Die Eltern von Lara machen eine Therapie, um sich gegen die Krankheit ihrer Tochter abzugrenzen

"Unsere Tochter war schon immer anders, sehr in sich gekehrt, und hat sich mehr für Bücher interessiert als für Freundinnen", erzählt Andrea H.*, 47. Doch für die Eltern war das zunächst kein Grund zur Sorge. Lara* war immer gut in der Schule, auch auf dem Gymnasium Klassenbeste. Als das Mädchen mit elf in die Pubertät kam, zog es sich noch mehr in sich zurück und hatte oft schlechte Laune. "Auch das habe ich mir mit den Gefühlsschwankungen der Pubertät erklärt", sagt Andrea H.

Geschockt war sie, als sie dann feststellte, dass ihre Tochter sich "ritzte", also sich mit scharfen Gegenständen selbst verletzte, und auch Selbstmordgedanken hatte. "Da haben wir dann eine Beratungsstelle aufgesucht, und Lara ging in regelmäßigen Abständen zu einem Gespräch mit einem Psychologen." Doch der Erfolg war nicht von langer Dauer: Als Lara 16 war, fühlte sie sich sehr schlecht. "In der Schule ging gar nichts mehr. Wenn sie das Gefühl hatte, sie konnte den Stoff nicht perfekt, hat sie gezittert, wenn sie nur ein Buch in die Hand nahm", erzählt ihre Mutter. Ein Therapeut stellte die Diagnose "wiederkehrende depressive Episoden und soziale Phobie".

In der Schule schaffte Lara zwar noch die mittlere Reife mit guten Noten. Doch danach ging es ihr so schlecht, dass sie schließlich stationär aufgenommen werden musste. Nach 14 Wochen Krankenhaus und Tagesklinik nahm sie einen neuen Anlauf, wechselte die Schule, war frisch verliebt und wollte ihr Abitur machen, aber nach dieser anfänglichen Phase ging es im Laufe des Schuljahres wieder bergab. "Sie konnte morgens nicht mehr aufstehen, nicht mehr zur Schule gehen und hat sich wieder selbst verletzt." Daraufhin musste sie erneut für vier Monate in die Klinik. Dort stellten die Ärzte dann fest, dass die Depression bei Lara nur ein Symptom war und dass dahinter eine Persönlichkeitsstörung steckt. Mittlerweile lebt die 18-Jährige in einer betreuten Wohneinrichtung.

Das Leiden ihrer Tochter mit ansehen zu müssen und ihr nicht helfen zu können falle ihr und ihrem Mann unheimlich schwer, so schwer, dass sie selbst unter psychosomatischen Beschwerden leiden, sagt Andrea H. Mittlerweile machen auch sie eine Therapie, um zu lernen, sich gegen die Krankheit ihrer Tochter abzugrenzen, die Hilflosigkeit zu ertragen. "Aber das ist leichter gesagt als getan. Es tut mir so unheimlich leid, dass ein so intelligentes Mädchen nicht das Leben führen kann, dass seinen Fähigkeiten entspricht", sagt Andrea H. Lara habe akzeptiert, dass sie nicht so ist wie die anderen. Sie möchte es auch nicht sein und sei im gewissen Maße sogar stolz darauf.

* Namen von der Redaktion geändert