Dozent der HafenCity Universität stellt vor, wie Anwohner ihr Viertel mitentwickeln können. Los geht es im Oberhafenquartier. TED-Konferenz heute in der Laeiszhalle.

Hamburg . Wie können Bürger ihre Stadt entwickeln und eigene Ideen einbringen? Micha Becker hat dazu eine Idee: Der 31-Jährige arbeitet an einem Internet-Spiel, durch das Anwohner ihr Viertel mitplanen. Über dieses Konzept spricht der Hamburger Stadtplaner, der Lehrbeauftragter an der HafenCity Universität ist, am heutigen Dienstag auf der TED (Technology, Entertainment, Design)-Konferenz in der Laeiszhalle.

Hamburger Abendblatt: Sie wollen mit einem webbasierten Spiel Stadtplanung machen. Wie genau soll das gehen?
Micha Becker: Wir stellen uns oft die Frage, wie man Menschen für Stadtplanung noch mehr begeistern kann. Viele Menschen lieben Spiele, so dass der Computer ein gutes Medium ist, um das Thema anzugehen.

Was heißt das konkret?
Micha Becker: Mein Ansatz ist es, eine Plattform zu schaffen, auf der sich verschiedene Spieler anmelden, anfreunden und austauschen. Dann muss man dem Ganzen einen spielerischen Touch geben - so gilt es, eine Mission zu erfüllen, ein Ziel zu erreichen. Auf dem Weg dahin muss der Spieler Aufgaben lösen. So produziert er Inhalte. Es kann sehr interessant sein, was für unterschiedliche Ideen 50 Spieler produzieren.

Sie entwickeln gerade einen Prototypen, der sich auf das Oberhafenquartier bezieht. Wer würde da mitspielen?
Micha Becker: Den teste ich zunächst mit Studierenden. Da gibt man gezielt stadtplanerische Themen vor, die für dieses Areal gelöst werden müssen. Beispiel: Wir befinden uns hier in einem Hochwassergebiet. Du musst aber trotzdem Lösungen finden, die eine Nutzung ermöglichen. Der zweite Schritt wäre, das Spiel mit der Öffentlichkeit zu spielen. Man müsste aus planerischer Sicht schauen, ob Ideen dabei sind, die man verwerten kann. Mit diesen Ergebnissen kann man an die Stadt herantreten.

Was passiert, wenn die Vorschläge der Bürger utopisch sind?
Micha Becker: Utopien sind erst einmal gut. Sie bilden die Wünsche der Bürger ab. Dass man alles direkt umsetzen kann, erwarte ich gar nicht.

Was passiert, wenn sich die Bürger, die an dem Spiel beteiligt sind, in zwei Lager spalten?
Micha Becker: Es wäre spannend zu sehen, welche Lösungen beide Teams erspielen. Das ist auch eine Möglichkeit, Alternativen zu entwickeln. In der Umsetzung wird man es nie allen recht machen können.

Was sind Ihre Ideen für das Oberhafenquartier?
Micha Becker: Ich würde gerne einen alten Waggon auf die Schienen und ein paar Tische und Stühle hinein stellen. Das könnte von der Oberhafenkantine mit betrieben werden. Gleichzeitig stünde da ein Klavier drin, was sich mit dem Thema Musik und Kultur an diesem Ort verbinden lässt. Dazu gibt es ein kleines Bücherregal, aus dem jeder, der ein Buch mitbringt, sich dafür eines herausnehmen darf. Ich glaube, dass so etwas dem Ort einen anderen Touch gibt, als wenn alles ganz klar durchgeplant ist. Das macht so ein Areal interessant.

Was hält die Behörde für Stadtentwicklung von Ihrem Ansatz?
Micha Becker: Es gibt Arbeitspapiere vom deutschen Städtetag, in denen diskutiert wird, inwieweit man Technologien wie das Web 2.0 für informelle Bürgerbeteiligungsprozessen einsetzen kann. Ich glaube, dass das in den nächsten Jahren Thema sein wird, und dass die Beteiligungskultur in Deutschland im Wandel ist.

Woran merken Sie sofort, dass in einem Viertel die Bürger an der Stadtplanung beteiligt wurden? Gibt es da bestimmte Merkmale?
Micha Becker: Ich glaube, dass man schnell ein Gefühl von Authentizität bekommt. Wenn ich mir die HafenCity angucke, sehe ich, dass es dort ganz klare Regeln gibt. Auf der Seite der Speicherstadt haben wir die rote Stadt, auf der Seite der HafenCity haben wir die weiße Stadt. Das ist ganz bewusst designt. Ich glaube, dass in so einem Viertel wie dem Oberhafenquartier, wo noch eine gewisse Rauheit herrscht, man das auch merkt.

Könnte man die HafenCity als Gegenpol zum Oberhafenquartier sehen?
Micha Becker: Die HafenCity wird jetzt schon so gesehen: als eine sehr klare Vorstellung von internationaler Stadt. Der Oberhafen ist etwas ganz anderes. Worüber man nachdenken könnte, ist, ob der Oberhafen nicht ein konstruktiver Gegenentwurf zur Nachbarschaft sein kann.

Haben Sie eine Vorstellung, wie das Oberhafenquartier in zehn Jahren aussehen wird?
Micha Becker: Wir sind keine Hellseher. Ich hoffe, dass es ein Viertel ist, in das die Bürger gern gehen, um die Stadt auf eine andere Art zu erfahren.