Hapag-Lloyd und Hamburg Süd prüfen Fusion. Die Gespräche kommen gut voran. Zunächst bewerten Wirtschaftsprüfer die Unternehmen.

Hamburg. Es war wenige Tage vor Weihnachten, genauer am 18. Dezember 2012, als eine kurze Mitteilung zweier Reedereien weltweit für Aufsehen in der Schifffahrt sorgte. "Der Vorstand der Hapag-Lloyd AG sowie die Geschäftsführung der Hamburg Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft KG (Hamburg Süd) prüfen im Einvernehmen mit ihren Gesellschaftern, ob und unter welchen Bedingungen ein Zusammenschluss beider Unternehmen sinnvoll ist", stand dort zu lesen. Nicht mehr, nicht weniger.

Hamburg Süd ist schuldenfrei - ein großer Pluspunkt bei den Gesprächen

Ein alter Traum soll nun endlich Realität werden. Schon mehrfach gab es Überlegungen, die beiden großen Hamburger Reedereien Hapag-Lloyd und Hamburg Süd zu fusionieren. Doch am Ende kam es nie dazu. Machtinteressen einzelner Beteiligter, Angst vor dem Verlust der Unabhängigkeit und Streit um Detailfragen verhinderten den Zusammenschluss zur viertgrößten Reederei weltweit, zu einem der ganz großen Spieler auf den Meeren. Doch das Jahr 2013 könnte die Wende bringen. Auch wenn sich die Sprecher der beiden Reedereien seit dem 18. Dezember nicht mehr zur Fusion äußern ("Kein Kommentar"), erfuhr das Abendblatt aus gut informierten Kreisen, dass die Verhandlungen auf "einem guten Weg" seien. Bis spätestens Mai solle es eine Entscheidung geben.

Auf den höchsten Ebenen wird miteinander gesprochen. Und obwohl die Probleme mannigfach sind, ist der Wille zur Fusion bei allen Beteiligten groß. Auch diesmal geht es, wie bereits in der Vergangenheit, vor allem um Macht. Auf der einen Seite steht die Familie Oetker, der Hamburg Süd gehört. Patriarch August Oetker hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er einen Zusammenschluss für sinnvoll hält. Noch Mitte der 2000er-Jahre ließ er sich mit den Worten zitieren, beide Reedereien würden "sehr gut zusammenpassen". Und: "Das wäre ein herrliches Match."

Oetker dürfte auch bei den aktuellen Verhandlungen ein deutliches Wort mitreden, selbst wenn er mittlerweile nur noch dem Beirat des Konzerns, der vor allem für seine Lebensmittel (Pudding, Pizza) in der Öffentlichkeit bekannt ist, vorsteht. Nach Abendblatt-Informationen strebt der Oetker-Konzern die Führung der neuen Hamburger Großreederei an. Auf den ersten Blick ein gewagtes Unterfangen, denn blickt man auf Umsatz und Mitarbeiterzahl ist Hapag-Lloyd der größere Partner. Auch beim Marktanteil auf den Weltmeeren rangiert Hapag-Lloyd mit 3,8 Prozent vor Hamburg Süd mit 2,5 Prozent. Allerdings hat Hamburg Süd einen nicht zu unterschätzenden Vorteil gegenüber dem Nochkonkurrenten vom Ballindamm: Die Oetker-Tochter ist schuldenfrei. Dagegen weist Hapag-Lloyd im jüngsten Zwischenbericht vom November 2012 eine Nettoverschuldung von mehr als 1,7 Milliarden Euro aus. Derzeit nehmen unabhängige Wirtschaftsprüfer eine Bewertung der beiden Reedereien vor. Ergebnis offen. Bis Ende März soll dieser Prozess längstens dauern. Aber danach könnte das Machtpoker weitergehen. Denn während bei Hamburg Süd nur die Familie Oetker regiert, bestimmen bei Hapag-Lloyd gleich mehrere Eigentümer die Strategie. Im Konsortium Albert Ballin sind neben Banken und Versicherungen vor allem die Stadt Hamburg mit einem Anteil von knapp 37 Prozent und der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne mit gut 28 Prozent die bestimmenden Größen. Hinzu kommt der Reisekonzern TUI, der sich allerdings lieber heute als morgen von seinen 22 Prozent an der Reederei trennen würde.

Während die Stadt und die kleineren Anteilseigner gegen die Führung der neuen Großreederei durch die Oetker-Familie offensichtlich nichts einzuwenden haben, könnte es mit dem ehrgeizigen Unternehmer Kühne hier am ehesten Probleme geben. Schließlich war es vor allem der 75-jährige gebürtige Hamburger, der mit seinem finanziellen Engagement im Jahr 2008 sicherstellte, dass Hapag-Lloyd nicht in die Hände des Konkurrenten NOL aus Singapur fiel. Kühne hat persönlich viel Geld in die Hand genommen, will aber nicht nur Kapitalgeber, sondern auch Gestalter sein. Das hat er in den vergangenen Jahren als Miteigner von Hapag-Lloyd immer wieder gezeigt, indem er sich zu Wort meldete. Allerdings äußerte sich Kühne jüngst so gut wie gar nicht mehr zum operativen Geschäft, ließ den Vorstand in Ruhe arbeiten. "Es ist entspannter und vertrauensvoller geworden", verlautet aus dem Umfeld von Hapag-Lloyd. Auch eine Einigung zwischen den beiden Machern Oetker und Kühne scheint nicht unmöglich, wie es aus Reedereikreisen heißt. Kühne steht als bekennender Lokalpatriot einer großen Hamburger Reedereilösung mehr als offen gegenüber. Auch er sieht die wirtschaftlichen Chancen des neuen Unternehmens.

Denn ökonomisch könnten sich die beiden Reedereien in vieler Hinsicht ideal ergänzen. Eine kombinierte Hamburger Großreederei würde über ein weltumspannendes Netz von Agenturen und eine der jüngsten Flotten der Branche verfügen. Ein Zusammenschluss wäre zudem sinnvoll, um dem wachsenden Kosten- und Investitionsdruck am Schiffsmarkt zu begegnen. Die Auf- und Abschwünge bei den Transportpreisen für Container, den Frachtraten, kamen in den vergangenen Jahren in immer schnellerer Abfolge. Das Geschäft wurde nervöser, volatiler. Überkapazitäten prägten den Markt, aber auch Preiskämpfe der beiden größten Reedereien Maersk und MSC, die auf Kosten der Branche gingen.

Die Schiffsgrößen zeigen am deutlichsten die ständig wachsenden Dimensionen der Linienschifffahrt. Hamburg Süd bekommt in diesem Jahr seine ersten Frachter mit einer Kapazität von 9600 Containereinheiten (TEU). Auf den Nord-Süd-Routen waren solche Größen noch vor wenigen Jahren unvorstellbar. 9600 TEU trugen die großen Schiffe auf den Hauptstrecken zwischen Europa und Asien. Aber auch dort stiegen die Größen rasant: Hapag-Lloyd nahm 2012 sein neues Flaggschiff "Hamburg Express" mit rund 13.000 TEU Kapazität in Betrieb. Selbst damit fährt die Hamburger Reederei nicht in der Spitzengruppe. Das weltgrößte Containerschiff "Marco Polo" von CMA CGM fasst 16.000 Containereinheiten. Maersk bringt in diesem Jahr seine neuen Jumboschiffe mit 18.000 TEU Kapazität an den Markt.

Beide Reedereien würden sich nach Expertenmeinung gut ergänzen

Eine Fusion würde den beiden Hamburger Reedereien helfen, die zunehmenden Herausforderungen zu bestehen. Beide Häuser genießen in der Branche einen exzellenten Ruf im Hinblick auf Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Hamburg Süd ist mit 160 eigenen und gecharterten Schiffen auf den Routen zwischen Europa und Südamerika sowie zwischen Asien und der Südhalbkugel Marktführer. Hapag-Lloyd betreibt eine Flotte mit 146 Schiffen. Deren Transportkapazität ist deutlich kleiner als die der Marktführer auf den Ost-West-Routen. Dafür besitzt Hapag-Lloyd nach gängiger Einschätzung das beste IT-System der Branche zur Steuerung von Ladung und Schiffen.

Am Ende könnte es womöglich noch Gerangel um zwei, drei pikante und nicht ganz unwichtige Detailfragen geben. Wer übernimmt die operative Führung des neuen Global Players auf den Weltmeeren? Sollte sich Oetker mit seinem Machtanspruch durchsetzen, wäre Hamburg-Süd-Chef Ottmar Gast der logische neue Vorstandsvorsitzende. Allerdings hat Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt noch einen Vertrag bis Mitte 2014. "Da wird es eine Lösung geben", heißt es aus dem Umfeld der Reedereien. Dass ein neuer Chef von außen kommt, gilt dagegen als abwegig. Die Einarbeitungszeit wäre zu lang. Auch über eine kurzzeitige Doppelspitze wird derweil spekuliert.

Und wie heißt die Großreederei? Es wird einen neuen Namen geben, darin sind sich alle Beobachter einig. Denn allein schon mit Blick auf die lange Tradition wird keines der beiden Unternehmen zugunsten des neuen Partners auf den eigene Namen verzichten. Hamburgische Reederei wäre eine denkbare Variante. Zugleich könnten Hamburg Süd und Hapag-Lloyd als eigenständige Marken auf ihren unterschiedlichen Meeresrouten fortbestehen.

Bleibt zuletzt die Frage nach dem künftigen Sitz? Ballindamm oder Willy-Brandt-Straße? Nicht ausgeschlossen, dass die glänzenden Hapag-Lloyd-Buchstaben eines Tages am Gebäude an der Binnenalster verschwinden. Und vielleicht eine neue Zentrale in Hamburgs Stadtteil der Zukunft, der HafenCity, entsteht. "Doch darüber wird sicherlich erst am Ende gesprochen", heißt es aus der Hamburger Politik.