Gartenschauen haben in der Hansestadt eine lange Tradition - die erste fand 1869 im alten Elbpark statt. Jedes Mal blieb ein schön gestaltetes Stück Grün. Eine Historie von Hamburgs blühenden Landschaften.

Es sollte der ganz große Wahlkampfauftritt werden. Bürgermeister Ortwin Runde hatte sich an diesem Dienstag einiges vorgenommen. Mit Journalisten und einer Entourage aus Beamten und Landschaftsplanern ging es per Schiff vom Jungfernstieg über den Ernst-August-Kanal nach Wilhelmsburg. Dort sollte die Bewerbung der Hansestadt für die Internationale Gartenschau (igs) feierlich übergeben werden. Erstmals seit 1973 sollten in der Hansestadt wieder blühende Landschaften Millionen Besucher locken. Doch der Plan versickerte tags darauf in Meldungsspalten, wurde zur Randnotiz in den Nachrichten: Noch während die Präsentation in Wilhelmsburg lief, sprengte eine Weltnachricht aus New York Rundes Runde. Es war der 11. September 2001, Terroristen hatten die Twin Towers angegriffen. Und geplant hatten die Islamisten den Massenmord wenige Kilometer weiter südlich, an der Harburger Marienstraße.

Während der Start 2001 unter einem denkbar schlechten Stern stand, sieht es heute für die Internationale Gartenschau deutlich besser aus: Die igs schickt sich, auf insgesamt 100 Hektar Ausstellungsfläche und mit mindestens 2,5 Millionen Besuchern eine Rekordschau zu werden. Insgesamt lässt sich die Stadt die Schau rund 70 Millionen Euro kosten.

Sie knüpft dabei an eine lange Tradition an. Erstmals lud die Hansestadt 1869 zu einer Gartenschau an der Elbe, der überhaupt zweiten Ausstellung ihrer Art. "Zu dieser Zeit kam das Pflanzensammeln in Mode", sagt Heiner Baumgarten, Geschäftsführer der igs 2013. "Der Trend schwappte damals aus England zu uns herüber." Auf der Insel züchteten immer mehr reiche Kaufleute Pflanzen, die sie aus Südostasien oder Amerika einführten. Den Hamburger Kaufleuten ging es nun darum, ihren britischen Geschäftspartnern nachzueifern - obwohl das Hamburger Klima rauer war. Die erste Gartenbauschau fand im alten Elbpark statt, wo heute das Bismarck-Denkmal steht, und war mit einer Dauer von zehn Tagen noch sehr überschaubar. Dennoch zeigte sich die Stadt hoch motiviert: Der Rathaus-Architekt entwarf eigens eine Drahtseilbrücke über den alten Stadtgraben.

Kurz vor der Jahrhundertwende, im Sommer 1897, blieb die nächste Gartenschau fast ein halbes Jahr geöffnet, vom 1. Mai bis 4. Oktober, und erstreckte sich über die Großen Wallanlagen. Zwei prächtige Tore am Millerntor und am Holstenwall lockten die Besucher, das gastronomische Angebot erinnert fast an moderne Freizeitparks. Es gab Bauern- und Sektstuben, Wein- und Jagdzimmer, eine Sennhütte sowie eine Waldbrauerei. Besonders begeisterten die Zeitgenossen eine Wasserrutschbahn und ein Springbrunnen. Die Ausstellung präsentierte Pflanzen und Früchte, aber auch Gartengeräte und -möbel. Prominente wie Karl May mit Gattin Emma reisten nach Hamburg, um sich Anregungen für den eigenen Garten in Radebeul zu holen. Ein Schwerpunkt lag bei der Blumenschau - in dieser Zeit verwandelten sich die Vierlande zum Blumen- und Gemüseanbaugebiet.

17 Jahre später zog es die Gartenfreunde erneut an die Elbe in das damals noch preußische Altona. Die Gartenschau war Teil der Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag Altonas und wurde dementsprechend groß begangen. Am 21. Juni 1914 besuchte sogar Kaiser Wilhelm das Veranstaltungsgelände, das sich vom Donnerspark bis zum Rosengarten oberhalb von Neumühlen erstreckte. Es verband die einzelnen Parks zu einer Anlage, eine grüne Perlenkette entstand entlang der Elbe. Für die Schau wurden zudem erstmals private Elbparks für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, darunter das Baron Voghtsche Gut mit dem Jenischpark in Othmarschen. Es war die Geburtsstunde der norddeutschen Baumsschulen - und in den Elbvororten lag ihre Keimzelle. Im Rückblick sieht Baumgarten die Schau von 1914 als "bedeutenden Beitrag für den Erhalt der großbürgerlichen Parks". Ein finanzieller Erfolg war ihr nicht beschieden. Aber die Ausstellung in Altona begründete die enge Beziehung der Hamburger zu ihren Grünanlagen.

Prägend für die Stadt war auch die "Niederdeutsche Gartenschau" 1935 im Herzen der Stadt, die Geburtsstunde von Planten un Blomen. Sie passte als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für mehrere Hundert Arbeitslose perfekt in die nationalsozialistische Politik: Der Park entstand auf dem Gelände des alten Zoologischen Gartens an der Tiergartenstraße und auf Teilen des benachbarten zentralen Friedhofs der Hamburger Hauptkirchen. Mit der brachialen Federstrichpolitik wurden 200 Gräber kurzerhand nach Ohlsdorf verbracht. Innerhalb von wenigen Monaten sollte die Schau aus dem Boden gestampft werden; doch als im Juni die Pforten öffneten, blieb vieles Stückwerk. Auch bei der Auswahl der Pflanzen ging es deutschnational zu: regionale Pflanzen, deutsche Ernährung und Landwirtschaft rückten in den Mittelpunkt. Exotische Pflanzen wurden durch einheimische ersetzt. Die Schau sollte zeigen, so Bürgermeister Carl Vincent Krogmann, "was das gesamte nationalsozialistische Deutschland auf dem Gebiet der Blumen- und Pflanzenzucht zu leisten imstande ist". Obwohl Militärkapellen im Musikpavillon aufspielten und eine Bauernschenke mit Reetdach zum Verweilen lud, blieb das Interesse überschaubar. Nach einem Monat senkten die Organisatoren den Eintrittspreis von einer Reichsmark auf 50 Pfennig, die Gesamtbesucherzahl blieb mit 750.000 bis 800.000 Besuchern hinter den Erwartungen zurück.

Acht Jahre nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes fanden die Hamburger 1953 zurück zur Internationalen Gartenbau-Ausstellung. Ein Motor der neuen IGA in Planten und Blomen wurde Bürgermeister Max Brauer (SPD). Die Ausstellung wurde zum "Symbol des Wiederaufbaus, einer aufblühenden Stadt", sagt Baumgarten. Hamburg präsentierte sein neues Gesicht in Planten un Blomen, den Wallanlagen und auf dem Messegelände, einem Gebiet von 35 Hektar. Zum Publikumsliebling avancierte der "Philipsturm", eine Spende des Unternehmens. Der 35 Meter hohe Glasbau verfügte über Fahrstuhl und Aussichtsplattform und strahlte nachts wie eine große Leuchtsäule. Direkt daneben begeisterte die Wasserlichtorgel im Parksee mit 329 Unterwasserscheinwerfern und 200 Fontänendüsen die Besucher. Zur Eröffnung am 1. Mai 1953 kam auch der Bundespräsident. Gleichzeitig wurde das Alsterufer - als Park neu gestaltet - zum ersten Mal wieder von allen Seiten öffentlich zugänglich. Zwischen Ende April und Mitte Oktober strömten fast fünf Millionen Menschen auf das Gartenschau-Gelände.

Die Schau war ein solcher Erfolg, dass Bürgermeister Brauer sogleich eine Wiederholung in noch größerem Rahmen für 1963 versprach. Das Ausstellungsgelände verdoppelte sich durch die Hinzunahme der Wallanlagen, des Botanischen Gartens und des Heiligengeistfeldes auf 76 Hektar. Straßen wurden untertunnelt, eine benzinbetriebene Kleinbahn fuhr durch Planten un Blomen. eine Gondelbahn schwebte über die 1,4 Kilometer lange Strecke vom Dammtor bis zum Millerntor. Aufwendige Wasserspiele, Wasserfälle und Becken prägten die Landschaft. "Die Schau atmete den Zeitgeist des Wirtschaftswunders", sagt Baumgarten, der als Kind erstmals mit dabei und vor allem von der Seilbahn fasziniert war. Insgesamt aber verfehlte die Schau mit 5,4 Millionen Besuchern die ehrgeizigen Ziele der Macher. Für die Hansestadt aber vergrößerte sie den Park auf die Größe von heute. Während die Gondelbahn nach Ausstellungsende abgebaut wurde, blieben die Tropengewächshäuser stehen.

Keine Stadt kam so oft bei den Bewerbungen für eine Internationale Gartenbau-Ausstellung zum Zuge wie Hamburg. Siebenmal ging es an die Elbe, dahinter folgt Dresden mit drei Ausstellungen. "Die Hansestadt hat eine starke gartenbauliche Tradition und große Kulturlandschaften im Umland", sagt Baumgarten. "Das waren große Vorteile bei der Bewerbung."

Die bislang letzte Gartenbau-Ausstellung fand 1973 statt. Der Fernsehturm war fünf Jahre zuvor in Betrieb gegangen, das Congress-Centrum und das 105 Meter hohe Plaza-Hotel waren gerade fertiggestellt. Breite asphaltierte Wege, wie mit dem Lineal gezogen, führten durch die Rabatten, eine Kleinbahn fuhr durchs Gelände, der Deutsche Sportbund errichtete in Hamburg eigens einen "Flora-trimm-dich-Pfad". Es wurde eine Schau der Superlative: 5,9 Millionen Besucher kamen, die Stadt investierte 59 Millionen Mark und fast eine Million Tulpen tauchten die Stadt in ein buntes Licht. "Ich erinnere noch den beeindruckenden Anblick des CCH im Tulpenmeer", sagt Heiner Baumgarten. "So schön ist es nie wieder geworden." Schon damals habe ihn als Gärtnerlehrling gestört, wie sehr diese Gartenschau architektonisch geprägt war.

Das tat der Begeisterung keinen Abbruch. Bundespräsident und Schirmheer Gustav Heinemann lobte die Stadt: "Da habt ihr aber eine feine Sache gemacht." Seit 1970 hatten die Veranstalter im In- und Ausland für die Schau geworben, mit dem "Käpt'n-Blume-Lied" gab es sogar einen offiziellen IGA-Schlager. Doch dem Rausch folgte der Kater. Nach Ende der Schau häuften sich die Beschwerden. In Leserbriefspalten des Abendblatts empörten sich Hamburger über die "kahle Betonlandschaften", der Volksmund verulkte den Park zu "Platten und Beton".

Auch das passte in die Zeit. Der "Club of Rome" hatte 1972 der Welt die Grenzen des Wachstums aufgezeigt, der Umweltschutzgedanke griff Raum, die Kritik am Konzept von Gartenschauen wuchs. Hamburg wollte 1983 eigentlich erneut die Ausstellung an die Elbe holen und diskutierte schon eifrig über einen neuen Veranstaltungsort. "Statt nach Planten un Blomen gab es Diskussionen, nach Harburg oder Wilhelmsburg beziehungsweise in die Boberger Dünen nahe Mümmelmannsberg zu gehen", erinnert sich Baumgarten. Die Umweltpolitiker profilierten sich in der Debatte mit scharfer Kritik an einer Gartenschau. 1979 zog Hamburg schließlich seine Bewerbung zurück.

Erst 22 Jahre später verabredete der damalige Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) mit seinem Umweltsenator Alexander Porschke (GAL), eine neue Bewerbung zu wagen. Sie sollte zwei Ziele verbinden: Stadtteilentwicklung und Ökologie. Die Elbinseln sollen aufgewertet, attraktiver, grüner werden, zugleich das ehemaliges Deponiegelände Georgswerder sich in einen Aussichtspunkt verwandeln.

Zwölf Jahre später, vom 26. April an, lässt sich in Wilhelmsburg besichtigen, was daraus geworden ist.