Nicola Ehlers vermietet in ihrem Geschäft Regale als Verkaufsfläche. Für wenige Euro kann man Gebrauchtes und Selbstgemachtes anbieten.

Hamburg. Auf dem Regal in Greifhöhe von Kindern stehen Bauernhoftiere, ein Einhorn fährt mit der Barbie-Puppe in der Kutsche spazieren, für Sportsfreunde warten nebenan Tennisschläger und Rollerblades auf ihren Einsatz, Musikfans finden CDs, Schallplatten und zum Abspielen gleich auch noch Stereoanlagen und Kassettendecks. Darf es etwas Schmuck sein? Mode? Fahrräder? Bücher? Bei Nicola Ehlers gibt es praktisch nichts, was es nicht gibt. In ihrem Laden finden Schnäppchenjäger das ganze Sortiment eines Flohmarkts, und das ist auch das Prinzip ihres Ladens Schatzflächen im Rentzel-Center am Grindel.

"Hier wird man auch nicht nass", sagt die Hamburgerin lächelnd über das Standardwetter ihrer Heimatstadt, das nicht ganz unschuldig war an ihrer Businessidee: Der Schatzflächen-Laden ist eine Art aufgeräumter, wohl organisierter - und natürlich überdachter Flohmarkt. Denn hier kann jeder Regale mieten und seine Habseligkeiten verkaufen, auch Selbstgemachtes wie Strickmützen oder Tonschalen. "Solche Geschäfte gibt es bereits in Berlin, in München, im Ruhrgebiet und in Flensburg, aber eigenartigerweise noch nicht in Hamburg", wundert sich die Gründerin, die im vergangenen November auf die Idee stieß, so begeistert war, dass sie sofort mit der Immobiliensuche begann und das Geschäft nun am vergangenen Sonnabend eröffnet hat.

"An den bestehenden Standorten haben diese Shops großen Erfolg", weiß die 42-Jährige, die mit den Inhabern der Pionierläden ausführlich gesprochen hat und in der Hansestadt nun das Beste dieser Geschäfte unter einem Dach vereinen will: Kinder können ihre eigenen Regale mieten und damit den Umgang mit Geld lernen. Kunden können CDs anhören, Kassetten und DVDs abspielen, um die Ware zu prüfen, eine Umkleidekabine erspart Fehlkäufe bei Hosen und Blusen. Bei Uhren und Schmuck gibt es spätestens nach dem Besuch des Gutachters vom Handelskontor, der einmal die Woche zum Schatzflächen-Laden kommt, keine Fragen mehr zu Wert oder Echtheit des Materials. Außerdem hat die Unternehmerin eine eigene Software für das Warenwirtschaftssystem programmieren lassen, um gelieferte Ware, den Bestand, Verkäufe und die Preise, welche die Lieferanten bestimmen können, im Blick zu behalten. Bald können die Kunden sogar zu Hause via Internet sehen, welche Bücher, CDs oder Spielsachen Nicola Ehlers im Laden anbietet.

Die Gebühren für die Lieferanten hängen von der Art der Präsentation und der Dauer der Regalmiete ab, außerdem fällt eine Provision von 15 Prozent beim Verkauf der Ware an. Beispiel: Eine große Regalfläche kostet zehn Euro pro Woche, für einen Vitrinenstellplatz beispielsweise für eine Uhr, oder einen Kleiderbügel für eine Hose muss der Lieferant zwei Euro bezahlen. Über die verkauften Teile wird der Anbieter via SMS informiert, auch eine Anpassung des Preises während der Mietzeit oder eine Ausweitung des Sortiments auf dem Regal sind möglich.

Nicola Ehlers investiert viel Geld in die Idee, weil sie glaubt, damit den Nerv der Zeit zu treffen. Schließlich kombiniert der Schatzflächen-Laden mehrere Trends, die derzeit die Gesellschaft bestimmen: den Trend des Teilens und Tauschens und die Erkenntnis, dass weniger oft mehr ist und es sehr befreiend sein kann, sich von Dingen zu trennen. Bei Nicola Ehlers stand die Idee im Vordergrund, Dinge an andere Menschen abgeben zu können, ohne viel Aufwand damit zu haben. Der Verkäufer mistet aus, etwa nach der Methode der Simplify-your-Life-Bestseller, wonach Entrümpeln das Leben leichter macht - und er kann darauf verzichten, Pakete zu verschicken wie bei Ebay oder im Morgengrauen den Malertisch auf den Flohmarkt zu schleppen. Der Käufer fühlt sich wiederum als Schnäppchenjäger, kann gegenüber Neuwertigem sparen und tut mit dem Recycling der Produkte auch etwas für die Umwelt.

Ähnliche Konzepte haben sich in Hamburg bereits durchgesetzt: So ist Secondherzog in den vergangenen Monaten mit einem neuen Laden in Eppendorf auf Expansionskurs gegangen; ein Geschäftsmodell, bei dem Verkäufer ihre getragene Designerkleidung abgeben können. Sie bekommen sofort Bargeld - und Secondherzog übernimmt den Verkauf per Internet. In derselben Nische agiert Buddy & Selly, diese Firma betreibt einen Ankaufsladen in Winterhude. Gründer Axel Seemann, ein Hamburger Unternehmensberater, stützt seine Idee auf überraschende Zahlen: Die Hälfte der Deutschen würden nur 50 Prozent ihrer Kleidung tragen. Und schätzungsweise 1,5 Milliarden Textilien sortierten diese Klamottenmuffel im Jahr aus. "Grund genug, nachhaltig zu denken und hochwertige Mode wieder in Umlauf zu bringen", sagt der Unternehmer.

Neben dem Schatzflächenshop liegt im Rentzel-Center einer der Biosupermärkte des Studentenviertels, auch hier suchen die Kunden nach Nachhaltigkeit und wollen die Ressourcen der Erde schonen. Nicola Ehlers lebt selber weitgehend nach diesen Prinzipien. "Ich bin Vegetarierin, habe kein Auto und bin praktisch nur mit dem Fahrrad unterwegs", sagt die sportliche Hamburgerin, die in ihrer Freizeit Tennis spielt, joggt und ins Fitnessstudio geht. Bei der Einrichtung des Ladens habe sie auf gebrauchte Regale zurückgegriffen, statt Plastik- gibt es nur Papiertüten zum Wegtragen der neu gekauften Schätze.

Die Gründerin kennt sich aus mit Produktpräsentationen, arbeitet sie doch bei der Messe Hamburg und will diesen Job auch nicht aufgeben. Für die Schatzflächen hat sie daher Kerstin Bode als Geschäftsführerin eingestellt, ein Glücksgriff, denn die umtriebige 52-Jährige arbeitete zuvor im gleichen Shop, in dem ein Matratzenladen untergebracht war. Kerstin Bode rettete also ihren Job und kennt die Kunden aus der Nachbarschaft schon.

Für Nicola Ehlers steht schon jetzt fest: Wenn ihr neuer Laden gut angelaufen ist, sucht sie nach weiteren Flächen und will die Idee zu einer Kette ausbauen, übrigens längst nicht nur für einkaufsfreudige Frauen: "Wenn ich eine größere Halle finde, erweitere ich als erstes das Angebot für Männer, mit Bohrmaschinen, Rasenmähern und anderen Baumarktprodukten."