Strukturelle Verschiebungen zulasten Hamburgs. Gesamtmenge der Seegüter in Hamburg stagniert, doch die Containerverladung schrumpft. Scharfe Kritik an Umweltverband.

Hamburg. Am Anfang klang sie noch positiv. Als Claudia Roller, Vorstandsvorsitzende vom Hafen Hamburg Marketing, am Mittwoch im Hafen-Klub das Wort ergriff, um die neuen Quartalszahlen des Seegüterumschlags vorzustellen, sprach sie von einer "hervorragenden" Entwicklung im Massengutumschlag, von den "sehr positiven" Zahlen bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und von der "vorsichtig optimistischen" Grundstimmung, mit der der Hafen in die Zukunft blickt. Doch je länger Roller redete, umso deutlicher trat zutage, dass längst nicht alles gut ist im Hafen.

So zeigen die Zahlen auf den zweiten Blick, dass es massive strukturelle Verschiebungen zulasten Hamburgs und zugunsten des Wettbewerbshafens in Rotterdam gibt. Der gesamte Hafenumschlag hat zwar von Januar bis März mit einem Plus von 0,6 Prozent minimal zugelegt, in seinem Hauptbetätigungsfeld, dem Containerumschlag, verzeichnete Hamburg aber einen Rückgang von 1,6 Prozent. Da die HHLA am Vortag einen Containerzuwachs um fünf Prozent vermelden konnte, bedeutet dieses, dass der zweite große Hafenumschlagbetrieb in Hamburg, Eurogate, im ersten Quartal 2013 weiter massiv Ladung verloren hat - Experten vermuten in deutlich zweistelligem Umfang. Roller wollte sich nicht konkret äußern, sie sagte lediglich: "Wir verzeichnen eine sehr ungleiche Entwicklung der beiden großen Umschlagunternehmen. Das ist beunruhigend."

Beunruhigend ist es vor allem, weil Rotterdam im gleichen Zeitraum seinen Containerumschlag um 4,2 Prozent ausweiten konnte. Noch deutlicher zeigte sich die strukturelle Verschiebung beim Anteil der Leercontainer. Noch vor wenigen Jahren war jeder vierte Container, der im Hamburger Hafen verschoben wurde, leer. Heute liegt dieser Anteil noch bei zwölf Prozent. Stattdessen hat sich die holländische Konkurrenz an der Rheinmündung dieses Geschäftsfeld gesichert. Von Rotterdam aus werden die leeren Container über die Rheinschiene in den Westen und Südwesten Deutschlands gebracht, wo die Exportbetriebe sie füllen. Zwar sind Leercontainer wirtschaftlich nicht so interessant wie volle. Doch setzen sich ihre Transportwege für alle durch, verliert Hamburg weitere Ladung an Rotterdam.

Und noch etwas stimmt bedenklich: Während die Zahl der Großschiffe, die den Hamburger Hafen ansteuern, seit geraumer Zeit kontinuierlich wächst, ist sie im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gleich geblieben. Das bedeutet Stagnation im Hamburger Hafen. Roller kündigte darum an, ihr Hamburg-Marketing intensivieren zu wollen. "Wir werden vor allem im Westen und Südwesten mit einer Reihe von Veranstaltungen für die Vorzüge des Hamburger Hafens werben", sagte sie.

Die Ankündigung der Marketingchefin dürfte wiederum bei Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch für Skepsis sorgen. Der parteilose Politiker bemüht sich derzeit darum, zusammen mit seinen Ministerkollegen in Bremen und Niedersachsen eine gemeinsame Vermarktung unter dem Begriff "German Ports" auf die Beine zu stellen. Roller empörte sich über den Vorstoß Bremens, das seit Jahresanfang unter diesem Titel bereits ein Magazin herausgibt. "Wir sind nicht eingebunden worden." Im Übrigen sei sie nicht dem Wirtschaftssenator verpflichtet, sondern den 290 Unternehmen, die dem Verein Hamburg Hafen Marketing angehören, sagte Roller.

Heftig kritisierte die Marketingchefin den Plan der Umweltschutzorganisation WWF, wonach die großen deutschen Seehäfen miteinander kooperieren sollen, um eine weitere Vertiefung von Elbe und Weser überflüssig zu machen. Ohne eine Elbvertiefung wären nicht nur die Anläufe von Großcontainerschiffen mit mehr als 10.000 Standardcontainern (TEU) an Bord nach Hamburg gefährdet. "Es geht doch gar nicht um die großen, die erst noch gebaut werden. Wir brauchen die Anpassung der Fahrrinne für die Schiffe, die bereits jetzt nach Hamburg kommen, damit diese endlich richtig gefüllt werden können", sagte Roller. Der Vorschlag, die großen Schiffe sollten stattdessen besser nach Wilhelmshaven fahren, sei "unsäglich" und von Unkenntnis geprägt: "Wilhelmshaven schafft in seiner derzeitigen Ausbaustufe drei Anläufe pro Woche, dann ist das Terminal voll." Die Hinterlandanbindung sei "ärmlich". Der Bund und Hamburg hätten hingegen seit Jahrzehnten Milliarden in die Verkehrsanbindungen ins Hinterland gesteckt. "Wollen wir das verrosten lassen?"

Schließlich sei ein Viertel der Hamburger Umschlagmenge Lokalgut, dessen Zieladresse also in der Region liege. "Das ist nicht verrückbar", sagte Roller. Sie forderte ein Engagement der Europäischen Union zur Finanzierung des benötigten Ausbaus des Nord-Ostsee-Kanals. "Ich höre nur von Bundesmitteln. Der Kanal ist eine internationale Wasserstraße."