Illegale Downloads können teuer werden. Die Zahl der Forderungen wegen Urheberrechtsverletzungen ist hoch. Ein Hamburger Verbraucherschützer ist alarmiert.

Hamburg. Als Silke K. den Umschlag mit dem Absender einer Anwaltskanzlei sah, ahnte sie schon, dass wieder einige Hundert Euro wegen Urheberrechtsverletzungen von ihr eingefordert werden. Ihr Sohn hatte in einer Tauschbörse im Internet einen sogenannten 100-Chartcontainer heruntergeladen, also insgesamt 100 Musiktitel. Es war schon der dritte Brief eines Anwalts innerhalb kurzer Zeit. "Wer solche Chartcontainer herunterlädt, muss mit bis zu zehn Abmahnungen rechnen", sagt Rechtsanwalt Henning Werner, der sich in der Hamburger Kanzlei RHS auf Urheberrecht spezialisiert hat und Rastsuchende in der Verbraucherzentrale Hamburg berät. "Obwohl die finanziellen Risiken illegalen Herunterladens seit Jahren bekannt sind, nehmen die Fälle nicht ab", sagt er. Experten schätzen, dass Jugendliche beim Surfen pro Stunde einen Urheberrechtsverstoß begehen.

Die Abmahnungen sind ein großes Geschäft, und die Forderungen der Anwälte reichen nach Angaben der Verbraucherschützer von 450 bis 6000 Euro pro Urheberrechtsverletzung. Außerdem werden die Angeschriebenen aufgefordert, eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Meist wird es umso teurer, je kürzer der betreffende Musiktitel oder Filmclip am Markt ist. Ein neuer Song von Popstar Rihanna wird somit teurer als ein alter Hit von Udo Jürgens. Ein Lied der Sängerin kann so schnell 500 Euro kosten. Für seinen minderjährigen Sohn soll ein Vater jetzt 1200 Euro bezahlen, weil sich sein Kind das Album "Believe" von Justin Bieber heruntergeladen hat, berichtet Werner. Das Album kann man für weniger als sechs Euro kaufen.

Allein die Forderungen von Betroffenen, die sich bei der Verbraucherzentrale Hamburg Rat holen, beliefen sich im vergangenen Jahr auf deutlich mehr als eine Million Euro. Tendenz steigend. Der Verein gegen den Abmahnwahn registrierte für 2011 bundesweit Forderungen von 165 Millionen Euro. Verbraucherschützer halten die Höhe der Forderungen für völlig überzogen. Doch grundlos erhalten die Betroffenen solche Abmahnungen nicht, denn mit dem Herunterladen in solchen kostenfreien Tauschbörsen haben sie eindeutig Urheberrechtsverletzungen begangen.

Nach Werners Einschätzung haben sich rund 30 große Kanzleien auf diesen Bereich spezialisiert. "Da es sich meist um Formbriefe handelt, ist das ein einträgliches Geschäft", sagt er. Für die Rechteinhaber wird ein Schadenersatz eingetrieben, und an ihrer Höhe bemisst sich auch die Anwaltsgebühr.

Ob Musik, Filme, Computerspiele oder Software - mit jedem Klick bei so einer Tauschbörse im Internet riskiert man eine Abmahnung, wenn es sich um urheberrechtlich geschützte Daten handelt. "Schon in der ersten Sekunde des Herunterladens stellt man die Daten auch anderen Nutzern weltweit unberechtigt zur Verfügung, und aus diesem Umstand werden die hohen Schadenersatzforderungen abgeleitet", sagt Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. So argumentieren die Eintreiber die Forderungen. Denn die unberechtigte eigene private Nutzung hat nur einen geringen Streitwert, wenn man unterstellt, dass ein Musiktitel bei kostenpflichtigen Plattformen im Internet knapp einen Euro kostet. "Das wäre für die Abmahner viel zu unattraktiv", sagt Anwalt Wita.

"Neuerdings werden vermehrt Pornofilme abgemahnt", hat Wita beobachtet. Jeder fünfte Beratungsfall hat so einen heiklen Film zum Gegenstand. Dabei schätzt er in diesem Bereich die Dunkelziffer als besonders hoch ein. "Um nicht mit solchen Videos in Verbindung gebracht zu werden, zahlen sicher sehr viele sofort die Forderung", sagt Wita. Dabei geht es meist um 800 bis 1500 Euro.

Bei den Erotikfilmen äußert Wita den Verdacht, "dass sie lediglich produziert werden, um mit ihnen über Abmahnungen Kasse machen zu können". Denn diese pornografischen Werke seien von minderwertiger Qualität und könnten anderweitig gar nicht erworben werden. Doch es dürfte schwierig sein, Witas Verdacht zu beweisen. Sobald die IP-Adresse eines Internetnutzers im Zusammenhang mit den Tauschbörsen gerichtsfest festgestellt wurde, gibt es kaum eine Chance, die Zahlung zu verweigern.

Dennoch raten die Verbraucherschützer, sich vorher rechtlichen Rat zu holen. "Eine solche Unterlassungserklärung gilt für 30 Jahre und enthält viele Fallen", sagt Werner. "Es gilt, eine modifizierte Unterlassungserklärung abzugeben, die kein Schuldeingeständnis ist und es vermeidet, schon eine Schadenersatzhöhe für einen künftigen Verstoß festzulegen." Im zweiten Schritt sollte versucht werden, Schadenersatz und Anwaltsgebühren zu reduzieren. "Das ist dann wie auf einem türkischen Basar", sagt Wita. In den meisten Fällen gelingt es, die Forderungen zu reduzieren. "Denn die Kanzleien haben kein Interesse an einer Klage", sagt Werner. Die Verbraucherzentrale Hamburg bietet für 60 Euro eine modifizierte Unterlassungserklärung an. Die Betroffenen müssen sich dann aber selbst mit den Abmahnern auseinandersetzen. "Dazu geben wir auch noch konkrete Hinweise, wie man am besten vorgeht", sagt Werner. Ähnlich geht die Verbraucherzentrale in Schleswig-Holstein vor. Neben der modifizierten Unterlassungserklärung gibt es noch einen Musterbrief, alles zusammen für 45 Euro. Wer die Hilfe eines Anwalts sucht, sollte vorher nach den Kosten fragen.

Zwar fehlt es im Internet beim Stichwort Abmahnung nicht an vermeintlich hilfreichen Angeboten, aber es wird schnell klar: Das juristische Problemfeld ist für beide Seiten ein lukratives Geschäft. Die eine Gruppe verdient an den Abmahnungen, die andere an der Gegenwehr. Mehr als 250 Euro sollte ein solcher Fall beim Anwalt nicht kosten, rät Werner. Die Bundesregierung will jetzt mit einem neuen Gesetz die Massenabmahnungen eindämmen. Der Streitwert wird in bestimmten Fällen auf 1000 Euro beschränkt, sodass der abmahnende Anwalt nur 155 Euro an Gebühren verlangen darf. "Je kleiner der finanzielle Anreiz für Abmahnungen ist, desto eher wird diese Geschäftemacherei abnehmen", sagt Wita.

Doch sein Hamburger Kollege Werner hat große Zweifel, ob die Betroffenen von dieser Regelung wirklich profitieren können. "Die Deckelung wird durch unklare Ausnahmeregelungen ausgehebelt", sagt Werner. Denn der Streitwert von 1000 Euro soll nicht mehr gelten wenn er, "nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig" ist. Zu dieser schwammigen Formulierung fehlt jede gesetzliche Klarstellung, kritisiert der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Erst Gerichte werden über die Auslegung entscheiden. Werner hat deshalb nur einen Rat: "Halten Sie sich und vor allem Ihre Kinder von den Tauschbörsen fern."