Mit Spezialausrüstungen kann sich das mehr als 100 Jahre alte Geschäft Ernst Brendler auch gegen die Konkurrenz im Internet behaupten

Hamburg. "Toll, dass es Sie gibt. Machen Sie weiter so!", bekommt Ingrid Osthues, geborene Brendler, gelegentlich von Besuchern ihres Geschäfts zu hören. "Ja, toll", sie lacht herzhaft. "Ich sag dann: ,Danke schön für den Besuch.' Ist ja auch nett." Da zeigt sich die Kauffrau und Inhaberin des Hamburger Spezialgeschäfts für Marine- und Tropenausrüstung Ernst Brendler ganz hanseatisch, zuvorkommend eben. Gekauft haben diese Gucker zwar nichts, aber Osthues sieht sie in ihrem Familienbetrieb trotzdem gern.

"Shopping ist Event. Und Geschäfte sind Event", sagt die Fachfrau. Ihr Laden gegenüber den Hamburger Rathausmauern, zwischen zwei sanierten Kontorhäusern, bedrängt von Filialisten, hat auf zwei Etagen einiges zu bieten. Schon die Schaufenster verraten, dass hier kauft, wer Schutz vor Sonne und Mückenstichen sucht oder beim Segeltörn warm verpackt sein möchte. Accessoires wie Staubwedel aus Straußenfedern oder Moskitonetze tun ihr Übriges, um Passanten anzulocken. Zwar ist ihr Sortiment vorrangig auf Männer ausgerichtet, aber auch Frauen greifen bei den Kleidungsstücken zu, "wenn auch seltener".

Mit ihrer Einstellung liegt die Geschäftsfrau auf Kurs: "Für den stationären Einzelhandel kommt es vor allem darauf an, den Kunden immer wieder neue Erlebnisse zu verschaffen, die das Internet nicht bieten kann", hieß es jüngst im Magazin der Handelskammer. "Zu unseren Gunsten sind auch die Touristenströme", ergänzt die gebürtige Hamburgerin. "Die nehmen auch im Hochsommer einen dicken Marinepullover mit." Derzeit bereitet Osthues ihr Geschäft auf die Hauptsaison von Mai bis Anfang September vor. Jetzt sei die Zeit, wo sich alles sortiert, wo es ein paar Lagerlücken gibt, sagt Osthues. Bis zu 300 Textilien, schätzt sie, habe sie im Programm.

Im Parterre erwarten den Kunden Klassiker wie Baumwollhosen, Troyer (Seemannspullover) und Leinenanzüge - diese auf Bügeln, die mit Inschriften wie "75 Jahre Brendler" von vergangenen Firmenjubiläen zeugen. 1897 gründete Osthues' Urgroßvater Ernst Brendler das Geschäft, damals eine Uniformschneiderei an den Landungsbrücken, dort, wo die Großsegler lagen, dort, wo Offiziere und Matrosen vorbeikamen - die Kundschaft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Osthues Vater, ebenfalls namens Ernst Brendler, den Laden weiter. Im ersten Stock hat eine mächtige Vitrinenfront aus Eiche mit unzähligen Schüben die Jahrzehnte überlebt. Sorgfältig sortiert, vor Staub geschützt, liegen Hemden und Offiziersmützen in den Fächern. In Schubladen werden Goldknöpfe und Abzeichen für Uniformen verwahrt. Als der Vater starb, im Jahr 1994, übernahm Osthues den Familienbetrieb.

"Ich selber kann nicht nähen, aber ich sehe es, wenn eine Arbeit schlecht geworden ist", sagt die Kauffrau. Gemeinsam mit ihrem Mann kleidet sie heute noch Bedienstete der Deutschen Marine ein, "vom Leutnant aufwärts". Und natürlich Fahrensleute der Reedereien. Darüber kämen rund 30 Prozent der Erlöse herein, ein Zehntel über Versandhandel inklusive Online-Order. "Der Rest ist stationäres Geschäft. Und das muss laufen."

Mit ihrem Wissen aus Kindertagen schätzt sie ab, ob Passanten in Kauflaune sind: "Tüten zählen, sagte mein Vater immer. Werden auf der Großen Johannisstraße viele Tüten vorbeigeschleppt, spricht dies für gute Verkäufe in der Stadt." Über ihre Umsatzzahlen schweigt sich Osthues aus, nur so viel: Zwar seien die Erlöse rückläufig, aber mit den vergangenen Geschäftsjahren sei sie zufrieden. Eine Kontoristin und drei weitere Mitarbeiter gehen dem Ehepaar zur Hand. "Wir sind noch sehr konventionell."

Klassisch sind auch die blauen Anzüge, mit denen sich Hamburger Anwälte bei Osthues "alle zwei Jahre" eindecken - oder der Stutzer, ein einst für Matrosen gekürzter Mantel. Diese doppelreihig geknöpfte Joppe (Jacke) kam nach ihrem Bekunden schon vor etwa 100 Jahren so schlicht daher. "Damit gehen wir rein und raus aus der Mode." Und eine wetterfeste Rindslederjacke, entwickelt für Männer auf Versorgerschiffen zu Bohrinseln, werde heute von Motorrollerfahrern oder Architekten auf Baustellen getragen, berichtet die Kauffrau.

Mit ihrem Marinesortiment - eine Uniformjacke ohne Tressen kostet knapp 400 Euro - stattet Osthues nicht nur reale Seefahrer aus. Für den "Untergang der Pamir" kleidete sie auch die mitwirkenden Schauspieler Jan Josef Liefers und Dietmar Bär ein. Eine eigene Schneiderwerkstatt hat die Familie zwar seit Ende der sechziger Jahren nicht mehr, aber ihre Bekleidungsstücke werden nach eigenen Entwürfen gefertigt. Und für Änderungen am Outfit gibt es einen Vertragspartner.

Eine ausführliche Beratung ist für Verkäuferin Osthues ebenso selbstverständlich wie die adrette Warenpräsentation. So hat sie den Tropenhelm zwar noch im Sortiment, "aber er ist eigentlich nur noch für Karneval oder Partys gedacht". Reisenden nach Afrika oder Indien rät sie angesichts der dort noch erinnerten Kolonialismushistorie vom Tragen ab, der Griff zur Schirmmütze mit Nackenschutz ist ihr da schon lieber. Unverwüstlich ist ihr Klassiker, die Khakihose in mehreren Farbnuancen. "Baumwollgewebe, hochwertiger Vollzwirn" sind für Osthues keine Fremdworte.

Auf solche Fachkunde im stationären Handel legt die Geschäftsinhaberin großen Wert. Vielleicht kann sie ihren Betrieb an die nächste Generation weitergeben. Zwei Söhne im Alter von 19 und 20 Jahren haben sich in kaufmännischen Ausbildungen auf den Weg gemacht. In fünf Jahren könnte es so weit sein, deutet die 54-Jährige an. "Doch sie werden dann mitentscheiden, sollen überlegen, was sie aus dem Betrieb machen wollen." Ist die Firmennachfolge geklärt, hätte das Kaufmannspaar mehr Zeit - zum Reisen nach Namibia, Südafrika, Australien.

Den Hamburger Einzelhandelsverband würde es freuen, bliebe ein weiteres Bekleidungsfachgeschäft am Leben. Waren 1980 noch rund 590 von ihnen im Verband organisiert, sind es heute nur noch rund 50. Oft seien Familienmitglieder nicht an der Übernahme interessiert, weil sie wüssten, wie viel Zeit in das Geschäft investiert werden müsse, sagt Verbandssprecher Wolfgang Linnekogel. Ein Zwölf- bis 16-Stunden-Tag sei keine Ausnahme, auch angesichts der langen Ladenöffnungszeiten. Und die Rendite im Textileinzelhandel sei niedrig: "Drei bis fünf Euro auf 100 Euro - das ist der Verdienst", sagt Linnekogel. Dennoch versucht er Mut zu machen: "Es gibt schließlich kaum eine Branche, in der Sie mit 30 Jahren schon Chef sein können."