Lehrer, Schüler und die Wirtschaft kritisieren Fächerkanon “aus dem 19. Jahrhundert“. Fach Naturwissenschaft und Technik wird aufgespalten. Informatik soll künftig nur noch ein Wahlpflichtfach sein.

Hamburg. In Hamburgs Stadtteilschulen wird Informatik als Pflichtfach abgeschafft. Die Deputation hat nun der von Schulsenator Ties Rabe (SPD) geplanten Änderung zugestimmt. Bisher war Informatik Bestandteil des Fachs Naturwissenschaft und Technik. Dieses wurde nun aufgespalten, und Informatik soll künftig nur noch Wahlpflichtfach sein. Schulbehördensprecher Peter Albrecht bestätigte am Mittwoch diese Entscheidung, die gegen den Widerstand von Lehrer- und Schülerkammer gefällt wurde. Angesichts der Bedeutung der Informationstechnologien stößt die Degradierung des Fachs Informatik auch auf Kritik der Wirtschaft.

Bei der Otto Group etwa betrachtet man die Entwicklung mit Skepsis. "Gerade im Wachstumsfeld E-Commerce fehlt in Deutschland bislang der Nachwuchs, nicht zuletzt aufgrund eines mangelnden adäquaten Lehrangebots", sagte eine Unternehmenssprecherin. "Innerhalb der Otto Group gibt es zahlreiche offene Stellen in diesem Bereich, der Kampf um die besten Köpfe wird immer härter." Auch für die Handelskammer arbeiten die Schulen bisweilen am Bedarf vorbei. "Wir treten generell für eine radikale Durchforstung der Lehrpläne mit dem Ziel ein, dass die Schüler das nötige Rüstzeug für das Arbeitsleben erhalten", sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz. "Dazu gehören unser bislang unerfüllter Wunsch nach einem Schulfach Wirtschaft sowie ausreichende Grundkenntnisse in Informatik."

Noch deutlicher wird Matthias Schrader, Vorstand des Hamburger Internetdienstleisters SinnerSchrader. "Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass wir einen Fächerkanon aus dem 19. Jahrhundert konservieren. Informatik besaß während meiner Schulzeit vor 30 Jahren einen höheren Stellenwert als heute", so Schrader. "Dabei wissen alle, dass man in der Schule früh anfangen und insbesondere Mädchen von der Informatik begeistern muss. Die Zukunft meiner Stadt hängt mehr an einer blühenden Elbinformatik als an einer Elbphilharmonie."

Mit ihrer Entscheidung gegen die Informatik haben die Mitglieder der Deputation auch die Stellungnahme der SchülerInnenkammer ignoriert, in der es heißt: "Wir empfinden dies im 21. Jahrhundert als einen nicht nachvollziehbaren Vorschlag." Moderne Kommunikationstechniken prägten nicht nur die Lebenswelt junger Menschen, sondern auch die Arbeitswelt. Die "informatische Bildung" dürfe nicht in den Wahlpflichtbereich verdrängt werden, so die Kammervorsitzende Yasemin Cec. Auch die Lehrerkammer "lehnt die Streichung des Pflichtfachs Informatik aus der Stundentafel der Stadtteilschulen entschieden ab", heißt es in einer Stellungnahme. Der Kammervorsitzende Lorenz Iversen fordert eine Stärkung der Informatik auch an den Gymnasien. Der Elternkammer-Vorsitzende Michael Hartwig (SPD) dagegen sagte, angesichts der Belastung der Schüler und der Diskussion über G8/G9 wolle man kein "zusätzliches Pflichtfach".

Ähnlich äußert sich die Schulbehörde. Informatik sei als Fach "nicht für alle in gleicher Intensität vonnöten", sagte Behördensprecher Peter Albrecht. "Etwas salopp formuliert: Alle sollten in einer mobilen Gesellschaft ein Auto fahren können. Aber nicht alle müssen auch wissen, wie es im Detail funktioniert oder gebaut wird."