Das Unternehmen Hermes Hansecontrol testet Textilien, Elektrogeräte und Fahrräder. Zusätzliche Mitarbeiter in Fernost und Investitionen in Barmbek sichern die Zukunft.

Hamburg. Lutz Lehmann besaß schon früh einen ausgeprägten Ehrgeiz, arbeitete hart an seinen Kindheitsträumen. So schaffte er es als junger talentierter Fußballer in den Kader der deutschen U16-Auswahl, mit der er sogar Europameister wurde. Heute leitet der Betriebswirt die Hermes Hansecontrol, ein Unternehmen, in dem die Mitarbeiter genau das machen, was viele Männer und groß gewordene Kinder am liebsten tun: an Sachen herumbasteln, Dinge ankokeln und dann fasziniert zuschauen, wie Radios Feuer fangen oder Rauch aus Wäschetrocknern aufsteigt.

Hermes Hansecontrol gehört so wie die TÜV-Betriebe zu den wichtigsten unabhängigen Testlabors. Ingenieure oder Chemiker prüfen hier eine Vielzahl von Produkten. Die Mitarbeiter stellen Kaffeemaschinen auf die Probe und schauen, wie lange diese ihren Dienst tun. Sie testen, wann ein Laptop überhitzt oder nach wie vielen Umdrehungen die Pedale vom Fahrrad bricht. "Wir stellen in der internationalisierten Welt die letzte Barriere vor dem deutschen Markt dar", sagt Lehmann über die Produkttests.

Die Waren werden dahingehend gecheckt, ob sie der europäischen Gesetzgebung entsprechen und hier in den Handel gebracht werden dürfen. Sie erhalten bei Bestehen das GS-Zeichen für geprüfte Sicherheit. Die Waren werden auf Wunsch der Kunden aber auch ähnlich untersucht wie bei der Stiftung Warentest, sodass sich die Ingenieure bei der Entwicklung darauf konzentrieren können, wie ihre Erzeugnisse ein "Gut"- oder "Sehr gut"-Siegel bekommen.

Nach einer Millioneninvestition in Hamburg - das Unternehmen hat beim Umzug von Bramfeld nach Barmbek-Süd seine Fläche auf 6000 Quadratmeter verdoppelt - wächst die Gruppe derzeit besonders stark in Asien. An zum Teil neuen Standorten in China und Indien entstehen Hunderte weitere Arbeitsplätze bei Hansecontrol. In Fernost, etwa in Hongkong, Shanghai und Bangalore, testet die Firma immer mehr Produkte, die in der Region hergestellt werden. Hansecontrol-Mitarbeiter nehmen dort Güter wie T-Shirts oder Schuhe unter die Lupe, sodass die Hersteller die Ware vor Ort nachbessern können, wenn dies für die europäischen Qualitätsstandards erforderlich ist. "Für unsere Kunden bedeutet dies eine deutliche Ersparnis an Kosten und Zeit", begründet Lehmann die Expansion in Asien. Schließlich können Marken von einem Vorsprung profitieren, wenn sie Mode- oder Trendartikel früher als Konkurrenten auf den Markt bringen. "Bisher wurden oft Muster aus Asien zu uns geschickt, dann getestet und wieder zurückgesendet", erklärt Lehmann die Prozedur, die nach dem Willen der Behörden und Verbraucherschützer vor der Einführung in den Markt steht.

Grundsätzlich testet Hansecontrol immer mehr Produkte, weil die Warenvielfalt zunimmt. Beispiel Kinderbücher: Früher gab es Pappbücher, heute sind Kunststoffe oder sogar Fell zum Anfassen verarbeitet, sodass immer mehr Schwachstellen drohen. Testeten die heute 150 Hamburger Beschäftigten bei Hansecontrol 2007 noch 20.000 Produkte im Jahr, sind es nun 30.000. Bis 2017 dürfte diese Zahl auf 50.000 Güter ansteigen, schätzt Lehmann.

Hansecontrol ist hervorgegangen aus dem Otto-Konzern. Vor 30 Jahren wurde das Institut aus der Gruppe herausgelöst. Während damals zu 80 Prozent Textilien für Otto getestet wurden, arbeitet Hansecontrol heute nur noch in Einzelfällen für den Hamburger Konzern. "Wir gehören zwar vollständig zu Otto, sind aber ein unabhängig akkreditiertes Labor", sagt Lehmann. Es soll nicht der Eindruck aufkommen, dass Hansecontrol Informationen über Produkte von Wettbewerbern weitergibt. Die Kunden von Hansecontrol sind schließlich ebenso wie Otto in allen möglichen Branchen aktiv, es sind Markenhersteller, aber auch Firmen, die No-Name-Produkte liefern. Ihre Namen darf Lehmann aber nicht nennen.

Beim Rundgang durch die Labors bestechen die Arbeitsabläufe durch deutsche Gründlichkeit. Im Spüllabor stehen verschiedene Geschirrspüler an der Wand, die sich bei ihrer Reinigungsarbeit mit einer Referenzmaschine messen müssen. Verschmutzt wird Normgeschirr mit Normdreck, etwa mit Spinat, Spaghetti bolognese oder im Ofen eingebrannten Speiseresten. Dann werden die Verschmutzungen auch noch eingetrocknet, verrät Hansecontrol-Manager Sebastian Doose. So wird das übliche Prozedere im Alltag simuliert, bei dem die Teller nicht unmittelbar nach dem Essen gespült werden.

Bei den Waschmaschinen läuft es ähnlich. Die T-Shirts sind beispielsweise mit Normschweiß verschmutzt, und die Miele-Waschmaschine, die als typisch für deutsche Familien gilt, wird mit Normwasser und Normwaschmittel versorgt. Die Tests seien so gestaltet, dass sie jederzeit nachzuvollziehen und zu wiederholen sind, begründet Doose den Aufwand. Auch von den Prüfern in China oder Indien müssen diese Abläufe schließlich kopiert werden. Dazu werden deutsches Wasser und deutsche Waschmaschinen nach Fernost geliefert, um sicherzustellen, dass in Hongkong hergestellte Blusen auch bei uns farbecht sind und nicht einlaufen.

Neuestes Wachstumsfeld für Hansecontrol sind die Elektrofahrräder. Ihr Absatz im Handel nimmt enorm zu, und sie stellen bei Baumärkten oder im Discounter die teuerste Produktgruppe dar, sodass sich Tests für 15.000 Euro pro Modell für die Kunden lohnen. Dafür prüfen die Techniker bei Hansecontrol alles, was jemals zu Bruch gehen kann. Sie hängen Gewichte an die Lenker, lassen die Reifen auf dem Prüfstand Tausende Kilometer Kopfsteinpflaster bewältigen, prüfen, ob Herzschrittmacher von der Elektronik beeinflusst werden. Lehmann und seine Mitarbeiter sind eben Tüftler aus Leidenschaft.