Ansturm auf die Beratungsstellen. Zahl der Scheidungen geht insgesamt zurück. Es sind vor allem die Frauen, die handeln: Sie stellten in den vergangenen Jahren mehr als die Hälfte der Scheidungsanträge.

Hamburg. Die Ehen in Hamburg sind offensichtlich stabiler als anderswo in Deutschland. Seit Jahren schon geht die Zahl der Scheidungen in der Hansestadt zurück. Wie aus aktuellen Daten des Statistischen Landesamtes Nord hervorgeht, haben sich im vergangenen Jahr 3446 Ehepaare endgültig getrennt - 189 weniger als 2011. Nur im Saarland und in Thüringen war die Scheidungsrate je 10.000 Einwohner niedriger. 2008 waren in Hamburg noch 4479 Paare vor den Scheidungsrichter getreten.

Nicht selten ist es das berüchtigte siebte Jahr, in dem Ehen scheitern: 210 Hamburger Paare, die 2005 geheiratet hatten, ließen sich im vergangenen Jahr scheiden. Das entspricht sechs Prozent aller Fälle. Weitaus häufiger kam die Trennung aber erst nach der Silberhochzeit: 403 oder zwölf Prozent aller Ehepaare, die sich 2012 trennten, waren wenigstens 25 Jahre verheiratet.

Es sind vor allem die Frauen, die handeln: Sie stellten in den vergangenen Jahren mehr als die Hälfte der Scheidungsanträge. Immer häufiger sind auch minderjährige Kinder von der Trennung ihrer Eltern betroffen - allein im vergangenen Jahr war dies bei 1566 Scheidungen der Fall. Fest steht aber auch: Im Fall einer Krise suchen Paare vermehrt Beratungsstellen auf, um vor einer Scheidung - oder auch danach - professionelle Unterstützung zu bekommen.

"Wir haben viele Anfragen nach Paarberatung und können denen leider nicht gerecht werden", sagt Kerstin Falk, Landesgeschäftsführerin bei Pro Familia. Die Nachfrage sei höher als das mögliche Angebot. In der Regel seien die Termine auf vier Wochen ausgebucht. Auch der Allgemeine Soziale Dienst mit seinen drei Dienststellen in Eimsbüttel hat allein 2011 dort 982 Beratungen durchgeführt. Ähnlich hoch ist die Nachfrage beim Diakonischen Werk. "Die Zahl der Beratungen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen", sagt Pastor und Familientherapeut Andreas Hänßgen, Leiter des Fachbereichs Beratung und Seelsorge.

Die Gründe für Trennung sind nach seinen Erfahrungen häufig die Geburt von Kindern, der Seitensprung eines Partners oder das Gefühl, man habe sich auseinandergelebt. Hänßgen und seine Kollegen hatten im vergangenen Jahr 850 Beratungsfälle. Mit mehr als 70 Prozent war dabei der Anteil von Ehepaaren mit Kindern außerordentlich hoch. Hänßgen: "Das Risiko einer Trennung steigt nach dem ersten und zweiten Kind."

Der Familientherapeut erklärt das mit der neuen Lebenssituation: "Kommen Kinder dazu - der Gast, der niemals geht -, stellt sich die Versorgungsfrage neu: Die Energie richtet sich auf das Kind, und für eine geraume Zeit treten die eigenen Versorgungs- und Lustwünsche der Eltern zurück." Damit kämen Menschen nicht immer zurecht: Sie empfinden sich als vom Partner oder von der Partnerin zurückgesetzt oder wollen nicht zusätzlich zum Kind auch den Partner mit versorgen.

Rat suchen aber auch viele Paare, die trotz einer Scheidung gute Eltern bleiben wollen. Manche von ihnen kommen aus eigenem Antrieb, um eine Scheidung noch abwenden zu können. Andere können sich über das Sorgerecht nicht einigen - oder wurden vom Gericht zur Beratungsstelle geschickt.