Mehr als 20.000 Marathon-Läufer werden am Sonntag Solidarität mit den Terroropfern von Boston bekunden. Jeder Teilnehmer bekommt ein gelbes Armband mit dem Slogan “Run for Boston“.

Hamburg. "Bei aller Betroffenheit über die Ereignisse in Boston - wir werden uns die Freude auf den Marathon in Hamburg nicht nehmen lassen." Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) wirkte entschlossen, als er am Freitag den verbalen Startschuss zur 28. Auflage des Hamburg Marathons gab. 15.200 Einzelläufer haben für den Lauf am Sonntag gemeldet. Dazu kommen 6000 Staffelläufer, die ebenfalls um 9 Uhr an den Messehallen starten. Zehn Minuten vorher fällt der Startschuss für 75 Handbiker und drei Rollstuhlfahrer.

Mitgefühl mit den Menschen in Boston und gleichzeitig den Lauf durch Hamburg genießen - so lautet das Motto für Sonntag. "Es muss sich niemand Sorgen machen", sagte Neumann. Das Sicherheitskonzept sei noch einmal weiterentwickelt worden. Die genaue Anzahl der Sicherheitskräfte an der Strecke wollte er nicht verraten. "Aber das Konzept ist der Lage angepasst worden. Es werden zu jedem Zeitpunkt mehr als ausreichend Beamte von Polizei und Feuerwehr vor Ort sein", sagte Neumann. Seine eindeutige Botschaft: Hamburg wird sich von Terroristen nicht in die Knie zwingen lassen. Man werde diejenigen, die meinen, mit ihrem Terror Angst zu verbreiten, in Hamburg ein lachendes und sportliches Gesicht entgegenhalten. "Wir werden ihnen nicht die Genugtuung geben, unseren schönen und Völker verbindenden Sport kaputt zu machen."

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An Zeichen der Solidarität mit den Opfern des feigen Bombenanschlags in Boston mangelt es nicht. Jeder Teilnehmer bekommt ein gelbes Armband mit dem Slogan "Run for Boston". Die Haspa hat ein Spendenkonto eingerichtet, vor dem Start wird es eine Gedenkminute geben. Danach erklingt das Lied "Sweet Caroline" von Neil Diamond, die Hymne der Veranstaltung in Boston.

Auch Marathon-Chef Frank Thaleiser unterstützt die Jetzt-erst-recht-Haltung der Politik. "Wir haben ja bereits im letzten Jahr einen sehr hohen Sicherheitsstandard gehabt, als mehr als 400 Beamte im Einsatz waren." Konkret habe es wegen des Attentats in Boston nur acht Absagen gegeben. "Zu 99 Prozent ist die Stimmung unter den Teilnehmern so, dass sie sagen: Natürlich kommen wir. Und wir bringen auch noch viele Freunde mit, denn wir lassen uns nicht unterkriegen."

Rund 800.000 Zuschauer werden entlang der Strecke erwartet. Sie werden die Stars genauso laut anfeuern wie die vielen Breitensportler. Darunter viele Prominente, die in einer Staffel laufen wie ARD-Nachrichtensprecher Ingo Zamperoni: "Ich habe in Boston Amerikanistik studiert und bin dort 1998 bei meinem bisher einzigen Marathon auch über die Zielgerade gelaufen, an der jetzt die Bomben hochgingen. Das muss furchtbar sein, wenn man so voller Adrenalin und Freude auf das Ziel zuläuft, und dann passiert so was. 'Jetzt erst recht' als Überschrift über den Lauf in Hamburg trifft es absolut. Wir müssen zeigen: Durch Bomben lassen wir uns unsere Lebensform nicht kaputt machen." Sein TV-Kollege Johannes B. Kerner ist nie auf den Gedanken gekommen, den Lauf abzusagen: "Das wäre absurd - obwohl es meinem Trainingszustand zugutekäme."

Hockey-Nationalspielerin Christina Schütze ist durch Olympische Spiele strenge Sicherheitsmaßnahmen gewohnt: "Vor der Eröffnungsfeier in London gab es auch Berichte über Drohungen. Aber die Angst darf man nicht zulassen." Ex-HSV-Trainer Michael Oenning kennt die Thematik von Gefahr bei großen Sportveranstaltungen: "Da denkt man schon drüber nach. Dieses Attentat war so bodenlos feige, da muss man etwas dagegensetzen."

So denkt auch die deutsche Marathon-Hoffnung Lisa Hahner, die in Hamburg mit 2:30,30 Stunden die WM-Norm schaffen will: "Abzusagen ist keine Option, denn unser Sport bringt ja Menschen aus allen Nationen zusammen. Schön finde ich, dass wir mit den gelben Armbändern zeigen, dass wir an die Menschen in Boston denken."

Vielleicht werden die Zuschauer in Hamburg auch Augenzeuge eines neuen Streckenrekords. Der Kurs ist in diesem Jahr flacher, weniger kurvenreich und damit automatisch schneller. Im Schlussabschnitt am Klosterstern geht es hinunter zur Außenalster, anstatt wie bisher über die leichte Steigung auf der Rothenbaumchaussee zum Ziel.

"Wir streben einen neuen Streckenrekord an", sagt Sport-Direktor Jos Hermens. Der alte resultiert aus dem vergangenen Jahr, als Shami Dawit aus Äthiopien die Ziellinie nach 2:05:58 Sekunden durchlief. Zuständig für eine neue Bestzeit werden in erster Linie zwei Läufer aus Kenia sein. Wilson Kiprop und Eliod Kipchoge, der aktuelle Weltmeister im Halbmarathon (60:04 Minuten). Er gibt in Hamburg sein Marathon-Debüt. "Ich fühle mich sehr gut", sagt der frühere 5000-Meter-Weltmeister, der schon im Februar zur Streckensichtung in Hamburg gewesen ist.

Beide hoffen darauf, dass der Wind am Sonntag nicht zu stark bläst. Entwarnung kam dahin gehend von "Wetterfrosch" Frank Thaleiser: "Beim Start wird es noch sechs bis sieben Grad kalt sein, dann kommt die Sonne durch, und die Temperaturen klettern auf 13 Grad - und Wind wird es kaum geben."