Neun Kurden hatten „Elbmeile“ der Hadag gekapert. 21-Jährige muss lediglich Aufsatz schreiben

Hamburg. Am 19. April 2012 verbreitete sich eine Nachricht, die niemand so recht glauben konnte. Neun junge Kurden hatten die mit 79 Fahrgästen besetzte Hadag-Fähre „Elbmeile“ gekapert und wollten das Schiff in die Türkei entführen. Die Sache ging zum Glück glimpflich aus. Keiner der Fahrgäste wurde verletzt.

Wegen Nötigung und Freiheitsberaubung musste sich gestern eine der Kidnapperinnen vor dem Jugendgericht in Harburg verantworten. Begüm T. (21, Name geändert) war bei dieser Aktion dabei, mit der die jungen Kurden auf die schlimme Situation ihrer Landsleute in der Türkei aufmerksam machen wollten. Ihre Aktion sollte auch das Augenmerk der Öffentlichkeit auf kurdische Demonstranten lenken, die in Straßburg in einen Hungerstreik getreten waren. Außerdem kämpften sie für die Freiheit des Kurdenführers Abdullah Öcalan.

Die schüchterne junge Frau mit den langen schwarzen Haaren wagt sich vor Gericht kaum zu räuspern. „Es war eine Aktion“, lässt sie über ihre Anwältin erklären. „Niemand von uns wollte, das jemand Angst bekommt.“ Aber sie war dabei, als die Aktivisten um 17.23 Uhr plötzlich auf die Brücke stürmten. Sie hängten Transparente auf mit der Aufschrift: „Der Hungerstreik in Straßburg ist an der Grenze des Todes“. Ein anderes Transparent zeigte den in der Türkei inhaftierten Chef der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan.

Den Bootsführer forderten die Entführer auf: „Du musst uns in die Türkei fahren!“ Er entgegnete: „Das geht nicht. Ich muss nach Finkenwerder!“

Der Kapitän konnte einen Notruf über Funk absetzen. Drei Boote der Wasserschutzpolizei kreisten die Fähre ein und nahmen die Kidnapper fest. Doch zuvor wurde die Elbe aus Sicherheitsgründen komplett gesperrt.

Was für eine „Dummheit“ sie mit der Entführung angerichtet hat und wie gefährlich die Sache war, wird der jungen Frau, die gerade ihr Abitur bestanden hat, vermutlich erst vor Gericht klar. Doch es ist alles gut gegangen. Auch vor Gericht geht für Begüm T. alles gut aus. Das Strafverfahren gegen die junge Frau wird eingestellt. Die Auflage für die Angeklagte: Bevor sie ihr Studium der Psychologie an der Uni Hamburg beginnt, muss sie einen Aufsatz (nicht unter 2500 Wörtern) schreiben und dem Gericht vorlegen. Thema: Die Grenzen der politischen Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit neben den Grundrechten anderer Menschen. Der Prozess gegen die acht anderen Kurden, die an der Entführung der Hadag-Fähre beteiligt waren (sie fallen nicht mehr unter das Jugendstrafrecht) wird vor dem Amtsgericht in Altona stattfinden.