solche Expertisen stützt, wird aber erklärbar, warum am Ende ein schlechter Deal für Hamburg herausgekommen ist.“

Bei der Bürgerschaftssitzung am Donnerstag wollen SPD, CDU und FDP derweil einen gemeinsamen Aufruf gegen den vollständigen Rückkauf der Netze beschließen. „Wir rufen die Hamburgerinnen und Hamburger zu einem Nein beim Volksentscheid am 22. September auf!“, heißt es in dem Antrag.