Seit 20 Jahren sind sie dicke Kumpel. Das Champions-League-Finale stellt die beiden auf eine harte Probe: einer ist Bayern-Fan, einer Dortmund-Anhänger.

Hamburg. Noch sind sie schön locker, so locker, wie Fans vor einem Fußballspiel eben sein können. Daniel Da Costa, 27, und Adrian Willruth, 26, kennen sich seit ihrer Vorschulzeit. Sie sind Hamburger Jungs, in Harburg groß geworden und seit 20 Jahren dicke Kumpel. Doch weil es einen Makel in ihrer Beziehung gibt, weicht heute die Lockerheit der Anspannung. Daniel, Student der Sportjournalistik, ist seit frühester Kindheit Bayern-Fan, während Adrian, Personalberater, genauso lang Borussia Dortmund unterstützt. Am heutigen Sonnabend spielen ihre Clubs im Champions-League-Finale gegeneinander. Blöd irgendwie. Und eine Belastungsprobe für ihre Freundschaft?

Hamburger Abendblatt: Daniel, Adrian, was sagt euch der 18. März 1998?
Daniel Da Costa: Puh. Keine Ahnung.
Adrian Willruth: Ich weiß es auch nicht.

Kleiner Tipp: Stéphane Chapuisat spielte eine tragende Rolle.
Adrian: Dann hat er an dem Tag wohl ein Tor für den BVB gemacht.

Genau. Er schoss vor 15 Jahren im Viertelfinal-Rückspiel der Champions- League das entscheidende 1:0 für Dortmund. Es war das bisher letzte Aufeinandertreffen eurer Clubs in der Königsklasse. Was sagt dir der Name Chapuisat sonst noch?
Adrian: Chapuisat ist einer meiner Lieblingsspieler. Schweizer. Linksfuß. Groß.

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Wie genau wird man als Hamburger eigentlich Dortmund-Fan? Oder, noch abwegiger, Bayern-Anhänger?
Daniel: Alle in meiner Familie sind eigentlich Benfica-Lissabon-Fans. Die spielen in Rot. Und von da war es für mich nicht mehr weit zu den Bayern. Mir wurde erzählt, dass ich als Kind vor dem Fernseher angefangen habe, Bayern anzufeuern. Und seit ich dann mein erstes Bayern-Geschenk bekam, bin ich dem Verein treu geblieben.
Adrian: Bei mir war es auch die Trikot-Farbe. Als kleiner Junge, das muss so 1993 gewesen sein, habe ich Dortmund spielen sehen. Damals trug die Mannschaft noch diese neongelben Trikots. Und das hat wohl Eindruck hinterlassen. Jedenfalls habe ich meinem Vater, einem HSV-Fan, gesagt: Papa, ich bin jetzt für die Gelben.
Daniel: Trotzdem geht Bayern über alles!

Kann es sein, dass ein Fußballspiel eine Freundschaft ziemlich belastet?
Daniel: Grundsätzlich schon, bei uns aber nicht mehr. Wir haben irgendwann entschieden, dass wir uns gegenseitig mit Fußball in Ruhe lassen, besonders wenn es um Bayern gegen Dortmund geht. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, auch weil Adrian weiß, wie ich bin.

Wie ist Daniel denn?
Adrian: Na, ja, er ist noch impulsiver als ich, wenn es um Fußball geht. Da kommen dann schnell Kampfsprüche. Und gerade in den letzten beiden Jahren, als der BVB einen Tick besser war, war es schwierig. Vor allem für ihn. Wenn wir solche Spiele zusammen gucken, kann ich bei einem Dortmund-Tor nicht richtig durchdrehen, weil ich weiß: Das nimmt kein gutes Ende.
Daniel: Aber hinterher gratulieren wir schon fair, oder?
Adrian: Ja, das stimmt. Eigentlich schon.

Ist es mal eskaliert bei euch?
Daniel: Nicht wirklich, oder?
Adrian: Na, ja, als neulich der Wechsel von Mario Götze zu den Bayern bekannt wurde, war ich echt fertig. Aber Daniel feiert das natürlich. Das trifft mich dann schon.

Was nervt denn am jeweils anderen Verein am meisten?
Daniel: Mich nervt am BVB, dass er Bayern jetzt zwei Jahre lang durchgängig geschlagen hat. Generell nerven aber Vereine, die die Bayern schlagen.
Adrian: Hoeneß als Lautsprecher der Bayern geht mir tierisch auf den Senkel. Und dass sie mit Götze das BVB-Talent schlechthin weggekauft haben, nervt auch. Und dass der Ex-Borusse Matthias Sammer jetzt in München auf Hardcore-Sportchef macht, stört mich sehr.

Und wofür ringt euch der gegnerische Verein Respekt ab?
Daniel: Dafür, dass sie gute Spieler hervorgebracht haben, die Bayern jetzt abgreifen kann. Götze haben wir schon, jetzt müssen noch Lewandowski und Hummels kommen. Dann sagen wir: Danke, BVB.
Adrian: Wirtschaftlich und sportlich steht ein Verein wie Bayern Deutschland gut zu Gesicht. Und in dieser Saison spielen sie wirklich guten Fußball. Nehmen wir nur Leute wie Ribéry, wenn der ein schönes Tor macht, freue ich mich für den Fußball. Im Finale kann er darauf aber verzichten.

Wo seht ihr das Finale?
Daniel: Entweder im Hofbräuhaus mit Bayern-Fans oder beim Grillen, da ist Adrian auch eingeladen. Aber vermutlich wird's ohne Adrian, weil er mit Dortmund-Fans gucken will. Da geh ich auf keinen Fall hin.
Adrian: Ich will hinterher noch feiern gehen, egal, wie es ausgeht. Darum muss man sich überlegen, mit wem man guckt. Ich geh jedenfalls nicht ins Hofbräuhaus. Mal sehen.

Ist der Spielausgang entscheidend für die Sonnabendnachtgestaltung?
Daniel: 2010, nach der Niederlage gegen Mailand, konnte ich echt nicht mehr weggehen. Das hat zu wehgetan. Im vorigen Jahr, nach der Niederlage gegen Chelsea, sind wir beide noch losgezogen. Der BVB war ja nicht dabei.
Adrian: Das Ergebnis ist schon wichtig fürs Feiern.
Daniel: Also ich gehe jetzt nicht von einer Niederlage aus. Ich geh bestimmt feiern.

Die Sache ist schon ernst bei euch, oder?
Adrian: Wir sind beide fußballverrückt, treiben uns in vielen Fußballforen rum. Da entwickelt sich eben eine Dynamik, das Fan-Sein nimmt einen hohen Stellenwert ein. Und bei einem Finale wird es eben brisant.
Daniel: Wir kriegen den Spagat dahingehend aber ganz gut hin, denke ich.

Wie denn?
Adrian: Nach einem Dortmunder Sieg, von dem ich ausgehe, würde ich Daniel zum Beispiel nie schreiben: 'Ja, Mann, jetzt hast du's! BVB für immer!' Man weiß ja, wie der andere sich fühlt.
Daniel: Sagen wir mal so: Wir legen den Finger nicht in die Wunde des anderen. Dafür ist unsere Freundschaft zu gefestigt.

Wie viel Hamburg steckt denn in euren Lieblingsvereinen?
Adrian: Die Fans vom HSV und dem BVB sind ähnlich hingebungsvoll. Beide Vereine hatten ja auch, ich sag mal, anspruchsvolle Zeiten - aber die Fans waren immer da. Wobei sich die Klientel in den Stadien schon unterscheidet. In Hamburg ist es etwas hanseatischer.
Daniel: Die Tradition und das Streben nach Erfolg sind sicher Parallelen von HSV und Bayern. Wobei der HSV regelmäßig an seinem Anspruch scheitert. Aber sie wollen jedes Jahr angreifen.

Dann seid ihr HSV-Sympathisanten?
Daniel: Nee, wenn schon, dann eher St. Pauli.
Adrian: Geht mir genauso.

Wären Dortmund oder München Städte, in die ihr als Hamburger ihrer Vereine wegen ziehen würdet?
Adrian: Ohne meinem Verein zu nahe treten zu wollen: Aber wir waren kürzlich in Dortmund und infrastrukturell ist das jetzt nicht der Place-to-be. Klar, es gibt auch tolle Ecken, aber Hamburg als Stadt ist, abgesehen vom Wetter, kaum schlagbar.
Daniel: Ich finde München super und würde für einen Job auch hinziehen. Das erste, was ich dann machen würde, wäre, mir eine Dauerkarte für die Bayern zu besorgen.
Adrian: Natürlich bin ich auch käuflich. Wenn es in Dortmund einen exzellenten Job gibt: Hier bin ich!

Habt ihr nie mit dem Gedanken gespielt, einen Hamburger Verein zu unterstützen?
Adrian: Nein. Als Hamburger wird man wegen der relativen Erfolglosigkeit der beiden Vereine ja auch gern belächelt. Aber natürlich sind es die Vereine aus der Stadt, in der ich wohne. Darum sympathisiere ich schon.
Daniel: Außerdem muss man sagen, dass der HSV großes Prestige genießt. Der Verein und die Stadt waren immer attraktiv für große Stars wie van Nistelrooy oder van der Vaart.

Was können Hamburgs Vereine von euren Clubs lernen?
Adrian: Beim BVB kann man sich auf jeden Fall die Jugendarbeit abgucken. Die haben Top-Talente groß gemacht.
Daniel: Und bei Bayern ist die wirtschaftliche Komponente immer noch beispiellos.
Adrian: Dieses konservative Wirtschaften ist ja eigentlich eine hanseatische Tugend, die beim FC Bayern perfektioniert wurde. Insofern: Ein bisschen Demut täte dem HSV ziemlich gut.

Apropos: Wir bitten demütigst um Tipps. Warum gewinnen eure Vereine heute?
Daniel: Weil Bayern einfach eine unmenschlich gute Saison spielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir einen Leistungsabfall haben und das dritte Champions-League-Finale in vier Jahren verlieren. Ich glaube außerdem, dass Robben trifft.
Adrian: Ja, den Pfosten vielleicht. Wir werden das Bayern-Mittelfeld ausschalten, Ribéry früh umgrätschen und das Quentchen Glück haben. Ob nun der Schiri für uns pfeift oder uns das Wetter gnädig ist, ist mir am Ende egal.

Und wie geht's aus?
Daniel: Nach dem 1:0 muss Dortmund aufmachen - und wir gewinnen 2:0.
Adrian: Es wird ein richtig schön dreckiges 1:0 für uns. Lewandowski macht dem BVB sein Abschiedgeschenk.