Kontroverse über Strategie in dem Hamburger Unternehmen. Am kommenden Montag wird das Braugasthaus Altes Mädchen öffnen.

Hamburg. Gut zweieinhalb Jahre ist es her, da eilte der Biermanager Wolfgang Speth mit großen Schritten über das Gelände des Hamburger Schlachthofs und erzählte mit jungenhafter Begeisterung über sein neuestes Projekt. In den historischen, damals noch graffitibeschmierten Viehhallen wollte er einer traditionsreichen Hamburger Marke zu neuem Leben verhelfen. Ratsherrn Pilsener sollte hier, mitten im Schanzenviertel, wieder gebraut werden - samt einem angeschlossenen Gasthaus.

Am kommenden Montag wird nun das Braugasthaus Altes Mädchen auf dem Gelände seine Türen und Zapfhähne öffnen. 60 Biere aus aller Welt soll es dort geben, darunter auch das neue Ratsherrn, das schon seit knapp einem Jahr auf dem Gelände hergestellt wird und bislang vor allem in anderen Hamburger Gaststätten und im Supermarkt erhältlich ist.

Speths Traum ist also Wirklichkeit geworden, nur er selbst ist nicht mehr an Bord: Der erfahrene Manager, der schon bei Jever und Radeberger arbeitete, ist mittlerweile freigestellt, Anfang März wird er beim Konkurrenten Warsteiner als Verkaufsdirektor für den Bereich Gastronomie anheuern.

Öffentlich möchten sich weder das Unternehmen noch der Ex-Chef über die Hintergründe des überraschenden Abgangs äußern. Nach Abendblatt-Informationen hat es aber deutliche Differenzen zwischen Speth und einem der Inhaber der Brauerei, Oliver Nordmann, gegeben.

Dabei soll es unter anderem um die Ausrichtung der Marke und die Kompetenzen des Geschäftsführers gegangen sein. Mittlerweile hat Nordmann selbst den Chefposten in Hamburg übernommen.

Im Hauptberuf ist Nordmann allerdings nach wie vor Miteigentümer und Geschäftsführer der Stralsunder Nordmann-Gruppe, zu der neben der Ratsherrn-Brauerei auch noch zahlreiche andere Biermarken wie Stände Biere, die Erfrischungsgetränkemarke Alosa sowie ein umfangreicher Großhandel gehören. Das Familienunternehmen kommt nach eigenen Angaben auf einen Absatz von 4,2 Millionen Hektolitern im Jahr.

In den Aufbau der Hamburger Brauerei hat die Nordmann-Gruppe mehrere Millionen Euro gesteckt, der Erfolg ist mit einem Absatz von rund 12.000 Hektolitern im vergangenen Jahr allerdings hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Ursprünglich sei man in den Planungen von 20.000 Hektolitern ausgegangen, sagt Axel Ohm, der bei Ratsherrn für das Marketing verantwortlich ist.

Zu dem schleppenden Absatz könnten die häufigen Strategiewechsel bei Ratsherrn beigetragen haben. Zunächst positionierte man die Marke als norddeutsches Premium-Bier, eine neue Variante des traditionsreichen Hamburger Pilseners, das erstmals im August 1951 von der mittlerweile verschwundenen Elbschloss-Brauerei ausgeschenkt wurde.

Im Frühjahr vergangenen Jahres schwenkten die Marketingstrategen dann aber um und bewarben Ratsherrn nun als Teil der internationalen Craft-Beer-Szene. Der Begriff stammt aus den USA und bezeichnet handwerklich hergestellte, individuell gebraute Biere. "Just Craft. Real Taste" steht denn auch auf den Flaschen. Der englische Slogan wird von Brancheninsidern allerdings als gewöhnungs- und erklärungsbedürftig eingestuft. Ältere Ratsherrn-Trinker, die die Marke noch von früher kennen, dürften kaum etwas damit anfangen können.

Deutlich verzögert hat sich zudem die Eröffnung des Braugasthauses, das die lange verschwundene Marke eigentlich schon seit Sommer vergangenen Jahres in der Stadt wieder bekannt machen und als Heimat des Bieres dienen sollte. Die Umbauten der denkmalgeschützten Hallen auf der Schanze bereiteten den Eigentümern offenbar deutlich mehr Probleme als erwartet. Wegen der schleppenden Fortschritte wechselten die Auftraggeber den Projektentwickler aus. Intern sei zwischenzeitlich von "unserer kleinen Elbphilharmonie" gesprochen worden, unkte denn auch das Branchenmagazin "Inside".

Was Ratsherrn durch den verspäteten Eröffnungstermin entgangen ist, zeigen die Zahlen des Blockbräus an den Landungsbrücken. Rund 400.000 Gäste strömten seit der Eröffnung im Frühjahr vergangenen Jahres in die Gasthausbrauerei - sehr zur Freude des Hamburger Steakhousekönigs und Eigentümers Eugen Block.

Mit der nun geplanten Einweihung des Ratsherrn-Gasthauses am Montag wollen die Konkurrenten in der Schanze ihre Aufholjagd starten. Als Partner und Geschäftsführer haben sie Patrick Rüther mit ins Boot geholt, der in der Hamburger Gastroszene kein Unbekannter ist: Zusammen mit Fernsehkoch Tim Mälzer betreibt Rüther schon das benachbarte Restaurant Bullerei, das beim Publikum ausgesprochen beliebt und regelmäßig ausgebucht ist.