Zehn Prozent des Unterrichts im November und Dezember 2012 von Vertretungslehrern gegeben. Senat legt Zahlen für alle Schulen vor.

Hamburg. Es ist eine entscheidende Kennziffer für die Qualität und Intensität des Unterrichts, aber über Schülergenerationen hinweg war es ein gut gehütetes Geheimnis: Wie viele Unterrichtsstunden fallen an den Hamburger Schulen aus? Die Daten wurden, von seltenen Stichtagserhebungen abgesehen, nicht zentral in der Schulbehörde gesammelt und ausgewertet.

Es bedurfte offensichtlich erst eines senatorablen Donnerwetters, damit sich daran etwas ändert. Seit Anfang November müssen alle 347 allgemeinen Schulen Woche für Woche die Zahl der regulär gegebenen, der vertretenen und der ausgefallenen Unterrichtsstunden für jede Klassenstufe an die Schulbehörde melden. So hat es Schulsenator Ties Rabe (SPD) angeordnet. Ausgenommen ist lediglich die kleine Inselschule auf Neuwerk.

Der Senat hat in seiner dem Abendblatt vorliegenden Antwort auf eine Kleine Anfrage des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Lars Holster nun erstmals die Ergebnisse der flächendeckenden Erhebung des Unterrichtsausfalls für die ersten beiden Monate mitgeteilt. Besonders auffällig sind die erhöhten Stundenausfälle in der Sekundarstufe I und zum Teil auch der Oberstufe der Stadtteilschulen und Gymnasien.

Im Dezember betrug der Anteil der Stunden, die ersatzlos ausgefallen sind, in den Klassen 8 bis 12 der Gymnasien in der Regel mehr als drei Prozent. In beiden Monaten zusammen fielen 25.746 Stunden ersatzlos aus. Den negativen Spitzenwert erzielten die achten Klassen mit 3,43 Prozent, der niedrigste Wert lag bei 2,53 Prozent in Klasse 11. Da es sich um Durchschnittswerte handelt, muss davon ausgegangen werden, dass an einzelnen Schulen der Unterrichtsausfall deutlich höher war. Teilweise sollen zweistellige Prozentwerte erreicht worden sein.

Sehr ähnlich ist die Lage an den Stadtteilschulen: Der Anteil ersatzlos ausgefallener Unterrichtsstunden liegt in den Klassen 7 bis 11 zwischen 2,75 und 3,56 Prozent (Klassenstufe 8). Im November sind etwas weniger Stunden ausgefallen. An den Stadtteilschulen sind es meist unter drei Prozent - Ausnahmen sind die achten, zehnten und elften Klassen. An den Gymnasien pendelte der Unterrichtsausfall zwischen 2,17 und 2,47 Prozent.

Deutlich positiver fällt das Ergebnis der Grundschulen aus: Weder im November noch im Dezember fielen in den ersten vier Klassen mehr als 0,11 Prozent aller Stunden aus. Wenn ein Lehrer krank oder anderweitig verhindert ist, müssen seine Stunden nicht ausfallen. Alle Schulen erhalten 4,8 Prozent ihres Gesamtbedarfs als sogenannte Vertretungsreserve.

Die Behörden-Statistik zeigt nun, dass der Anteil des zwar gegebenen, aber nicht planmäßig vom Fachlehrer erteilten Unterrichts immerhin bei rund zehn Prozent liegt. Dieser Wert gilt für alle Schulformen und Klassenstufen. Rund die Hälfte dieser Stunden werden von einem Lehrer, der das gleiche Fach unterrichtet, gegeben. Ein geringerer Anteil entfällt auf fachfremden Unterricht. Zum Teil werden auch nur Arbeitsaufträge erteilt, die die Schüler dann selbstständig erledigen sollen, besonders in der Oberstufe.

Schulsenator Rabe geht in einer ersten Reaktion auf die hohen Ausfallzahlen an Stadtteilschulen und Gymnasien ein, die den Unterrichtsausfall "noch nicht mit der nötigen Konsequenz" angingen. "Stadtteilschulen und Gymnasien müssen noch besser werden, schließlich haben sie die gleichen Vertretungsmittel wie die Grundschulen", sagte Rabe dem Abendblatt. Als größere Einheiten hätten die weiterführenden Schulen zudem den strukturellen Vorteil größerer Flexibilität.

Allerdings gälten gerade November und Dezember als Monate, "in denen nicht alle gesund an Bord sind". Zudem könne es sein, dass ein Teil des Unterrichtsausfalls durch die Lernentwicklungsgespräche verursacht werde, die auch in dieser Zeit stattfinden.

Rabe weist darauf hin, dass es eine Diskrepanz zwischen dem Anteil nicht regulär gegebener Stunden von rund zehn Prozent und der durchschnittlichen Krankenquote von Lehrern in Höhe von 5,5 Prozent gebe: "Die Differenz müssen wir aufklären und nach den Gründen forschen, warum der Unterricht sonst noch auszufallen droht."

Dass dem Senator das Thema Unterrichtsausfall wichtig ist, zeigte sich bei der "Barkassenfahrt" mit Abendblatt-Lesern im August. Rabe beklagte, dass es keine verlässlichen Zahlen gebe. Mitarbeiter hätten ihm gesagt, dass sich die europaweite Ausschreibung für eine geeignete Computer-Software noch länger hinziehen werde. "Da ist mir der Kragen geplatzt. Ich habe gesagt, dass ich das nicht will. Ich möchte eine robuste, handgestrickte Version, in der man vier Kreuze macht: ersatzlos ausgefallen, von einem anderen Lehrer gegeben, wegen Klassenfahrt oder Ähnlichem ausgefallen und regulär gegeben", sagte der Senator. So ähnlich ist es dann auch gekommen. "Ich bin froh, dass die Schulen sich die Mühe gemacht haben, die Zahlen per Hand einzugeben", sagte Rabe jetzt. "Wir sind noch in der Übungsphase. Wir wollen das Ganze auf solide Beine stellen." Voraussichtlich zum neuen Schuljahr soll dann die neue Software einsatzbereit sein.