Mehrheit der Parteien möchte illegales Zeltlager in der City nach sechs Monaten räumen. SPD will Protestaktion an Stadtrand verlegen.

Hamburg. Sie protestieren gegen das Finanzsystem und die ungleiche Verteilung von Reichtum - mitten in der Innenstadt am Rande der Spitalerstraße. Ihre Zelte und fest installierten Behausungen haben die Occupy-Aktivisten seit Oktober 2012 auf dem Gertrudenkirchhof aufgeschlagen. Doch seit Wochen schwindet die Sympathie für die Bewegung, die im Oktober 2011 auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz ihre Aufklärungsarbeit begonnen und damals noch viel Zuspruch aus Politik und Öffentlichkeit erhalten hatte.

Vor einigen Wochen forderten CDU, FDP und sogar die Grünen eine Auflösung des illegalen Camps. Dazu hatten die betroffenen Anlieger in einem Brief auch das Bezirksamt und den Senat aufgefordert. In dem Schreiben heißt es unter anderem: "Mitten in der Stadt Hamburg, zwischen Alster und Mönckebergstraße, ist unter dem Schutz der zuständigen Politiker auf unbestimmte Zeit eine rechtsfreie Zone entstanden." Einzig und alleine das Bezirksamt Mitte und die SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung hatten diese Argumente bislang nicht gelten lassen und an einer Duldung für das illegale Camp festgehalten.

Doch jetzt wendet sich das Blatt offensichtlich. Im Abendblatt-Gespräch kündigte SPD-Fraktionschef Falko Droßmann - die SPD regiert im Bezirk Mitte gemeinsam mit der FDP - an: "Die Duldung für das Occupy-Camp auf dem Gertrudenkirchhof ist nicht endlos. Wir müssen nun gemeinsam mit den Menschen im Camp und den Anliegern nach einer Lösung suchen."

Schon jetzt stellt Droßmann konkrete Forderungen an die Aktivisten: "Zunächst einmal darf sich das Camp auf keinen Fall auf der Fläche ausweiten. Außerdem müssen zeitnah die festen Aufbauten und auch die Jurte entfernt werden." Auf die Aktivitäten vor Ort habe das Bezirksamt zudem ein waches Auge, sagt Droßmann.

Die Innenstadt hält Droßmann offensichtlich nicht mehr für einen geeigneten Aufenthaltsort. Für den SPD-Fraktionschef wäre eine Möglichkeit "eine Alternativfläche am Stadtrand, auf der die Occupy-Bewegung ihre Arbeit fortsetzen kann".

Doch damit hat er die Rechnung ohne die Aktivisten gemacht. Die haben zwar nicht ihr Herz an den Gertrudenkirchhof verloren, aber: "Die jetzige Fläche war für uns ein Winterquartier, nicht dauerhaft. Wichtig ist, weiterhin sichtbar in der Innenstadt mit Occupy Menschlichkeit zu kommunizieren", sagt Oli. Der Produktdesigner ist von Anfang an dabei. Vorstellungen, wo die Occupy-Bewegung künftig ihre Zelte aufschlagen möchte, gibt es bereits: "Dafür eignen sich der Gerhart-Hauptmann-Platz oder andere Plätze", sagte Oli beim Gespräch mit dem Abendblatt im Camp.

Am Holztisch wird Kaffee serviert. Die Sonnenstrahlen tauchen das Camp in helles Licht. Der Blick fällt auf die vielen Zelte, die fest installierten Holzbuden inklusive Küche und Aufenthaltsraum. Wie ist ihre Botschaft? "Wir nehmen öffentliche Räume in Anspruch, um unsere politische Botschaft deutlich zu machen. Unser Protest richtet sich gegen den Kapitalismus", sagt Thomas, ein Arzt im Ruhestand.

Dass die Aktivisten, die als absolut friedlich und kooperativ eingestuft werden, jetzt zur Zielscheibe der Kritik werden, will Oli so nicht gelten lassen: "Es ist nicht so, dass hier mehrheitlich Anlieger gegen unser Camp wären. Zu vielen haben wir ein gutes Verhältnis, und wir werden unterstützt."

Dazu gehört Kaufmann Roland Mock von der Anwohnerinitiative nicht: "Hier haben besonders die Gastronomen, die Außengastronomie betreiben, Angst vor dem Sommer." Wenn bis dahin das Camp nicht aufgelöst wird, dann würde das Umsatzeinbußen bedeuten. Zum wiederholten Mal fordert CDU-Fraktionschef Jörn Frommann "ein Ende des Camps". Für ihn steht fest: "Es darf auch keine neue städtische Fläche für die Aktivisten geben." Die CDU hatte in einem Antrag in der Bezirksversammlung, der dann jedoch abgelehnt wurde, eine Räumung bis zum 15. April gefordert, sofern die Occupy-Gruppe noch da sei.

Doch soweit will SPD-Fraktionschef Droßmann nicht gehen: "Das wäre unverhältnismäßig. Eine Stadt wie Hamburg mit 1,8 Millionen Einwohnern, muss 15 friedliche Protestler im öffentlichen Stadtbild tolerieren können. Aber eben auch nicht dauerhaft."

Vielleicht sollten alle Beteiligten mal miteinander sprechen. Aktivist Thomas bringt es auf den Punkt: "Wir würden uns wünschen, dass die Hamburger Politik nicht nur über uns, sondern mit uns spricht."