Sie kurven durch die HafenCity, Touristen schauen nicht mehr auf die Elbphilharmonie, sondern auf die coolen Cabrioflitzer. Rasante Miniautos aus Norderstedt sind auf Hamburgs Straßen eine neue Attraktion.

Maik Wenckstern und Franz Wesser sehen in ihren motorisierten Miniwagen aus wie Rennfahrer in Spielzeugautos. Sie kurven durch die HafenCity, Touristen schauen nicht mehr auf die Elbphilharmonie, sondern auf die niedlich-coolen Cabrioflitzer, Fußgänger machen Fotos, die Fahrer "echter" Autos winken: die beiden Hamburger sind in ihren röhrenden Winzlingen ein echter Hingucker.

Maik Wenckstern baut die nach ihm benannten Wencksterne in einer Manufaktur in Norderstedt, Franz Wesser kommt aus der Eventbranche und hatte die Idee, mit den Seifenkisten Stadtrundfahrten anzubieten. "Ich fahre den Wenckstern privat und werde von manchen Leuten bis zu meiner Garage verfolgt", sagt der Unternehmer lachend. Der 37-Jährige will das Interesse nutzen und das Minimobil jetzt bei Stadtrundfahrten anbieten. "Die Fahrzeuge haben Straßenzulassung, und man braucht nur den normalen Pkw-Führerschein", sagt der Autonarr über den Mini Hot Rod, wobei Hot Rod für umgebaute Auto-Klassiker steht.

Ab dem 1. Mai werden die Wencksterne an einer Vermietstation in der Hafenstraße 89 oberhalb des Beachclubs StrandPauli auf die Kunden warten. 78 Euro kostet die zweistündige Tour, Einweisung und Helme gibt es gratis dazu. Aus Sicherheitsgründen fahren an der Spitze und am Ende der Flotte die Mitarbeiter der Hot Rod Citytour, die Fahrer sind per Headset im Helm miteinander verbunden und bekommen über den Lautsprecher Infos zu Sehenswürdigkeiten am Wegesrand.

Bei der Recherche für diesen Artikel lässt sich auch das Abendblatt einen Test des Hot Rods nicht entgehen. Helm aufgesetzt, in das Cockpit gestiegen, Zündschlüssel gedreht, los geht's. Das Gefühl bei der Tour durch den Hafen erinnert an ein Gokart. Man sitzt praktisch direkt auf der Straße, spürt jedes der zahlreichen Hamburger Schlaglöcher, genießt dadurch aber auch den Kitzel der flotten Fahrt, die der leicht röhrende Viertaktmotor mit seinen 13 PS in dem superleichten Gefährt ohne Mühe aufnimmt. Maximal schafft er 88 Kilometer die Stunde, bei 50 bis 60 km/h stellt sich aber schon ein leichter Geschwindigkeitsrausch ein, die direkte Lenkung natürlich ohne Servo-Hilfe lässt Erinnerungen an das gute alte Kettcar aufkommen. Beim Beschleunigen an der Ampel kann es der Kleine durchaus mit den "erwachsenen" Wagen nebenan aufnehmen, es lässt sich nachvollziehen, dass die Hot-Rod-Szene ihre Mobile auch für Rennen konstruiert. Am Ende der Tour verlangt die Trommelbremse etwas Kraft im Fuß, um an den Landungsbrücken zum Stillstand zu kommen - und mit großem Bedauern aussteigen zu müssen.

"Ich wollte einfach etwas bauen, was es noch nicht gibt", sagt Maik Wenckstern, der sich nach Stationen als gelernter Florist, selbstständiger Finanzwirt und Motorradbastler nun auch beruflich ganz auf seine Wenckstern-Manufaktur konzentriert. "Es hat zwar einige Monate gedauert, bis wir vom TÜV die Zulassung bekommen haben", sagt der 51-Jährige lachend, aber er habe so lange nachgebessert bis alles perfekt war für die Prüfer. Inzwischen beschäftigt die Wenckstern + Rüchel OHG 14 Mitarbeiter in der Fertigung. 120 bis 150 Exemplare will der Gründer 2013 verkaufen, nicht mehr, denn die Autos sollen etwas Besonderes bleiben. Für Preise ab 12.900 Euro kann bisher aber noch jeder Interessierte ein Rod Hot "made in Norderstedt" erwerben, und das Fahrzeug dann nach eigenen Wünschen ausstatten. Wessers privat genutztes Exemplar glänzt in dem dunklen Grün alter britischer Sportwagen, ist komplett mit braunem Leder ausgestattet, hat hinten einen Kofferhalter und schaut vorne mit einem Bentley-Kühlergrill auf die Straße. "Ich bin im vergangenen Jahr 3000 Kilometer gefahren", sagt Wesser begeistert und freut sich dabei auch über den überschaubaren Verbrauch von 2,5 Litern Superbenzin auf 100 Kilometern. Während des Abendblatt-Interviews schaut einer der ersten Kunden vorbei: Jan Uleman vom Schiffsmakler OTC, in feinem Zwirn, steuert sein Wägelchen und verrät, er sei gerade auf dem Weg zum Businesslunch mit Reedern in Blankenese. "Eine schöne Werbung für unser Unternehmen", sagt er, klopft auf die matt-graue Verkleidung und bespricht letzte Details für den Logo-Aufdruck auf dem Rod Hot mit Maik Wenckstern.

"Künftig wollen wir die Wagen auch für Firmenveranstaltungen anbieten", sagt Wesser, der mit der Handelskette Euronics schon einen ersten Event-Kunden gewonnen hat. Als Einsatzort denkt Wesser an Messen, Präsentationen oder Incentive-Ausflüge.

Aber auch die City-Touren sollen über Hamburgs Grenzen hinaus angeboten werden. Im Mai geht in Berlin eine Verleihstation als Kooperation mit Wenckstern an den Start, später sollen Standorte in Dresden, Wiesbaden, Frankfurt und Singen am Bodensee folgen. "Für dieses Jahr planen wir einen Umsatz von 500.000 Euro", sagt Wesser, der bei dieser Business-Planung eine 50-prozentige Auslastung über sieben Monate mit schönem Wetter voraussetzt.

Während Marketingmann Wesser die Einsatzmöglichkeiten des Hot Rod auslotet, plant Maik Wenckstern als leidenschaftlicher Bastler schon ein zweites Modell: Bis Ende des Jahres will er den Wagen mit Elektromotor auf den Markt bringen. Der Preis für den neuen Wenckstern steht noch nicht fest. Für Wesser birgt das batteriebetriebene und damit leise und umweltverträgliche Mobil weitere Expansionschancen. "Mit dem Elektro-Wenckstern denken wir auch an Stationen in Urlaubsorten wie Sylt oder Timmendorfer Strand".

Apropos Timmendorfer Strand: In den Ferienort an der Ostsee hat Wesser seine bislang längste Tour mit dem Wenckstern unternommen. Das soll aber noch nicht die umfangreichste Strecke für die Seifenkiste sein: "Wenn ich wieder mehr Zeit habe, gehe ich mit dem Hot Rod auf eine Deutschlandreise."