Hamburger Betriebe wollen dieses Jahr 12.000 Lehrverträge abschließen. Das Angebot ist größer als die Nachfrage. Unattraktiv erschienen derzeit Berufe in der Gastronomie und im Einzelhandel.

Hamburg. Für Franziska Sievers war es ein erstes "Schnuppern" für den Beruf. Die 17-Jährige gehörte am Mittwoch zu den gut einem Dutzend Jugendlichen, die bei der Hamburger Hochbahn AG erstmals einen Bus steuern konnten. "Erst war ich aufgeregt, dann ging es ganz gut. Es war vor allem eine neue Perspektive für mich", sagte Sievers nach ein paar Runden auf dem Betriebshof. Gut möglich, dass sie eine Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb beginnt. Die neue, dreijährige Lehre bei der Hochbahn bezieht den Bus-Führerschein mit ein. "Wir haben für diese neue Ausbildung zum August noch 16 Plätze frei", sagte Hochbahn-Personalvorstand Ulrike Riedel (Telefonhotline: 040/32 88-2115). Jedes Jahr braucht das Unternehmen 100 bis 150 Busfahrer. Der Schnuppertag soll dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Immerhin: Die Hochbahn kann für ihre jährlich 40 neuen Lehrlinge in neun Berufen zwischen 1600 Bewerbern wählen. Doch auch das vor allem in der Region bekannte Unternehmen spürt den demografischen Wandel. "Noch vor fünf Jahren hatten wir jährlich 2000 Bewerber", so Riedel.

Andere Firmen merken viel stärker, dass vor allem aus Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern Interessenten ausbleiben. "Bei einer Umfrage unter 288 unserer Firmen haben 16,3 Prozent gar keine Bewerbungen mehr bekommen", sagte Handelskammer-Geschäftsführer Armin Grams. Er legte am Mittwoch zum "Tag des Ausbildungsplatzes" mit Handwerkskammer und Arbeitsagentur eine erste Bilanz für den Lehrstellenmarkt 2013 vor.

Vor allem kleinere, wenig bekannte Betriebe haben es laut Grams schwer, Lehrlinge zu bekommen. Unattraktiv erschienen derzeit Berufe in der Gastronomie und im Einzelhandel mit Arbeitszeiten am Wochenende oder abends. Wenig Interesse gebe es dazu aktuell auch im Groß- und Außenhandel. Um gegenzusteuern, seien viele Firmen bereit, ihre Anforderungen an die Bewerber zu senken. "Fehlende Kenntnisse können über Nachhilfe und Praktika ausgeglichen werden", so Grams.

Klar ist: Die Chancen für junge Leute auf einen Ausbildungsplatz sind derzeit so gut wie lange nicht. Nach den Berechnungen der Arbeitsagentur ist die Zahl der Lehrstellen seit Oktober, dem Beginn des Ausbildungsjahres, um 515 auf 8463 gestiegen. Die Zahl der bei der Agentur registrierten Bewerber legte aber nur um 99 auf 5587 zu. Auf die 5376 noch offenen Stellen kamen Ende März 3833 Bewerber. Gesucht sind Fachkräfte im Gesundheits- und im kaufmännischen Bereich, Bäcker, Fleischer oder auch Bewerber für Logistikberufe wie bei der Bahn (Kontakt zur Arbeitsagentur über 24 85-1113). Freie Plätze finden sich auch in den Online-Lehrstellenbörsen der Kammern. "Die Arbeitgeber haben verstanden, dass die Sicherung von Nachwuchs Zukunftssicherung ist", so Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock.

Trotz des Bevölkerungsrückgangs und der etwas schwächeren Konjunktur rechnen beide Kammern damit, dass zum Herbst erneut insgesamt 12.000 Ausbildungsplätze besetzt werden können. "Mit 9500 lägen wir auf dem Niveau von 2012 und damit um 800 bis 1000 über den Zahlen vor dem Rekordjahr 2008", sagte Grams. Bisher wurden 3327 Lehrverträge abgeschlossen.

Bei den Firmen der Handwerkskammer wurden zwar bis Ende März nur 333 Verträge unterschrieben. "Auch wir sehen aber keine Anzeichen, dass nicht wieder wie im Vorjahr 2500 Lehrstellen besetzt werden können", so Oliver Thieß, Leiter Bildungspolitik der Kammer. Der Hintergrund: In der Statistik gibt es oftmals Verzögerungen, weil die Verträge der Kammer erst über die Innungen gemeldet werden. Thieß geht daher davon aus, dass die Zahlen von 2012 spätestens im Mai wieder erreicht werden. Mit 2500 neuen Verträgen läge die Kammer dicht am Höchstwert von 2008. Er betrug damals 2731.

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