Wer durch den Stadtteil spaziert, kann es sich kaum vorstellen: Wo heute Häuser stehen, prägten einst Wiesen und Felder das Bild.

Eimsbüttel. Wer heute die Osterstraße vom Eppendorfer Weg aus hinaufgeht, spürt das quirlige Leben einer urbanen Einkaufsstraße. Ein kleiner inhabergeführter Laden reiht sich an den anderen. Dazwischen Cafés, Eisdielen und Restaurants. An der Kreuzung Osterstraße/ Heußweg bricht diese Kleinteiligkeit für einen Moment auf: Der Karstadt-Betonklotz dominiert den Platz.

Viele Besucher der Osterstraße dürften überrascht sein, wenn sie erfahren, dass dieser quirlige Ort bis in die Nachkriegszeit hinein keineswegs die angesagteste Einkaufs- und Unterhaltungsmeile Eimsbüttels war. Diese Ehre gebührte vielmehr der Eimsbütteler Chaussee. Sie war 1841 angelegt worden und entwickelte sich in der Zeit der industriellen Revolution zu einer der beliebtesten Hauptstraßen Hamburgs – mit Tanzrestaurants und Theatern.

Eimsbüttel, zumindest der citynahe Teil, ist durch zwei geschichtliche Wendepunkte geprägt. Neben der Zeit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, in der innerhalb weniger Jahre die Einwohnerzahl von wenigen Hundert auf mehr als 50.000 stieg, ist das jene furchtbare Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943. Bei ihren Angriffen auf Hamburg zerstörten alliierte Bomber fast jedes zweite Wohnhaus in Eimsbüttel.

Heute dürfte es den Besuchern der Viertel rund um die Osterstraße oder im Bereich der Christuskirche schwerfallen, sich das Gebiet als verschlafenes, aus wenigen Höfen bestehendes Dorf vorzustellen. Eine liebliche Landschaft aus Wiesen und Feldern prägte viele Jahrhunderte die Gegend. Die erste Schule wurde erst 1693 gegründet.

Christina Becker beschreibt in ihrem Stadtteillexikon den Flecken als „Ziel mondäner Landpartien“ und „Lustdorf“. Der im Jahre 1784 eröffnete Heußhof, der dem heutigen Heußweg seinen Namen gegeben hat, wurde wegen seiner Küche über Eimsbüttel hinaus geschätzt. Reiche Hamburger schufen sich hier später Landhäuser mit großen und tollen Gärten. Wer heute wachsamen Auges durch die Viertel streift, kann anhand des einen oder anderen Parks die frühere Pracht noch erahnen.

Der Wandel kommt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ohne Vorankündigung. In den Jahren nach 1850 platzt das alte Hamburg infolge der Industrialisierung aus allen Nähten. Wohnraum wird knapp, und der Bau der Speicherstadt verstärkt die Not zusätzlich. Vor allem arme Menschen verlieren ihre Behausungen und siedeln nach Eimsbüttel um.

Hier haben geschäftstüchtige Investoren ein Grundstück nach dem anderen aufgekauft und Arbeiterwohnungen, aber auch herrschaftliche Gründerzeithäuser errichten lassen. Die Zahl der hier lebenden Menschen steigt rasant: 1925 zählt der Stadtteil 125.000 Einwohner. Die Stadtoberen tun alles, das Viertel zu entwickeln. Eimsbüttel wird an die Wasserversorgung angeschlossen, die Straßen erhalten Namen, Krankenhäuser werden gebaut – genauso wie Schulen und Kirchen. Damit die Menschen auch zu ihren Arbeitsplätzen kommen, wird der neue Stadtteil an den öffentlichen Verkehr angeschlossen. Der U-Bahnhof Schlump geht 1913 in Betrieb. Dass mit dem Unternehmen Beiersdorf ein heute weltweit bekanntes und erfolgreiches Unternehmen seinen Ursprung in Eimsbüttel hat, überrascht da kaum mehr.

Heute zählt Eimsbüttel allerdings nicht einmal halb so viele Einwohner wie noch vor gut 100 Jahren. In der Schreckensnacht im Juli 1943 werden ganze Straßenzüge und Eimsbüttel in bis dahin unvorstellbarem Ausmaß zerstört. Nach dem Krieg nutzten Stadtplaner den Wiederaufbau für modernen Wohnungsbau und den Aufbau einer am Auto orientierten Verkehrsinfrastruktur. Einst private Gartenanlagen sind heute öffentlich und jedermann zugänglich: der Unnapark und der Wehbers Park.

Inzwischen gehört der citynahe Teil von Eimsbüttel zu den begehrten Wohngebieten. Mietwohnungen sind nur schwer zu bekommen. Und wer eine Wohnung kaufen will, muss pro Quadratmeter im Durchschnitt mehr als 3200 Euro bezahlen, wie aus dem jüngst vorgestellten Immobilienbericht 2013 hervorgeht.