Der Aufbau von Offshore-Windparks bietet der Küstenregion eine enorme Chance

Die Gestalter der deutschen Energiewende stecken in einem Dilemma. Der Umbau der Stromversorgung muss für die Menschen - vor allem für jene mit geringen Einkommen - bezahlbar bleiben. Zugleich brauchen Investoren verlässliche Rahmenbedingungen, wenn sie große Summen mit sehr langfristigen Geschäftsplänen in Anlagen und Bauten für erneuerbare Energien investieren.

Die Entwicklung der Strompreise zeigt die Widersprüche des Systems. Die Nettopreise an den Strombörsen sinken, weil immer mehr Windturbinen und Solaranlagen günstig Strom ins Netz hineinproduzieren. Dennoch sinkt der Endpreis nicht, denn die Eigentümer von Wind- und Sonnenkraftwerken bekommen auf 20 Jahre garantierte Festpreise. Je billiger der Strom wird, desto mehr an Umlage müssen die Verbraucher bezahlen. So gerät die Energiewende durch ihren eigenen Erfolg in Misskredit.

Der Umbau der Energieversorgung braucht hohe Investitionen und wird zunächst einmal teuer. Deshalb muss die Last optimal auf die gesamte Volkswirtschaft verteilt werden. Ausnahmen und Befreiungen für Unternehmen müssen so weit wie irgend möglich gestrichen werden.

Eine Energiewende ist kein Wunschkonzert. Das gilt auch für Investoren. Die Höhe der garantierten Einspeisevergütungen muss genauso auf den Prüfstand kommen wie deren Laufzeiten. Womöglich muss die öffentliche Hand Kapital für erneuerbare Energien auch anders mobilisieren, etwa durch stärkere steuerliche Erleichterungen für Investoren.

Denn klar ist auch: Deutschland wird von dieser Energiewende langfristig und erheblich profitieren. Es geht um ein System, das Strom - und daraus abgeleitet auch Kraftstoffe - mit geringem Ausstoß von Kohlendioxid und hoher Sicherheit bei der Versorgung produziert. Es ist richtig, dass Deutschland als leistungsfähigste Industrienation der Welt beim Aufbruch in diese neue Ära vorangeht.

Dafür allerdings sind Offshore-Windparks vor den Küsten von Nord- und Ostsee unverzichtbar. Vor allem dem Norden bietet dieses Jahrhundertprojekt auch eine historische Chance. Mit Tausenden Windkraftanlagen an Land und auf dem Meer kann Norddeutschland zum künftigen Energiezentrum, zum Kraftwerk für ganz Deutschland werden. Das ist vergleichbar mit der Industrialisierung, mit dem Aufbau der Eisenbahn oder dem Siegeszug des Automobils.

Der Aufbau von Kraftwerken auf dem Meer ist der komplizierteste und riskanteste Teil der Energiewende. Er setzt hohen technologischen und wirtschaftlichen Einsatz voraus. Die Länder und Gemeinden an der Küste haben ihre Chance für einen industriellen Aufbruch erkannt und teils beachtliche Vorleistungen erbracht. Auch etliche Unternehmen und Forschungsinstitute zeigen Pioniergeist und gestalten den Offshore-Markt engagiert und mit brillanten Ideen.

Doch gerade Konzerne wie EnBW, RWE oder Dong aus Dänemark, die im Offshore-Geschäft eine Schlüsselrolle spielen, bremsen in jüngerer Zeit den Elan bei ihren Projekten in der deutschen Nordsee. Für den Markt sind das schlechte Signale. Zum einen ist der Aufbau von Windparks auf See, die Fertigstellung von Landanschlüssen und die Produktion extrem teurer Einzelstücke - etwa von Umspannwerken - nicht optimal aufeinander abgestimmt. Die einzelnen Teile des Systems arbeiten nicht synchron. Teure Verzögerungen, aber auch Auftragslücken sind die Folge.

Eine wichtige Rolle spielt aber auch, dass die beteiligten Unternehmen mit Projekten andernorts kurzfristig bessere Renditen erzielen können. Betriebswirtschaftlich mag das im Einzelfall sinnvoll sein. Gemessen an der Bedeutung allerdings, die der Aufbau einer neuen Energiewirtschaft für das gesamte Land hat, ist diese Haltung nach- bis fahrlässig.