Vier weitere Walrosse - ein Bulle, zwei Weibchen und ein Jungtier - sind in Hagenbecks Eismeer eingetroffen. Der Tierpark hofft auf Nachwuchs.

Hamburg. Was für eine Überraschung: Hagenbeck-Besucher, die am Sonnabendnachmittag durch das Eismeer schlenderten, zückten sofort ihre Kameras. Da zogen zwei Walrosse ihre Bahnen durch das große Becken. Eines davon war im Vergleich zu der bisher allein lebenden und eher schlanken Walrossdame Neseyka ein echter Koloss. Ein Bulle also, der sich vor aller Augen auch noch draußen auf der Beckenkante räkelte und präsentierte, so als wolle er sagen: "Schaut alle her: Ich bin jetzt da."

Schon zur Eröffnung des Eismeeres im Juli 2012 war klar, dass Neseyka nicht alleine bleiben soll. Die Anlage wurde für eine kleine Walrossgruppe gemacht, das Becken ist mit 7,50 Meter tief genug, um die Tiere in Paarungslaune zu bringen. Offen war allerdings bis zum Schluss, wann weitere Tiere in Hamburg eintreffen würden. Weltweit werden Walrosse in Zoos selten gehalten, eine eingespielte Gruppe zu bekommen, gleicht einem Sechser im Lotto. Hagenbecks zoologischer Direktor Stephan Hering-Hagenbeck machte aus dem Stand der jahrelangen Verhandlungen und Bemühungen deshalb ein großes Geheimnis. Nicht dass im letzten Moment noch irgendjemand Hagenbeck die kostbaren Tieren vor der Nase wegschnappt.

Nun aber scheint der Deal geglückt. Schon vor Wochen wurde hinter vorgehaltener Hand über eine Walrossgruppe mit vier Tieren aus Russland gesprochen. Ein Bulle, zwei Weibchen, eines davon mit Jungtier. Wenn zwei davon am Sonnabend das neue Terrain erkunden durften, ist davon auszugehen, dass sich die anderen Tiere gerade hinter den Kulissen eingewöhnen. Dort besteht auch die Gelegenheit, die Gruppe und Neseyka zunächst durch ein Gitter miteinander bekannt zu machen. Würden sie ohne vorheriges Kennenlernen im großen Becken aufeinandertreffen, hätte Neseyka als Einzelgängerin das Nachsehen. Walrosse sind sehr sensible und empfindliche Tiere. Ihr Transport, das Ein- und Ausladen, die ersten Tage im neuen Zuhause sind heikel und voller Risiken. Ein weiterer Grund, um aus der Ankunft der friedlichen Kolosse ein Geheimnis zu machen.

Neseyka, die am 14. Juni 2012 aus dem Zoo Ischewsk in der russischen Wolga-Republik Udmurtien in Hamburg eintraf, hatte es den Tierpflegern leicht gemacht. Sie ist Menschen aber auch gewohnt. Das inzwischen vier Jahre alte Walross wurde als verwaistes Jungtier von russischen Fischern aufgegriffen und in den Zoo gebracht. Dort suchte sie die Nähe zu Menschen, lernte schnell und ließ sich Kunststücke beibringen, was sie in Hamburg sofort zum Publikumsliebling werden ließ. Neseykas größter Spaß ist es, mit ihren Flossen Wasser auf das Publikum zu spritzen oder die Besucher durch die Glasscheiben ganz genau zu betrachten.

Mit Neseyka und ihren (hoffentlich) neuen Freunden will der Tierpark Hagenbeck zum einen die Tradition weiterführen, die faszinierenden Großrobben aus dem Nordpolarmeer den Zoobesuchern zu zeigen. Walrosse bezirzen durch ihr geselliges Treiben, ihr anmutiges Schwimmen und ihr spezialisiertes Verhalten. Obwohl sie so groß sind - Bullen bringen bis zu 1200 Kilogramm auf die Waage - fressen sie aufgrund ihres engen Schlundes nur Kleintiere wie Muscheln, Schnecken, Krebstiere und Tintenfisch. Am meisten beeindrucken sie mit ihren Stoßzähnen. Bei einem ausgewachsenen Tier können sie bis zu einem Meter lang werden.

Der andere Grund für das jahrelange und mühevolle Suchen und Verhandeln in Sachen "Walross" ist der Wunsch, die Arterhaltung zu unterstützen. Vor Neseyka war in Hamburg zuletzt Walrossdame Antje zu sehen - allerdings nur als Single. Sie schaffte es zum prominenten NDR-Maskottchen und blieb vielen Besuchern durch die Schaufütterungen, inklusive Mundharmonika-Einlage, in Erinnerung, bis sie im Sommer 2003 starb. Mit der neuen Gruppe hofft Hagenbeck auf einen Zuchterfolg bei den Walrossen. Die Gegebenheiten sind ideal. Sollten die Tiere harmonieren, könnte es also schon im nächsten Jahr passieren, dass Hagenbeck stolz vermeldet: Jetzt ist auch ein Walross-Baby da.