Ich bin evangelisch. Der Bischof von Rom ist nicht mein Papst. Aber wenn Leute seinetwegen aus der Kirche austreten, bekomme ich das auch als evangelischer Pastor zu spüren. Wenn er beim Weltjugendtag die fröhlichen Massen fasziniert, bin ich am Fernseher dabei. Der Papst steht für Kirche überhaupt. Weil die Seele nicht unterscheidet zwischen Konfessionen.

Die Seele liebt Könige. Sie mag es, wenn einer für alles steht. Das ist fein übersichtlich, und man kann lästern oder austreten oder nach Rom pilgern. Man kann unter dem päpstlichen Balkon stehen und jubeln, wenn sich das Kirchenoberhaupt zeigt und fühlt sich ein bisschen groß. Ich kenne in meiner Seele eine kleine Sehnsucht nach einem, der als Stellvertreter Gottes auf Erden kluge Sachen sagt, der vielleicht eine andere Art König darstellt - nach einem, der weise ist und die Menschen kennt. Er soll kein Geld nehmen von Telefonfirmen, damit sie im Vatikan tennisplatzgroße Werbebanner aufhängen. Er soll das Töten beenden und den Menschenhandel und die Einsamkeit meiner Nachbarin. Aber das alles kann er nicht. Er ist genau wie alle in Skandale verstrickt. Warum also dieser Aufwand mit Vatikan und Oberhaupt und Hofstaat? Weil die Seele zu Fuß geht - sie ist langsam. Und sie liebt es, wenn es einen König gibt, der behauptet, die Herzen zu regieren. Und sie glaubt plötzlich für Momente an das Gute.

Obwohl der König keine Macht hat und sich weltfremd zeigt. Und sie ist irritiert, wenn er geht, und sie weiß gar nicht, warum sie irritiert ist. Denn der Verstandesmensch lächelt über den ganzen "Zirkus". Aber die Seele schaut genau hin und sieht an diesem Papst, wie es ist, wenn man nicht am Königsein klebt. Weil er noch an etwas anderem hängt, das ihm wichtiger ist: Beten, bei Gott sein und in einem freien Geist den letzten Weg gehen. Das sehe ich mit Respekt und bin weiter evangelisch und frei und dabei oft schneller, als es meiner Seele guttut. Darum bete ich, bin gern bei Gott und gehe meine Wege häufiger so, als wären es meine wichtigsten.

thomas.hirsch-hueffell@gottesdienstinstitut.nordkirche.de