Drei Anschläge in kurzer Zeit: Erstarkt die rechtsextremistische Szene in Bergedorf? Aktivisten planen Demonstration. Die Wut sitzt bei den Aktivisten des antifaschistischen Jugendbündnisses tief.

Hamburg. Droht Bergedorf die Rückkehr rechter Gewalt? In nur fünf Tagen sind Rechtsextreme dreimal über das antifaschistische Jugendzentrum "Unser Haus" in Bergedorf hergefallen: Sie verwüsteten den Garten, schlugen Scheiben ein, hinterließen Propaganda-Aufkleber der "Weißen Wölfe Terrorcrew" und demolierten ein Auto. Zwar sind die Schäden inzwischen behoben, die Hetz-Sticker entfernt. Doch die Wut sitzt bei den Aktivisten des antifaschistischen Jugendbündnisses auch Tage nach den Anschlägen tief. Am Sonnabend wollen sie unter dem Motto "Enough is enough" gegen rechte Gewalt in Bergedorf demonstrieren.

Das selbstverwaltete Jugendzentrum mit dem vereinseigenen Café Flop wurde in der Vergangenheit häufig von Rechtsradikalen heimgesucht. In den vergangenen zwei Jahren blieb es weitgehend verschont - bis zum 29. Mai, einem Mittwoch. In der Nacht schlugen Rechtsextreme eine Fensterscheibe des Gebäudes ein, beschädigten das Auto einer Antifa-Aktivistin und hinterließen Aufkleber mit fremdenfeindlichen Hetzparolen auf einem Schaukasten und der Eingangstür.

Am folgenden Abend seien sie zurückgekehrt, um die zwischenzeitlich entfernten Aufkleber zu erneuern, berichtet ein Mitarbeiter des Jugendzentrums. Am Morgen des 2. Juni klirrten dann wieder Scheiben. "Sie haben an den Türen gerüttelt, im Garten randaliert und wollten die Tür eintreten", sagt Antifa-Sprecherin Mira, die aus Furcht vor Nachstellungen ihren Nachnamen geheim halten möchte. Für zwei Aktivistinnen sei es an jenem Tag brenzlig geworden: Die jungen Frauen hätten die Neonazis - vermutlich waren es drei - beim Randalieren überrascht, seien bepöbelt und "durch Bergedorf gejagt" worden. Im letzten Moment hätten sie sich in einen Bus retten können.

Die Ermittlungen nach den Tätern verliefen bisher ergebnislos. "Wir haben noch keine heiße Spur", sagt Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Unklar ist auch, ob Mitglieder der "Weiße Wölfe Terrorcrew" in die Anschläge verwickelt sind. Von der verbotenen Gruppierung hatten die Täter am Tatort und im Bergedorfer Ortszentrum zahlreiche Aufkleber hinterlassen. Der Hamburger Verfassungsschutz rechnet die Radikalen den sogenannten "autonomen Nationalisten" zu. Die rund zehn Mitglieder zählende Hamburger Sektion sei in den Vorjahren durch rechtsextremistische Straftaten aufgefallen und habe sich nach dem Zusammenschluss mit dem "Hamburger Nationalkollektiv" zunehmend politisiert. Von der nach außen besonders aggressiv auftretenden Gruppe fühlen sich nach Angaben der Verfassungsschützer vor allem junge, gewaltbereite Neonazis angezogen, auch solche, die durch "Maulheldentum" auffallen. Gegen die Mitglieder der "Weißen Wölfe" sind mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, unter anderem wegen Körperverletzung, Bedrohung, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole.

"Der Überfall ist der Höhepunkt der in den letzten Monaten zunehmenden Naziaktivitäten", sagt Mira. Bisher seien Rechtsextreme in Bergedorf vor allem durch Schmierereien, Pöbeleien und Hitlergrüße aufgefallen, weniger durch konzertierte Aktionen. So ging auch der Reizgas-Anschlag auf polnische Gäste während der Einweihung des Zwangsarbeiter-Mahnmals im September 2012 auf das Konto eines rechtsradikalen Einzeltäters. "Doch der Bundestagswahlkampf und die Neugründung einer Bergedorfer Kameradschaft scheinen für neues Selbstbewusstsein gesorgt zu haben", sagt die Aktivistin Mira.

Auch der Hamburger Verfassungsschutz hat Hinweise auf die Gründung einer rechtsextremistischen Kameradschaft in Bergedorf. Details wollte Behördenchef Manfred Murck mit Rücksicht auf die weiteren Ermittlungen nicht nennen.

In den 80er-Jahren galt Bergedorf als eine Art "ideologisches Zentrum zumindest der norddeutschen Neonazi-Szene", so Murck. In diese Zeit fielen etwa die Ermordung eines Mannes durch die "Lohbrügger-Army" und der Sturm auf einen "Rock gegen rechts"-Abend an der Gesamtschule Bergedorf. Hinweise auf eine Zunahme rechtsradikaler Aktivitäten gebe es aktuell aber nicht, sagt Murck. "Insgesamt ist es in den letzten Jahren im Bezirk ruhiger geworden." Von den 398 im Vorjahr registrierten rechtsextremistischen Straftaten seien 30 im Bezirk Bergedorf verübt worden, darunter ein Körperverletzungsdelikt. In Bezirken wie Wandsbek, da vor allem in Bramfeld, in Mitte und Harburg seien Neonazis öffentlich präsenter. Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass in Hamburg 160 gewaltorientierte Rechtsextremisten leben, 15 bis 20 davon im Bezirk Bergedorf. Insgesamt fehle es den Neonazis in Hamburg indes an "Mobilisierungskraft", die sie durch verstärkte Propaganda-Aktivitäten - vor allem im Internet - zu kompensieren suchten, konstatiert der Verfassungsschutzbericht 2012.

Das antifaschistische Jugendbündnis nimmt die Situation indes als deutlich bedrohlicher wahr, spricht von "zunehmenden neofaschistischen Bestrebungen in Bergedorf". 150 Protestler hätten sich bereits für die Demo angemeldet. Los geht es um 15 Uhr, Treffpunkt ist am Bergedorfer Bahnhof der Ausgang Lohbrügge. "Wir werden uns durch die Angriffe der Neonazis nicht einschüchtern lassen, sondern uns dagegen wehren", sagt Aktivistin Mira.