Der tragische Unfall des 13-jährigen Ruderers Lorenz bewegt viele Hamburger. Bisher wurde der Junge aus Blankenese noch nicht gefunden. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Rotherbaum. Auch fünf Tage nach dem mutmaßlich tödlichen Ruderunfall bewegt das Schicksal des 13 Jahre alten Lorenz die Stadt. Bisher wurde der Junge aus Blankenese noch nicht gefunden, die konkreten Suchaktionen wurden am Montagabend zunächst eingestellt. Und noch sind auch viele Fragen offen, die für die Beurteilung des tragischen Unfalls wichtig sind.

Was geschah direkt, nachdem Lorenz gegen die Markierungs-Tonne gefahren war?
Das Boot des 13-Jährigen, ein Trimmi, kenterte. Der Junge stürzte in das Wasser und hielt sich zunächst am Boot fest. Ein etwa gleichaltriger Trainingskollege, der in Sichtweite war, ruderte zum Vereinsheim, um Hilfe zu holen.

Wie weit entfernt waren die Trainer?
Das ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Es sollen zwei Trainer dort gewesen sein. Beide sind aber nach bisherigem Erkenntnisstand der Polizei nicht in Sichtweite des Unglücks gewesen.

Wie viele Menschen standen am Ufer - hätten sie eingreifen können? Wie weit war der Junge vom Ufer entfernt?
Das ist bislang unklar. Es hat Anrufe bei der Polizei von Spaziergängern gegeben, die das Unglück gesehen haben. Darunter sind auch Aussagen, dass der Junge Richtung Ufer geschwommen sein soll. Die Wahrnehmungen der einzelnen Zeugen sind unterschiedlich. Es gibt Aussagen, nachdem Lorenz nach wenigen Sekunden unterging. Laut anderen Zeugen waren es Minuten. Zudem sind noch nicht alle möglichen Zeugen befragt. Die Polizei hat daher noch kein abschließendes Bild über den genauen Hergang des Unglücks, das sich 80 Meter vom Ufer entfernt ereignete.

Ermittelt die Polizei in irgendeine Richtung, etwa wegen unterlassener Hilfeleistung?
Das wird in solchen Fällen immer gemacht, vor allem, wenn klar ist, dass sich mehrere Personen in der Umgebung befunden haben. Es gibt aber keinen direkten Tatverdacht und auch keine Person, gegen die gezielt ermittelt wird.

Warum wird die Suche jetzt abgebrochen? Welche Mittel kamen bisher zum Einsatz?
Der Sucheinsatz nach dem 13 Jahre alten Jungen gehört zu den größten Aktionen dieser Art auf der Alster. Gleich am Freitag hatte die Polizei unter anderem einen Hubschrauber eingesetzt, der über eine Wärmebildkamera verfügt. Man hatte gehofft, so den Körper orten zu können. Später wurden Sonar und Taucher, bis zu 14 gleichzeitig, eingesetzt. Rettungshundestaffeln aus ganz Norddeutschland kamen nach Hamburg, um mit ihren speziell ausgebildeten Tieren bei der Suche nach dem Jungen zu helfen. Die Hunde sind in der Lage, den Geruch eines Körpers wahrzunehmen, der in mehreren Metern Wassertiefe liegt. Ganz am Ende setzte die Polizei sogenannte "Leichenangeln" ein. Es handelt sich um eine Stange mit Haken, die wie ein Schleppnetz über den Boden gezogen wird.

Wie kalt war das Alsterwasser? Wie lange kann man bei dieser Temperatur im Wasser überleben? Gab es zu dem Zeitpunkt tückische Alsterwinde?
Die Alster hat aktuell eine Wassertemperatur von 11 Grad. Als "kalt" gilt Wasser bei Tauchmedizinern bereits ab unter 15 Grad. Ein Kälteschock kann innerhalb von drei bis fünf Minuten nach dem Eintauchen zum Tod führen; nicht nur bei Älteren, sondern auch bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Es kommt dann zu einem massiven Atemzug, der bis zu drei Litern Volumen umfassen kann und rasch in eine unkontrollierte Hyperventilation übergeht. Dann wird bis zu viermal schneller geatmet als im Ruhezustand, was zu Schwindel, Verwirrtheitszuständen und Panik mit dem Gefühl von Luftnot führen kann. Die Fähigkeit zum Luftanhalten sinkt auf etwa zehn Sekunden, und das Risiko, Wasser einzuatmen, steigt rapide. Witterungseinflüsse wie eine plötzliche Windböe haben bei dem Unglück vermutlich keine Rolle gespielt.

Wie gefährlich ist das Revier Alster insgesamt?
Durch den regen Bootsverkehr kommt es regelmäßig zu gefährlichen Situationen, wenn besonders die Segler nicht umsichtig unterwegs sind. Für die Segler sind die Fallwinde eine Herausforderung, die besonders durch die unregelmäßige Uferbebauung innerhalb kurzer Strecke häufig wechseln kann. Auch können wechselnde Wetterlagen hier oft erst spät erkannt werden.

Wie viele Unfälle pro Jahr gibt es auf der Alster?
Die Feuerwehr hatte 2011 drei Einsätze, bei denen Menschen tatsächlich in Lebensgefahr waren. Am 26. Mai 2011 riss eine Windböe fünf Segelboote um. Ein 70-Jähriger erlitt einen Herzinfarkt und starb. Am 14. Juni retteten Feuerwehrleute zwei Segler, die mit einer Jolle Höhe Schöne Aussicht gekentert waren. Am 17. Juli wurde ein Mann Höhe Lombardsbrücke tot aus der Alster gezogen. Er war zuvor im angetrunkenen Zustand ins Wasser gesprungen und untergegangen.

2012 gab es keinen solchen Einsatz. Der tragische Unglücksfall am Freitag ist der erste Feuerwehreinsatz dieser Art in diesem Jahr.

Wie tief und wie trüb ist die Alster, welche Strömungen gibt es?
Die Alster ist durchschnittlich zwei Meter tief, im Uferbereich ein Meter. Die Fahrrinne der Alsterdampfer ist etwa zwei Meter tief. Die Alster ist kein Strömungsgewässer. Nur wenn die Rathausschleuse arbeitet, entsteht so etwas wie Strömung oder Sog.

Die Alster ist wegen des sandig-moorigen Bodens von sich aus ausgesprochen trüb und deshalb kein Badegewässer. Für so ein Gewässer ist eine Sichttiefe von einem Meter vorgeschrieben. Diesen Wert erreicht die Außenalster zu 90 Prozent nicht.

Wie reagieren jetzt die Ruderklubs?
Schwimmwesten für bis zu 12-Jährige sind ohnehin Pflicht. Beim Ruderklub Allemannia von 1866 beispielsweise prüft man jetzt, ob man auch spezielle Rettungswesten für ältere Ruderer anschafft.

Welche konkreten Anweisungen gibt es jetzt für den Schulsport? Wie reagieren die Schulen?
Laut Schulbehörde gilt die Ordnung für das Rudern an Hamburger Schulen weiterhin. Rudern ist fester Bestandteil des Schulsports und im Rahmenplan entsprechend verankert. Sicherheitsvorkehrungen wie Sport nur in kleinen Gruppen tragen dazu bei, Unfälle zu vermeiden.

Die Ruderordnung sieht unter anderem folgende Regelung vor: "Das Skiffrudern außerhalb der Rudersaison und vor dem 1. Mai eines Jahres ist nur mit einem Begleitfahrzeug (Motorboot oder Mannschaftsgig) erlaubt. Bei einer Wassertemperatur von weniger als 10 Grad müssen in Skiffs oder schmalen Zweiern generell Schwimmwesten getragen werden. Das Rudern in Trimmis und anderen, als weniger lagestabil gekennzeichneten Booten ist für unerfahrene Ruderer, wie beispielsweise Anfänger, vor dem 1. Mai verboten."