Seit fünf Monaten wacht die Deutsche Bahn über den Eingangsbereich am Hauptbahnhof. Eine Bestandsaufnahme. Jeden Tag sind fünf Streifen mit je zwei Personen unterwegs.

St. Georg . Trinker, Bettler, Punks, Müll und Uringestank im Eingangsbereich des Hauptbahnhofs - darüber gab es jahrzehntelang Beschwerden von Reisenden und Passanten. Nachdem die Stadt vergeblich versucht hatte, gegen die Situation vorzugehen, überließ sie im Oktober vergangenen Jahres der Deutschen Bahn das Nutzungsrecht für die überdachten Flächen am Hachmannplatz. Seitdem gilt dort die Hausordnung der Bahn. Betteln, übermäßiger Alkoholgenuss und das Sitzen auf dem Boden sind verboten - das Rauchen nur noch am Rande der Überdachungen gestattet.

Seit mittlerweile fünf Monaten weisen die Mitarbeiter der Bahn-Tochter DB-Services Passanten, die diese Verbote missachten, auf die Hausordnung hin. Noch immer gleicht diese Aufgabe einer Sisyphos-Arbeit - das stellt sich bei unserem Ortstermin schnell heraus.

Es ist ein kalter, sonniger Morgen. Der Bahnhofvorplatz an der Kirchenallee sieht sauber aus - kein Taubenkot und keine Zigarettenkippen auf dem Boden, keine Schrotträder - und vor allem: kein Gestank mehr. Auch die Trinkergruppen, die sich früher zu dieser Uhrzeit (9.30 Uhr) bereits versammelt hatten, sind nicht zu sehen. Nur eine Handvoll Ignoranten, die unmittelbar vor den gelben Verbotsschildern ihre Zigaretten rauchen. Der Gesamteindruck ist deutlich angenehmer als früher.

Plötzlich aber stellt sich eine Dreiergruppe junger Männer mitten in den Eingangsbereich, jeder mit Bierflasche und Zigarette. Ein Mann mit schmuddeliger Kleidung und einem leeren Plastikbecher in der Hand geht auf sie zu. Einer der Männer gibt ihm eine Zigarette. Ein paar Meter daneben versammeln sich weitere Menschen - viele rauchen und trinken. Zwei Männer einer DB-Sicherheitsstreife gehen vorbei, gucken, aber tun nichts. Die Menschenmenge wächst und versperrt mittlerweile den breiten Eingang. Jetzt wird klar: Es sind Fußballfans auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel. Die Sicherheitswache kommt wieder, dieses Mal sind sie zu viert. Freundlich, aber bestimmt, weisen sie die unterschiedlichen Gruppen darauf hin, dass der Eingang frei bleiben müsse und das Rauchen verboten ist. Ohne Murren räumen die Fußballfans den Platz vor dem Eingang und stellen sich ein paar Meter weiter hin.

"Dass die Verbote ignoriert werden, ist durchaus keine Ausnahme", sagt der Angestellte eines Bratwurstgrills. "Oft kommt es zu Pöbeleien, wenn Sicherheitskräfte oder Polizisten Ordnung schaffen wollen." Allerdings komme das häufiger in den Abendstunden vor. Insgesamt, sagt der Würstchenverkäufer, seien die Zustände unter den Vordächern zwar etwas besser geworden, seit die Bahn hier für Ordnung sorge, aber gut seien sie noch lange nicht.

Das findet auch der "Hinz&Kunzt"-Verkäufer, der unter dem Glasdach seine Zeitungen verkauft. "Dass es jetzt ruhiger ist, liegt an der Kälte", sagt er. "Wenn es wärmer wird, gibt es hier sicher wieder Streit und Schlägereien." Die Sicherheitsleute müssten häufiger kommen, findet er. Auch er sei anfangs schon mal von ihnen des Platzes verwiesen worden, doch das habe sich schnell aufgeklärt.

Der Betreiber des Blumenkiosks am Eingang Steintorplatz macht für die momentan einigermaßen entspannte Lage ebenfalls die Kälte verantwortlich. "Bei milderen Temperaturen ist es hier schlimm", sagt er. "Dann trinken und pöbeln hier viele. Und weil es keine Toilette gibt, urinieren sie in die Ecken."

Die Fußballfans vor dem Eingang Kirchenallee verschwinden im Inneren dem Bahnhofs. Die Stelle der ignoranten Raucher von vorhin haben mittlerweile andere eingenommen. Die Ordnungskräfte lassen sich nicht mehr blicken, dafür tauchen jetzt die Mitarbeiter eines Reinigungsunternehmens auf und fegen sorgfältig Kippen und zusammengeknülltes Papier zusammen.

"Die Reinigungsleistungen können jetzt deutlich leichter durchgeführt werden als früher, weil keine Gruppen mehr auf den Flächen sitzen oder liegen", sagt Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis. Obwohl jeden Tag fünf Streifen zu je zwei Personen im Hauptbahnhof unterwegs sind, sei eine lückenlose Überwachung des gesamten Vorplatzes nicht möglich. "Die Sicherheitswachen kontrollieren im Rotationssystem auch die Bahnsteige, den Südsteg und fahren manchmal sogar in Zügen mit." Generell sei das Feedback, das die Bahn von den Reisenden und den Gewerbetreibenden zur Situation auf dem Vorplatz erhalte, positiv, so Meyer-Lovis. "Probleme können wir im Moment nicht nennen. Im Gegenteil: Es hat sich alles gut eingespielt." Sollte sich die Lage bei milderen Temperaturen zuspitzen, müsse man gegebenenfalls nachbessern und das Sicherheitspersonal aufstocken.