Am Mittwoch beginnt das Glaubensfest der Superlative mit mehr als 100.000 Besuchern und 2500 Veranstaltungen in der ganzen Stadt. Das Motto des Christentreffens lautet “Soviel du brauchst“.

Hamburg . Das ist mal ein echter Hingucker: Ganz in Blau wirbt im Hafen ein Riesenbanner an Dock 11 für den Kirchentag. Und auch sonst kündigt sich das große Christentreffen inzwischen an vielen Orten der Stadt an. Am Michel prangt ein Transparent mit dem biblischen Motto "Soviel du brauchst". Am Strandkai, auf der Reeperbahn, am Fischmarkt und auf dem Rathausmarkt werden die Bühnen für die Eröffnungsgottesdienste am Mittwochnachmittag aufgebaut. In der gesamten Innenstadt, zwischen Binnenalster und HafenCity, laufen die Vorbereitungen für den Abend der Begegnung, ein Auftakt-Straßenfest mit 300.000 Besuchern.

Jetzt wird nicht mehr in Tagen runtergezählt, der Countdown läuft in Stunden. "Die Stimmung in der Stadt ist ausgesprochen positiv und offen", sagt Kirsten Fehrs, als Hamburger Bischöfin der Nordkirche quasi die Gastgeberin des Großereignisses. Mehr als 110.000 Dauergäste aus der ganzen Republik haben sich angemeldet, auch viele junge Leute. Dazu kommen 40.000 Tagesbesucher. 5500 ehrenamtliche Helfer unterstützen den 34. Deutschen Evangelischen Kirchentag, so viele wie noch nie. Fünf Tage lang werden alle zusammen beten, feiern und diskutieren. 2500 Veranstaltungen an 400 Orten sind geplant, ganz vorbildlich klimaneutral und mit öko-fairer Verpflegung. Die Erwartungen an das protestantische Laientreffen in für die Kirche schwierigen Zeiten sind groß. "Auf dem Kirchentag können sich kluge, theologisch und politisch leidenschaftliche Menschen austauschen", sagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider. "Dabei entstehen wichtige Impulse für die ganze Gesellschaft.

Auf der Agenda stehen brandaktuelle Themen: Gerechtigkeit, Grenzen des Wachstums und der interreligiöse Dialog. Traditionell, und besonders auch im Jahr der Bundestagswahl, wollen zahlreiche Politiker mitmischen. Bundespräsident Joachim Gauck, selbst viele Jahre evangelischer Pastor, und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), eine Pfarrerstochter, sind da, genau wie Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), eine SPD-Troika aus dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, die Führungsfrauen der Grünen.

Nicht nur wegen der Prominenz aus Politik und Kultur werden die Bilder aus Hamburg ausstrahlen ins ganze Land. Der Kirchentag, das sind Gottesdienste, gemeinsames Singen, aber auch Partys, Popkonzerte oder ein Meer von Tausenden Kerzen, etwa beim Abendsegen am Eröffnungstag. "Das passt", sagt Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). "Hamburg hat eine besondere Verbindung zur evangelischen Kirche." Die Entscheidung, sich der Reformation anzuschließen, sei in der Hansestadt ganz bewusst getroffen worden. Die Bürger haben das dem Senat abverhandelt - es war keine Entscheidung von oben nach unten. Luthers Weggefährte Johannes Bugenhagen war hier tätig. Und wenn man sich umsieht, sind die fünf Hauptkirchen aus dem Stadtbild Hamburgs nicht wegzudenken", so der Politiker. "Ja, es ist schon etwas Besonderes, wenn jetzt hier zum vierten Mal ein Kirchentag stattfindet."

Immerhin 68 Prozent der Hamburger ist der Deutsche Evangelische Kirchentag denn auch als Veranstaltung bekannt. Das ergab eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Harris interactive im Auftrag des Hamburger Abendblatts. Knapp die Hälfte der Befragten konnte korrekt Anfang Mai als Veranstaltungszeitraum angeben. 27 Prozent der Hanseaten ist der Kirchentag allerdings unbekannt. Fünf Prozent der befragten Hamburger haben nach eigenen Angaben schon mal an einem Kirchentag teilgenommen.

"Der bevorstehende Kirchentag bedeutet viel für die Gäste und Bürger der Stadt, weil er ihnen guttut, sie inspiriert und motiviert", sagt Michael Behrendt, Vorstandsvorsitzender der Hapag-Lloyd-Stiftung, die die Abendblatt-Umfrage gemeinsam mit der Drogeriekette Budnikowsky unterstützt hat. "Wir in Hamburg mögen weniger in die Kirche gehen als andere und nicht so häufig beten, aber wir fühlen uns doch stark einem auf Humanismus und sozialer Verantwortung basierenden Wertesystem zugehörig", sagt der evangelische Christ und Vorstandsvorsitzende.

Dass die Hamburger gute Christen - und vor allem auch gute Gastgeber - sind, zeigt sich auch noch in einer anderen Zahl. Insgesamt 11.500 Betten stellen sie in Privatunterkünften für Kirchentagsgäste kostenlos zur Verfügung. 60.000 vor allem junge Besucher übernachten in 180 Schulen. Dass das Glaubensfest 2013 schon am 1. Mai beginnt, ist übrigens dem vollen Kalender der Stadt geschuldet. Am traditionell dafür reservierten Himmelfahrtswochenende feiert Hamburg den Hafengeburtstag. Die Terminverschiebung soll nun neue Früchte tragen. So könne der Kirchentag, der sich auch als evangelische Zeitansage versteht, beitragen, "neue Brücken zu schlagen", sagt Kirchentagspräsident Gerhard Robbers. Erstmals gibt es am Maifeiertag eine gemeinsame Veranstaltung von Kirche und Gewerkschaften.