Eine Woche TV-Verzicht? Kein Problem, dachte Autorin Vanessa Seifert - bis es losging. Ausgerechnet an einem Sonntag

Hamburg. Die siebenwöchige Fastenzeit, die am Aschermittwoch begonnen hat, nutzt das Hamburger Abendblatt für eine Serie: Sieben Tage lang verzichtet ein jeweils anderer Autor auf etwas, das ihm wichtig ist. In Folge 2 hat sich die Autorin ein Fernsehverbot auferlegt.

Bitte nicht die Kölner Kommissare. Und auch nicht Borowski und Brandt aus Kiel. Hoffentlich ermitteln auch Eva Saalfeld und Andreas Keppler - privat geschieden, beruflich vereint - an diesem Abend nicht. Ein kurzer Blick auf den Dienstplan, also ein schnelles Blättern in der Programmzeitschrift, die, wie gewohnt, auf dem Wohnzimmertisch liegt. Glück gehabt - meine "Tatort"-Teams haben frei. Sonst wäre ich möglicherweise in Versuchung gekommen - und das schon am ersten Tag ohne ... TV.

Nein, ich sehe gar nicht so besonders viel fern. Auf die 232 Minuten, die der Deutsche nach Angaben der Marktforscher von Media Control jeden Tag durchschnittlich in die Röhre guckt, komme ich jedenfalls selten.

Aber den Krimi zur besten Sendezeit am Sonntag, den verfolge ich so gewissenhaft wie die Polizisten auf dem Bildschirm 90 Minuten lang die Täter. Ein Ritual, das das Ende des Wochenendes markiert. Ich hätte also auch am vergangenen Sonntag eingeschaltet und mich womöglich "trotz Lesbenszenen gelangweilt" - wie die Kritiker, die die Folge aus dem Schweizer Karneval in ihren Rezensionen am Montag irgendwo zwischen Halloween und "Illuminati" einsortierten. Ihr Urteil: "völlig verzichtbar". Also alles richtig gemacht, denke ich.

Was ich gemacht habe? Nun ja, zunächst hielt ich den Abend für die perfekte Chance, nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder den besten Freund am anderen Ende der Republik anzurufen. Gut, Sebastian in München sah das ein bisschen anders. "Du kannst doch jetzt nicht anrufen, der 'Tatort' läuft." Richtig, Sebastian fastet nie beim "Tatort" - nicht mal, wenn es um Fasching in Luzern geht. Also kochte ich einen Tee und las - und schaffte endlich auch mal deutlich mehr von Maxim Billers Selbstporträt als jene zehn Seiten kurz vorm Einschlafen, die ich am nächsten Abend sowieso immer noch einmal lesen muss, weil ich leider nichts mehr erinnere. Außer den Traum danach.

Während der Arbeitswoche fällt mir das kleine Experiment des Fernsehentzugs natürlich nicht weiter schwer. Sieben Tage ohne, das halte ich spielend aus, denke ich noch auf dem Heimweg. Bis ich am Montagabend fast intuitiv nach der Fernbedienung greifen will. Ich weiß, wie spät es ist - und muss dafür nicht einmal auf die Uhr schielen. Gleich würde ich den Gong hören. 19.59 Uhr. Zeit für die "Tagesschau". Na gut, ich lege die Fernbedienung zurück. Marc Bator oder Judith Rakers oder Susanne Daubner in Lokstedt und auch der ARD-Korrespondent in Rom bleiben einen Knopfdruck entfernt. Ausgerechnet heute, an diesem historischen Tag. Wann tritt schon der Papst zurück? Klar, ich hatte am Tag schon viel darüber gelesen und gehört - gesehen hätte ich die Bilder dazu dann aber doch gern.

Am Dienstagabend bin ich sowieso abgelenkt - beim Sport. Doch wenn ich sonst nach Hause komme, dann greife ich gern mal nach der "Macht", wie bei uns zu Hause die Fernbedienung immer genannt wurde. Weil der, der sie in den Händen hält, das Programm bestimmt. Für alle. Und dann mache ich das, womit ich schon viele in den Wahnsinn getrieben habe: Ich zappe sehr, sehr schnell einfach mal so durch sämtliche Programme. Zur Zerstreuung, aus Gewohnheit. Mal gucken, was so läuft. Ein bisschen Talkshow hier, ein bisschen "Dallas" da. Auf der Southfork Ranch war ich in der Woche zuvor auf diese Weise ein ganzes Stündchen hängen geblieben. Kann man mal machen, muss man aber nicht. Also gehe ich einfach mal früher schlafen - und fühle mich besser. Vor allem am nächsten Morgen.

Mittwochs haben die Arztpraxen in Deutschland am Nachmittag ja geschlossen, dafür operieren die Mediziner an der amerikanischen Westküste abends bei Pro 7 alles weg, was zwischen Seattle und Los Angeles eingeliefert wird. Und leiden dabei selbst an allergrößtem Liebesschmerz, der meist durch Kollegen aus dem OP ausgelöst wird. Ich muss gestehen: Ich wusste gleich - wenn überhaupt, dann wird dieser Abend die härteste Probe. Weil ich ungefähr so gern "Grey's Anatomy" und "Private Practice" sehe wie mein Vater sonnabends die "Sportschau". Er spricht da gern von der "heiligen Stunde". Aber die Entzugserscheinungen hielten sich Grenzen, obwohl ich an die wöchentliche Dosis gewöhnt bin. Denn ich hatte mir gleich eine Ersatzdroge verordnet: einen Abend mit Freunden. Viel geredet, viel gelacht, viel gegessen. Die Folge, in der es um den Verzicht von Mahlzeiten geht, hat ja zum Glück eine Kollegin übernommen, denke ich. Das muss wirklich schwierig sein.

Meine Woche ohne TV ist schon fast vorbei. Donnerstag ist Valentinstag, und wir gehen aus. Und am Freitag? Da hatte ich nichts vor und bin, einmal mehr in dieser Woche, zum Sport gegangen. Tja, man kann die Zeit, die man vorm Fernseher verbringt, sinnvoller nutzen. Das war mir vorher schon klar, aber nach dem kleinen Experiment dann auch richtig bewusst. Wahrscheinlich müsste ich die Herausforderung des Verzichts auf die vollen 40 Tage der Fastenzeit bis Ostern ausdehnen, damit ich ernsthaft in Versuchung komme, den Fernseher einzuschalten.

Andererseits ist morgen ja schon wieder Sonntag. Ich könnte schon mal nachsehen, wer Dienst hat. Harald Krassnitzer ist als Chefinspektor Moritz Eisner mit Adele Neuhauer als Bibi Fellner in Wien im Einsatz.

Nicht meine Favoriten, muss ich also nicht unbedingt sehen. Aber gucken werde ich den "Tatort" schon.