Die Hamburgische Bürgerschaft beschließt den Staatsvertrag mit islamischen und alevitischen Gemeinden. Scholz spricht von “Meilenstein“, CDU ist gespalten.

Hamburg. Die Stimmung war feierlich und doch ein wenig angespannt: Die Bürgerschaft hat am Donnerstag dem Staatsvertrag mit drei islamischen sowie der alevitischen Gemeinde zugestimmt. Während die große Mehrheit des Parlaments aus SPD, Grünen, Linkspartei und Teilen der CDU das als historischen Akt würdigte - schließlich ist Hamburg nach Bremen erst das zweite Bundesland, das einen solchen Schritt geht -, lehnten die FDP und sieben konservative Abgeordnete der CDU-Fraktion den größten Teil der Verträge ab. Er habe "großen Respekt" vor denen, die zum Beispiel aus Sorge vor radikalen Kräften im Islam anders abstimmen, sagte CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich - womit er etwas bemäntelnd einräumen musste, dass es ihm und CDU-Landeschef Marcus Weinberg nicht gelungen war, die ganze Partei für die von ihrem Ex-Bürgermeister Ole von Beust initiierten Verträge zu begeistern.

Während die FDP als einzige Fraktion derartige Vereinbarungen aus Prinzip und unter Verweis auf die gebotene Trennung von Staat und Religion ablehnte, lobten die meisten Redner den "hohen symbolischen Wert", so Barbara Duden (SPD). "Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Gleichbehandlungen vieler Hamburger mit muslimischen Wurzeln." Mit den christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde hatte die Stadt ähnliche Vereinbarungen getroffen.

"Sie drücken einen großen gegenseitigen Respekt füreinander aus", sagte auch Wersich. Dabei versuchte er mehrfach, eine Brücke zu den innerparteilichen Kritikern zu schlagen. So wies er darauf hin, dass sich bezüglich des Kopftuchverbots nichts an der Rechtslage ändere: "Das Tragen einer Ganzkörperverschleierung, einer Burka, bleibt für uns mit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst unvereinbar." Zudem räumte er ein, dass es "schwer hinzunehmen" sei, dass sich unter dem Dach eines Vertragspartners, der Schura, auch extremistische, zum Beispiel vom Verfassungsschutz beobachtete Gemeinden tummeln.

In Hamburg leben rund 130.000 Muslime. Wie viel von ihnen von den Vertragspartnern - den islamischen Verbänden DITIB, Schura und VIKZ sowie der alevitischen Gemeinde - repräsentiert werden, ist umstritten. Die Schätzungen schwanken zwischen gut 20.000 und 100.000. Der parteilose Abgeordnete Walter Scheuerl hat hochgerechnet, dass maximal 23.000 bis 46.000 Muslime von den Verbänden vertreten werden. Er hatte innerhalb der CDU-Fraktion für eine Ablehnung der Verträge geworben und darauf hingewiesen, dass Vereine wie Schura im Internet die Forderung "Verfassungsschutz auflösen" unterstützen würden. In der Debatte sprach für die CDU-Fraktion aber nur Wersich.

"Die Verträge stärken gerade nicht die Extremisten", sondern die liberalen Kräfte, entgegnete SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Er lobte den "Geist der Toleranz", in dem sich auch die jüdische Gemeinde sowie die christlichen Kirchen in die jahrelange Beratung eingebracht hätten. Von einem "geschichtsträchtigen Tag" sprach Christiane Schneider (Linkspartei): "Der Islam ist ein nicht mehr wegzudenkender Teil der bundesrepublikanischen Gesellschaft." Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan betonte die Chancen der religiösen Vielfalt, die gut zur Weltoffenheit der Stadt passten. Dann wandte er sich etwas pathetisch an die Vertreter der islamischen Gemeinden in der Senatsloge: "Dank Ihnen wird Hamburg heute ein Stück hamburgischer."

Auch die Zweite Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt (SPD) richtete ihre Worte an die Gäste auf der Tribüne: "Damit erkennen wir Ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft an." Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) war bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin, lobte die Beschlüsse der Bürgerschaft aber aus der Ferne als "Meilenstein". In den Vereinbarungen werde der Respekt des Staats gegenüber den religiösen Überzeugungen seiner Bürger ausgedrückt. Umgekehrt gelte das auch "für den Respekt, den der Staat von all seinen Bürgerinnen und Bürgern - unabhängig von Religion oder Weltanschauung - erwarten darf".