Abendblatt-Gespräch mit Yasuhisa Toyota. Der Akustiker zeichnet für den Raumklang im neuen Hamburger Konzerthaus verantwortlich.

Hamburg/Paris. Wer mit Yasuhisa Toyota sprechen will, muss Glück haben, um ihn in irgendeiner Zeitzone zwischen zwei Flügen zu erwischen. Nachdem er kürzlich für Gespräche über die Neuausrichtung des Elbphilharmonie-Projekts in Hamburg war, erreichten wir den japanischen Akustiker, der mit seiner weltweit gefragten Firma Nagata Acoustics für den Klang des Großen Saals verantwortlich ist, in einem Hotel in Paris.

Anlass für das Gesprächs war die Kritik von Uwe M. Stephenson, Professor für Raumakustik an der HafenCity Universität. Er hatte der Stadt vorgeworfen, dem renommierten Akustiker keinerlei messbare Vorgaben gemacht zu haben und dessen Arbeit auch nicht zu kontrollieren - das sei "unverantwortlich", so Stephenson. Toyota habe zwar zu Recht einen hervorragenden Ruf, aber in Fachkreisen gebe es doch erhebliche Zweifel, ob ein als runder "Weingarten" konstruierter Saal mit großer Deckenhöhe wie der der Elbphilharmonie überhaupt Weltklasse klingen könne.

Auch die Grünen in der Bürgerschaft hatten das Thema aufgegriffen und ein zweites Gutachten zum Akustikkonzept gefordert. "Es ist untragbar, dass niemand für die Akustik haften will", sagte Elbphilharmonie-Expertin Eva Gümbel.

Hamburger Abendblatt: Was sagen Sie zu der Kritik von Professor Stephenson, dass der Große Saal der Elbphilharmonie mit 30 Metern viel zu hoch sei für eine exzellente Akustik?
Yasuhisa Toyota: Er hatte mich bei früheren Konferenzen darauf angesprochen. Aber die akustisch bedeutsame Deckenhöhe durch den Reflektor über der Bühne ist viel niedriger, sie beträgt etwa 15 Meter. Das ist in etwa die Höhe der Disney Hall in Los Angeles oder in anderen Sälen, die wir in letzter Zeit entworfen haben. Nagata Acoustics hat also sehr viel Erfahrung damit und ich denke, das wird funktionieren.

Steht die Architektur des Großen Saals in Form eines Weingartens letztlich einem optimalen Klangerlebnis im Wege?
Toyota: Das hätte ich viel früher gefragt werden müssen, jetzt sind wir in der Konstruktionsphase. Aber unsere Zusammenarbeit mit den Architekten ist sehr erfolgreich gewesen. Fast alle unsere Vorschläge sind in die tatsächliche Gestaltung des Saals übernommen worden.

Wie garantieren Sie den Hamburgern einen optimalen Klang und dass der Wunsch der Stadt erfüllt wird, eines der zehn besten Konzerthäuser der Welt zu bekommen?
Toyota: Da müssten wir über die Bedeutung des Wortes Garantie sprechen. Wenn es um eine juristische Bedeutung geht, ist es sehr schwer für mich, das zu kommentieren. Ich glaube, der Saal wird einer der besten der Welt werden. Daran glaube ich. Aber Garantie? Niemand kann eine Garantie geben, auch andere Akustiker können das nicht.

Professor Stephenson sagt, man könne einige wichtige Parameter wie die Nachhallzeit oder den Seitenschallgrad berechnen und für die Saalplanung entsprechend Vorgaben machen. Was macht für Sie den Unterschied zwischen physikalischen Berechnungen und dem emotional erlebten Klang eines Saals aus?
Toyota: Es gibt sehr große Unterschiede zwischen den physikalischen Berechnungen und dem tatsächlichen Höreindruck während eines Konzerts, der das Wahrnehmen von Musik ganz anders bewertet. Und wir rechnen während unserer Arbeit natürlich nicht mit Musik. Es ist so gut wie unmöglich, diese beiden Dinge miteinander zu vergleichen. Wie bewertet man Qualität mit Zahlen? Das ist unmöglich. Denken sie zum Vergleich an einen Whisky, der vielleicht einen bestimmten Alkoholanteil hat, was aber noch nichts über seine Güte oder seinen Geschmack aussagt. 50 Prozent finden ihn womöglich wunderbar, den anderen 50 Prozent gefällt er nicht. Was tun? Letztlich ist die raumakustische Performance etwas sehr Subjektives, das nicht gemessen werden kann.

Die Stadt will ihren Akustikbericht nicht veröffentlichen und verweist auf Ihre "Betriebsgeheimnisse". Warum ist Ihr Rechenmodell solch ein großes Geheimnis?
Toyota: Das ist unser Geschäftsmodell. Das geben wir nicht preis und das finde ich natürlich richtig.

Also ist das in etwa so wie mit dem legendären Coca-Cola-Rezept, das blickdicht in einem Safe des Konzerns liegt. Würden Sie dann Ihre Ergebnisse zur Kontrolle durch jemand anderen freigeben, wenn es hier in Hamburg von Ihnen verlangt würde?
Toyota: Das ist eine sehr schwierige Frage. Es kommt sehr auf den Einzelfall an. Generell betrachtet, kann ich nicht sagen, dass wir alles preisgeben. Das Endergebnis ist wichtiger als dieser Prozess. Dieses Ergebnis ist alles, was zählt.

Kommende Woche sollen die Verträge neu geordnet werden. Wer ist danach eigentlich Ihr Vertragspartner - Hochtief oder weiterhin Herzog & de Meuron, aber dann als Subunternehmer von Hochtief?
Toyota: Wir sind sehr froh über die laufende Diskussion, die ja aber noch nicht beendet ist.

Reden wir über Akustik: Wie kann es nur eine optimale und finale Position für den Reflektor-Trichter unter der Decke geben, wenn der Saal doch mit ganz unterschiedlichen Musikarten bespielt wird?
Toyota: Die Form des Elbphilharmonie-Konzertsaals ist in erster Linie für klassische Musik entworfen worden, vor allem für Orchesterkonzerte. Auch in anderen Sälen, die wir gestaltet haben, haben wir ähnliche Deckenhöhen wie in der Elbphilharmonie, und dort funktionieren sie mit einer fixierten Decke wie hier in Hamburg auch für andere Besetzungen.

Das heißt, Sie haben Nachteile bei lautsprecherverstärkten Konzerten?
Toyota: Bei solchen Konzerten ist die Form des Raums viel unwichtiger. Da wird unter anderem mit Vorhängen gearbeitet werden, um die Klangqualität der Lautsprecher effektiver zu machen.

Wie oft haben Sie bei bisherigen Projekten am Ende nachjustieren müssen und in welchem Ausmaß?
Toyota: Wenn erst einmal tatsächlich Musiker auf der Bühne waren, gab es noch viele Änderungen, aber die haben sich während der Proben vor allem in der sich dramatisch verbessernden Qualität der Musik abgespielt. Normalerweise machen wir fast nichts. Wir müssen abwarten und genau beobachten, was die Musiker tun. Zeit ist dabei einer der wichtigsten Faktoren. Zweite Proben sind meistens viel besser als die ersten. Die Ensemblequalitäten verbessern sich, bei der ersten Begegnung ist noch alles neu für die Musiker. Sie müssen erst erleben, wie sie sich selbst dort hören. Deswegen ist dieser Prozess auch so wichtig. Manchmal wird auch die Anordnung der Musiker auf der Bühne variiert. Wir geben Ratschläge. Das ist unser Stimmvorgang des Saals. In Helsinki oder Kopenhagen, um einige jüngere Projekte zu nennen, haben wir so gut wie nichts getan.

Was haben die Überprüfungen Ihrer Berechnungen durch den Generalplaner Herzog & de Meuron ergeben, die es laut Aussage der Kulturbehörde gegeben haben soll?
Toyota: Wenn Herzog & de Meuron unsere Arbeiten in diesem Sinn bewerten könnten, würden sie mich nicht benötigen.

Verstehen Sie dann die aktuelle Kritik, dass es offenbar keinerlei Garantie für guten Klang gibt und dass Hochtief die Haftung dafür ablehnt?
Toyota: Bei einem solchen Projekt gibt es keine 100-Prozent-Garantie und keinen 100-Prozent-Schutz. Wir haben hier nichts kopiert - das wäre ein Desaster -, sondern etwas Einzigartiges geplant. Wir geben unser Bestes und müssen das Ergebnis abwarten. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.

Aber auch ich werde nicht verhindern können, dass nach dem ersten Konzert im Großen Saal der Elbphilharmonie ein Teil der Zuschauer von der fantastischen Akustik schwärmt und andere sagen, sie hätten sich vom Klangerlebnis mehr versprochen.