Häfen, Werften, Schifffahrt - die maritime Wirtschaft ist unverzichtbar

An diesem Montag und Dienstag tagt in Kiel die Nationale Maritime Konferenz. Die gesamte Branche trifft sich an der Förde, Vertreter von Hafenwirtschaft und Reedereien, von Schiffsfinanzierern und Werften. Auch die Bundespolitik erscheint in prominenter Besetzung: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt nach Kiel ebenso wie Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Der maritimen Wirtschaft tut die Aufmerksamkeit gut. Auch die freundlichen Zusagen des Bundes - vor allem zur Sanierung des maroden Nord-Ostsee-Kanals - werden die betroffenen Unternehmen und die norddeutschen Bundesländer mit Freude registrieren. Der Effekt der Konferenz aber dürfte schon bald wieder verpuffen. Denn die deutsche Küstenregion und ihre Wirtschaft leiden nicht nur an akuten Krisensymptomen, sondern auch unter einem chronischen Mangel an Wahrnehmung und Wertschätzung.

Die wirtschaftlichen Verwerfungen in Europa, aber auch etliche hausgemachte Faktoren belasten den seewärts orientierten Teil der deutschen Wirtschaft. In Hamburg stagniert der Containerumschlag auf dem Niveau von 2006, im Tiefwasserhafen Wilhelmshaven meldet die Betreibergesellschaft mangels Auslastung schon wenige Monate nach Eröffnung für die Belegschaft Kurzarbeit an.

An der Küste hofft man auf den nächsten Aufschwung. Doch es erscheint paradox: Einen Containerboom wie im zurückliegenden Jahrzehnt könnte Deutschlands größter Seehafen Hamburg derzeit vermutlich gar nicht verkraften. Die geplante, dringend nötige Verbreiterung und Vertiefung der Elbfahrrinne liegt zur Beurteilung beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Richter dort entscheiden über die zahlreichen Klagen von Naturschützern gegen das Projekt voraussichtlich im vierten Quartal. Der Nord-Ostsee-Kanal, Hamburgs und Bremerhavens wichtigste Anbindung an die Seeverkehre in die Ostsee, ist vor allem an seinen Brunsbütteler Schleusen so kaputt, dass die Reedereien dort noch lange jederzeit mit einer Sperrung für größere Schiffe werden rechnen müssen.

Der deutsche Schiffbau wiederum - vor allem die insolventen Unternehmen Sietas in Hamburg und Volkswerft in Stralsund - kämpft vielerorts um die Existenz. Der Aufbau von Offshore-Windparks vor den deutschen Küsten wäre eine historisch einmalige und geografisch naheliegende Chance, um dem Traditionsgewerbe neue Perspektiven zu geben. Doch schon bevor der Aufbau einer Stromversorgung auf dem Meer seine wirtschaftliche Dynamik überhaupt entfalten kann, wird das Projekt von der Politik und von Lobbyisten aus Wirtschaft und Verbänden wieder schlechtgeredet.

Für die Krisen der deutschen maritimen Wirtschaft in dieser Zeit gibt es viele Ursachen und Verantwortliche. Es wäre billig, allein der Politik im üblichen Reflex die Zuständigkeit für die Behebung der Defizite zuzuweisen. Das zentrale Problem ist: Deutschlands wirtschaftliche und technologische Zukunft liegt zu einem guten Teil auf dem Meer. Jenseits der norddeutschen Länder scheint das aber kaum jemanden zu interessieren, weder in der Politik noch in der Wirtschaft. Dabei müsste jedermann klar sein, dass Deutschlands wachsende Importe und Exporte nur in hocheffizienten Häfen und auf wohlpräparierten Wasserstraßen und Landanbindungen in Gang gehalten werden können. Und es liegt auf der Hand, dass die Entwicklung der nötigen Top-Technologie für deutsche Offshore-Windparks Chancen für Unternehmen im gesamten Hochtechnologieland Deutschland mit sich bringt.

Die Küste sollte ihre Stärken endlich für ganz Deutschland sichtbar machen. Wo steht geschrieben, dass die beste Imagekampagne dieses Landes ausgerechnet aus Baden-Württemberg stammen muss?