Aktionstag gegen Milliarden-Sparprogramm. Hamburger Beschäftigte in Sorge um ihre Jobs. Wassersparte in Barsbüttel vor Verkauf.

Hamburg. Sechs Milliarden Euro will Siemens in den kommenden Monaten einsparen, Tausende Stellen sind bedroht, und das Ziel des Industriekonzerns hinter diesem Sparkurs lässt sich in einem Satz formulieren: Die Rendite soll von neun auf zwölf Prozent steigen. Nun gehen die Mitarbeiter gegen den von Vorstandschef Peter Löscher "Siemens 2014" titulierten Plan auf die Barrikaden. Auch in Hamburg, wo 1300 Menschen für die Firma arbeiten.

Nachhaltiges Wirtschaften fordern sie, zumal in einer Zeit, in der Siemens in seine Zukunftstechnologien wie Windenergie, Gebäudedämmung oder Verkehrsplanung investieren müsste, anstatt auf das schnelle Geld zu schielen. Die Kosten bis 2014 um sechs Milliarden Euro senken zu wollen, sei der falsche Weg. "Unser Haus wurde groß, weil ihm das Morgen wichtiger war als das Heute, der technische Fortschritt mehr galt als der schnelle Gewinn und weil es sich stets eingedenk war, dass sein köstlichster Besitz die Menschen sind, die ihr Schicksal mit dem seinen verknüpft haben. Gerade diesen Besitz zu pflegen, wird auch mir eine Herzensangelegenheit sein", zitieren sie den einstigen Siemens-Aufsichtsratschef Ernst von Siemens in einem Flugblatt.

Am morgigen Donnerstag wollen die Siemens-Beschäftigten nun bundesweit einen Aktionstag begehen, und damit ein erstes Zeichen setzen gegen das Programm. "Wir stehen vor einem Jahr des Widerstands", droht der Gesamtbetriebsrat in München dem Arbeitgeber. Unterstützung gibt es durch die bei Siemens einflussreiche IG Metall. Schließlich sitzen ihr Chef Berthold Huber und Gewerkschaftsvorstand Jürgen Kerner im Aufsichtsrat des Konzerns mit seinen bundesweit 130.000 Beschäftigten. "Auch wir beteiligen uns am Aktionstag und werden nächste Woche außerdem fünf Betriebsversammlungen abhalten", sagte Thomas Ahme, stellvertretender Betriebsratschef von Siemens im Norden am Dienstag dem Abendblatt. Es ist zwar noch völlig unklar, inwieweit das Sparprogramm des Konzerns Norddeutschland betrifft. Auch das Unternehmen selber wollte sich dazu nicht äußern. "Aber ein solches Einsparvolumen wird nur zu erreichen sein, wenn die Belegschaft reduziert wird", schätzt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste.

In Hamburg ist Siemens mit den Bereichen Industrie, Infrastruktur, Energie und Medizintechnik vertreten, wobei hier vor allem Marketing und Vertrieb sitzen, keine nennenswerte Produktion. Bisher gilt bei dem Konzern noch eine Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Außerdem plant Siemens im Norden einen starken Ausbau seiner Windenergiesparte, der in den kommenden Jahren bis zu 1000 neue Jobs bringen könnte. Der Siemens-Chef für Norddeutschland, Michael Westhagemann, engagiert sich dabei auch als Netzwerker in der gesamten Region.

Die Unruhe bei Siemens in Hamburg betrifft denn auch andere Bereiche, die hier angesiedelt sind: Nach Spekulationen über geplante Verkäufe in den Bereichen Verkehrsleittechnik und Gebäudetechnik, die aber dementiert worden sind, sorgen sich besonders die Mitarbeiter der Wassersparte um ihre Zukunft. Für die 70 Beschäftigten, die in Barsbüttel reines Wasser für Labore herstellen, bestätigte Betriebsrat Ahme die Gerüchte. "Dieser Bereich soll abgestoßen werden, über einen Käufer gibt es aber noch keine Informationen." In Kiel sind noch einmal 50 Kollegen betroffen, deren Bereich Schaltanlagen laut Ahme auslaufen soll. Es seien Mitarbeiter der internen Unternehmensberatung von Siemens vor Ort, die Einsparpotenziale sondieren sollen.

Der Konzern hatte in den vergangenen Monaten immer wieder Korrekturen seiner Kernbereiche angekündigt, kappt neben der Wasseraufbereitung unter anderem auch die Solartechnik. Die Gewerkschaft rechnet durch das Sparprogramm "Siemens 2014" nun bundesweit mit bis zu 5000 bedrohten Stellen. Sie setzt diesen Plänen ein Langfristkonzept namens "Siemens 2020" entgegen, das dem Konzern einen längeren Atem bei Zukunftsinvestitionen ermöglichen soll. "Wir brauchen ein nachhaltiges Denken", sagt IG-Metaller Geiken.

Betriebsrat Ahme kritisiert, dass die Mitarbeiter nach vielen Umbauten und Ausgliederungen in den vergangenen Jahren einen Zickzackkurs beklagten und Zukunftsperspektiven vermissen würden. Das kurzfristige Planen nach Gewinnzielen und die einseitige Orientierung am Kapitalmarkt schadeten dem Unternehmen. "Wir verlieren bereits gute Leute, die das nicht mehr mitmachen wollen", sagte Ahme. Der Konzern verspiele Vertrauen, und das in Zeiten des Fachkräftemangels.