Mit der Übernahme von E-Plus durch Telefónica Deutschland (O2) entsteht ein neuer Marktführer im deutschen Mobilfunk. Die Folgen für Beschäftigte und Kunden sind noch ungewiss.

Hamburg. Die Hamburger Mitarbeiter von Telefónica Germany sind einiges gewohnt. In den 90er-Jahren arbeiteten sie für die HEW-Tochter HanseNet, dann mussten sie sich kurz hintereinander auf die Ansprüche von gleich zwei neuen Eigentümern einstellen, der Telecom Italia folgte die Telefónica – und stets zogen damit auch wechselnde Chefs in der Verwaltung am Überseering ein. Jetzt arbeiten noch 650 Beschäftigte in dem würfelförmigen Zweckbau in der City Nord.

In diesen Tagen erleben sie zwar keinen erneuten Eigentümerwechsel, aber eine weitreichende Neuordnung des deutschen Telekommunikationsmarktes: Mit der Übernahme von E-Plus durch Telefónica Deutschland (O2) entsteht ein neuer Marktführer im deutschen Mobilfunk: Zusammen kommen E-Plus (inkl. simyo, blau.de, BASE) und O2 auf 43 Millionen Kunden – das ist mehr als ein Drittel des Marktes. Wenn die Wettbewerbshüter sowie die Hauptversammlungen von Telefónica Deutschland und der niederländischen E-Plus-Mutter KPN zustimmen, lässt das neue Unternehmen die bisherigen Platzhirsche T-Mobile und Vodafone hinter sich.

Wie KPN am Dienstag mitteilte, zahlt Telefónica Deutschland für die Übernahme 8,1 Milliarden Euro. Die Niederländer erhalten fünf Milliarden Euro in bar und halten nach Abschluss der Transaktion 17,6 Prozent an Telefónica Deutschland. Mit dem Schulterschluss will Telefónica Deutschland endlich Größenvorteile nutzen, die bisher den Wettbewerbern T-Mobile und Vodafone vorbehalten waren. Die Münchner versprechen sich Kostenersparnisse in Vertrieb, Kundenservice und den Netzen in Höhe von fünf bis 5,5 Milliarden Euro. Jährlich sollen es 800 Millionen Euro sein.

Telefónica Deutschland ist hierzulande vor allem durch seine Kernmarke O2 bekannt. Ob sich Name und Preisstruktur nach einem Zusammengehen ändern, konnte ein Telefónica-Deutschland-Sprecher auf Anfrage nicht sagen: „Dafür ist es noch zu früh.“ Auch über die Zukunft der einzelnen Marken sei noch nicht entschieden.

Die Deutsche Telekom dürfte nach Ansicht von Experten am Ende der Verlierer dieser Hochzeit sein. Der Wettbewerb wird härter. Der Ex-Monopolist hatte bisher nur einen Mobilfunk-Konkurrenten auf Augenhöhe: Vodafone. Nun kommt ein zweiter Wettbewerber hinzu, der auch auf Qualität setzt und die Mobilfunknetze der neuen Generation (LTE) ausbaut.

Noch stehen die Zustimmung der Hauptversammlungen von KPN und Telefónica Deutschland sowie die Genehmigung der Wettbewerbshüter aus. Grünes Licht durch die Behörden ist keine ausgemachte Sache, da die Kartellwächter in der Verringerung von vier auf drei Konkurrenten einen Schaden für den Wettbewerb sehen könnten. Eine geringe Anzahl von Anbietern zieht gemeinhin höhere Preise für Handy-Kunden nach sich. Eine Ehe der beiden kleinen deutschen Mobilfunker war bereits vor einem Jahr im Gespräch. Damals ächzte die spanische Konzernmutter Telefónica unter ihrem Schuldenberg. Seitdem hat sich die Lage aber entspannt und Telefónica bekommt wieder neue Kredite.

Börsianer bewerten die Übernahme positiv, da die Kostenersparnisse die Ausgaben übersteigen dürften. Fraglich ist, wie sich der Kauf auf den Standort Hamburg auswirken wird. In der Hansestadt arbeiten nach mehreren Stellenabbauprogrammen noch gut 600 Beschäftigte in der Verwaltung für Telefónica. Rund 20 O2-Shops und gut zehn E-Plus-Geschäfte gibt es außerdem in der Stadt. „Hamburg ist ein bedeutender Standort für uns“, sagte eine Telefónica-Sprecherin dieser Zeitung mit Blick auf die Niederlassung in der City Nord. Hier sei die wichtige Festnetz-Kompetenz für Privat- und Geschäftskunden angesiedelt. Da immer mehr Kunden gebündelte Angebote für das Festnetz und den Mobilfunk erwarteten, bleibe das Festnetz ein attraktiver Geschäftsbereich. Zu konkreten Auswirkungen der geplanten Übernahme für die Hansestadt wollte die Sprecherin allerdings keine Angaben machen. „Für Spekulationen darüber ist es viel zu früh, außerdem steht die Übernahme ja auch noch unter dem Vorbehalt der Behörden.“

Für die Hamburger Beschäftigten von HanseNet bringt die Nachricht erneute Unruhe und wieder einmal Sorge um die Arbeitsplätze. Schon in den vergangenen Jahren waren die Mitarbeiter mit diversen Wechseln der Eigentümer und im Management konfrontiert worden, und die Zahl der Stellen ist in der Hansestadt drastisch gesunken. Ein Blick zurück: Nachdem das Unternehmen im Jahr 1995 in Hamburg als Stadtnetzbetreiber und Tochter der HEW gegründet worden war, stand 2003 die erste Übernahme an: Telecom Italia kaufte HanseNet zu 100 Prozent. 2004 startete die Marke Alice und verpflichtet die gebürtige Römerin Vanessa Hessler als Werbefigur, zunächst eine glänzende Erfolgsgeschichte. Zwischenzeitlich war jeder zweite Hamburger Kunde bei Alice, das attraktive Model, das auch für Designer wie Calvin Klein und Giorgio Armani tätig war, verfehlte seine Wirkung nicht, noch nicht. 2007 übernahm HanseNet das Zugangsgeschäft von AOL für das boomende Internet, doch die Integration gestaltete sich problematischer als gedacht. 2009 forcierte Telecom Italia den Verkauf: Die Kundenzahl war rückläufig, hohe Investitionen waren nötig. 2010 wurde HanseNet dann die Tochter von Telefónica O2, 250 Beschäftigte in Hamburg verloren ihren Job.

In diese ohnehin unruhige Zeit platzten Negativ-Schlagzeilen von Alice: Im Oktober 2011 erklärte das Fotomodell in einem Interview, dass es vier Jahre mit Mutassim Gaddafi, einem der Söhne des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi, liiert gewesen sei, und bezeichnete in diesem Zusammenhang die Familie Gaddafi als „ganz normale Menschen“. Telefónica Germany distanzierte sich als neuer Inhaber der Marke Alice von den Äußerungen Hesslers über das frühere Gaddafi-Regime und löste die Zusammenarbeit mit ihr mit sofortiger Wirkung auf.

Erst im vergangenen Jahr endete allerdings die Nutzung der Marke Alice bei Telefónica. Alle Produkte firmieren seitdem unter der Marke O2. Wie nun die neuen Vertriebs- und Werbestrategien nach dem Zusammengehen mit E-Plus aussehen, ist bisher noch völlig unklar. Aber an Strategiewechsel sind zumindest die Hamburger Telefónica-Mitarbeiter ja schon gewohnt.