Grüne und Linke wollen dem umstrittenen Reichspräsidenten die Ehrenbürgerwürde aberkennen. SPD ist dagegen und sorgt mit einer irritierenden Formulierung für Unruhe.

Altstadt. Ein wirklicher Demokrat war er nie, obwohl er der letzte Reichspräsident des ersten demokratischen Staates auf deutschem Boden war: Paul von Hindenburg (1847-1934). Schlimmer noch: Hindenburg, der Generalfeldmarschall des Ersten Weltkrieges, brachte Adolf Hitler und die NSDAP im Januar 1933 an die Macht. Es ist ein schwieriges, ein fremd gewordenes Erbe für die Stadt, dass Paul von Hindenburg seit 1917 Ehrenbürger wegen seiner militärischen Erfolge ist.

Wie problematisch der Umgang mit der deutschen Geschichte auch heute noch ist, zeigte die Debatte in der Bürgerschaft, in der es eigentlich um die Frage gehen sollte, ob Hindenburg die Ehrenbürgerwürde heute - 80 Jahre nach der NS-Machtübernahme - aberkannt werden müsse. Dies forderten die Grünen in einem Antrag.

Von einer über weite Strecken ernsten und sachlichen Diskussion blieb am Ende ein Satz haften. "Wer heute den Namen Hindenburgs aus der Ehrenbürgerliste tilgen will, trägt dazu bei, das Ausmaß der NS-Verbrechen zu relativieren", sagte die SPD-Abgeordnete Loretana de Libero und wollte damit das Nein der SPD zum Vorschlag der Grünen begründen.

Der Satz der Historikerin de Libero sorgte erst für Unruhe, dann für Empörung bei den Grünen. "Dieser Vorwurf an die Adresse meiner Fraktion ist unangemessen. Das war oberlehrerhaft, herablassend und diffamierend", sagte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. "Der Vorwurf, NS-Verbrechen zu relativieren, ist ausgesprochen problematisch", sagte auch Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn. Hindenburg müsse die Ehrenbürgerwürde aberkannt werden, schließlich habe er die NS-Verbrechen maßgeblich mit ermöglicht.

Plötzlich war die Einigkeit der Demokraten bedroht. Denn SPD und FDP sind zwar gegen die Streichung des Namens Hindenburg, aber mit Grünen und Linken in einem gemeinsamen Antrag der Auffassung, dass der historische Kontext der Ehrenbürger auf der Hamburg-Homepage ausführlicher dargestellt werden muss. Nach einer von den Linken beantragten Auszeit entschuldigte sich Dressel im Namen der SPD-Fraktion für die Irritationen: "Es war nicht unsere Absicht, denjenigen, die Hindenburg die Ehrenbürgerwürde aberkennen wollen, zu unterstellen, sie würden die Massenmorde und Verbrechen der Nazizeit relativieren." Als Kompromissangebot sollten die beiden Anträge noch nicht beschlossen, sondern nur zur weiteren Beratung in den Kulturausschuss überwiesen werden.

Während Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan die Klarstellung begrüßte, riet CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich zu einem anderen Verfahren. Angesichts der ungewöhnlichen Tatsache, dass eine Antragsgemeinschaft "in der Debatte zerbricht", sollten SPD, Grüne, FDP und Linke sich lieber noch einmal beraten. Auch FDP-Fraktionschefin Katja Suding zeigte sich irritiert und deutete eine Ablehnung der Anträge an - die Folge war eine zweite Auszeit. Danach war man sich doch einig: Beide Anträge werden im Kulturausschuss debattiert - so wurde es fast einstimmig beschlossen.

Dort können die Abgeordneten die Argumente noch einmal ausführlich würdigen. "Nicht tilgen, dafür stärker historisch einordnen", lautet die Position der SPD. Hitler und Göring sollten die Einzigen bleiben, denen die Ehrenbürgerwürde aberkannt wurde, um die Einzigartigkeit der NS-Verbrechen zu betonen. "Hindenburg war der Totengräber der Weimarer Republik und der Steigbügelhalter Hitlers", entgegnete die Grünen-Abgeordnete Katharina Fegebank. "Erinnern und ehren sind zwei verschiedene Dinge. Hindenburg verdient es nicht, die Ehrenbürgerwürde zu tragen."