Nach der Kundgebung zum 1. Mai gibt es auf dem Fischmarkt den Versuch einer Annäherung zwischen Gewerkschaft und Kirche

Altona. Kaum hat Hamburgs DGB-Chef Uwe Grund (SPD) die Maikundgebung auf dem Fischmarkt für beendet erklärt, radelt ein bärtiger Mann über das Holperpflaster. "Jesus lebt!" steht auf großen Lettern über der Lenkstange. Auf dem Fahrrad kleben fromme Sprüche. Neben ihn hat sich eine Gruppe von Religionsgegnern postiert. Sie tragen ein Spruchband mit dem Spruch "Es rettet uns kein höheres Wesen". Andere Besucher tragen rote Nelken am Revers und verteilen Flugblätter gegen Landraub und Krieg.

Vor dieser Kulisse tritt erneut Uwe Grund auf die Bühne am Fischmarkt und kündigt jetzt eine Brückenveranstaltung zum Kirchentag an. Ein Dialog zwischen Kirchenvertretern und Gewerkschaften solle zum Thema Gerechtig keit stattfinden. Doch was herauskommt, sind ein paar Statements von Politikern, Gewerkschaftern und Kirchenvertretern. Kontrovers diskutiert wird nicht bei diesem Versuch einer öffentlichen Annäherung.

"Begrüßen Sie mit mir unsere Bischöfin", ruft DGB-Chef Grund dem Publikum zu, während der Mann mit dem Fahrrad "Jesus lebt!" skandiert. Männer und Frauen, sagt Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, müssten "auskömmliche Einkommen" haben, um ihre Familien zu ernähren. Auch kirchliche und diakonische Einrichtungen sollten sich an gerechten Löhnen messen lassen. Über ein geregeltes Verfahren zur Lohnfindung müsse gerungen werden - sei es auf dem sogenannten zweiten oder dritten Weg. Darüber hinaus fordert die Bischöfin einen Mindestlohn in der Pflege. "Wir brauchen dringend eine Schranke gegen Lohndumping."

"Kein Gott, kein Staat, kein Kirchenstaat", rufen derweil drei junge Frauen lautstark auf dem Fischmarkt, als Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) das Wort ergreift. Ziel der Senatspolitik sei es vor allem, dass junge Leute "gut aufwachsen können", sagt Scholz, der sich von den Zwischenrufen nicht stören lässt. Deshalb investiere der Senat mehr Geld in Kitas und in die Universitäten. Kurz darauf wird der Mindestlohn von 8,50 Euro noch einmal zum Thema.

Professor Gerhard Robbers, der Kirchentagspräsident, sagt als Bühnengast: "Dieser Mindestlohn ist ein Anfang, aber er garantiert noch längst kein menschenwürdiges Leben." Bürgermeister Scholz stimmt prompt zu. "Der Mindestlohn ist ein Schutz vor dem freien Fall nach unten." Zu einer gerechten Gesellschaft gehörten fair ausgehandelte Löhne, und zwar mit Gewerkschaften beziehungsweise Betriebsräten.

Kurz vor dem Ende der gewerkschaftlichen Brückenveranstaltung tritt Minister a. D. Heiner Geißler (CDU) auf die Bühne und sagt: "Das Evangelium hat an alle Christen die Forderung, denen zu helfen, die in Not sind." Es habe keinen Sinn, so der frühere CDU-Generalsekretär, sonntags in die Kirche zu gehen und sich wochentags "die Mäuler über Hartz-IV-Empfänger und Asylbewerber " zu zerreißen. Da brandet im Publikum Beifall auf. Endlich fühlen sich die Zuhörer einmal verstanden.