Denkmalschützer kämpfen für den Bestand des Gebäudes. Investoren möchten ein neues Amtsgebäude und Wohnungen errichten.

Hamburg. Harald Rösler arbeitet seit 1966 in den Räumen des Bezirksamts Nord mitten in Eppendorf. Der Bezirksamtsleiter kennt sämtliche Ecken und Winkel des Gebäudekomplexes an der Kümmellstraße. Wirklich zeitgemäß sei das Bezirksamt aber schon lange nicht mehr, sagt Rösler und deshalb schreckt ihn die Vorstellung, dass sich hier bald etwas ändern könnte, keineswegs. Auch einen kompletten Abriss würde er mittragen: "Wir im Bezirksamt stehen den Plänen für einen Neubau bestimmt nicht im Weg", sagt er mit Nachdruck.

Rösler und sein Amt sind nur Mieter, seit die Stadt die Immobilie, zu der auch das Kundenzentrum gehört, vor ein paar Jahren im Höchstgebotsverfahren veräußert hat. Der jetzige Eigentümer, die ABR German Real Estate AG, möchte das Bezirksamt gern abreißen und auf dem 15.000 Quadratmeter großen Gelände zwischen Robert-Koch-Straße, Kümmellstraße und Lenhartzstraße ein neues Bezirksamt und Wohnungen bauen. Der Mietvertrag des Amtes läuft noch bis 2026 mit der Option auf zwei Verlängerungen von je fünf Jahren. Die Miete beläuft sich pro Monat auf etwa 130.000 Euro.

Was dort genau entstehen kann, ist allerdings noch völlig offen, denn das Bezirksamt, das in mehreren Bauabschnitten zwischen 1954 und 1958 errichtet wurde - nur ein Trakt stammt von 1982 -, ist bis auf einen kleinen Bereich ein sogenanntes erkanntes Denkmal. Die Denkmalschutzbehörde hatte 2006 den Bau des Architekten Paul Seitz (1911-1989), der auch den Campus der Uni Hamburg und den Philosophenturm geplant sowie die Leitung der Bauten für die Internationale Gartenbauausstellung 1963 inne hatte, unter Schutz gestellt.

Wie das Denkmalschutzamt sich entscheiden wird, ist noch offen. "Ein Abriss ist nur mit Zustimmung des Denkmalschutzamtes möglich, wenn andere öffentliche Interessen überwiegen oder ein Erhalt wirtschaftlich nicht zuzumuten ist", sagt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde. Bereits seit 2010 gab es diesbezüglich Gespräche, bislang ohne Einigung.

Die Vorarbeiten laufen jedoch. Bereits im Februar 2012 hatten alle Parteien im Bezirk Nord mit Ausnahme der Linken einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplanentwurf erlassen, um den neuen Bebauungsplan "Eppendorf 17" für das Gebiet mitten im Stadtteil erarbeiten zu lassen. "Wir bereiten derzeit einen städtebaulichen Wettbewerb vor", sagte Rösler im Gespräch mit dem Abendblatt, "im Februar werden wir den Stadtentwicklungsausschuss ins Bild setzen."

Rösler verhehlt nicht, dass er einem kompletten Neubau viel abgewinnen könnte: "Am Gebäude sind immer wieder Eingriffe vorgenommen worden, um das Haus bespielbar zu halten." Trotzdem entspreche es nicht mehr heutigen Anforderungen beispielsweise an Energie- und Flächeneffizienz. "Diese Veränderungen beeinträchtigen den Denkmalwert nicht", sagt Isermann, "bei einer Umnutzung bestehen insbesondere hier Spielräume für zeitgemäße Umgestaltungen."

Abhängig von der Entscheidung des Denkmalschutzamts werden die Anforderungen an den städtebaulichen Wettbewerb formuliert, zu dem nach Angaben von Klaus Roelcke, Vorstand des Projektentwicklers ABR German Real Estate AG, zwölf nationale und internationale Büros eingeladen werden sollen. Er sei gespannt auf deren Ideen und Entwürfe.

"Wir stehen dazu, dass wir einen Anteil von 30 Prozent geförderten Wohnungsbau anbieten können", sagt Roelcke. Die Gesamtzahl der Wohnungen könne man aber erst planen, wenn klar sei, wie viel vom bestehenden Bezirksamt erhalten bleiben müsse.

"Wir freuen uns auf jeden Fall, dass es jetzt endlich losgeht, und hoffen, dass der städtebauliche Wettbewerb uns Alternativen aufzeigt", so der Projektentwickler.

Sein Unternehmen hat auch auf das Gelände der ebenfalls denkmalgeschützten Grundschule St. Nikolai in der Robert-Koch-Straße ein Auge geworfen.

"Nach aktuellem Stand bleibt die Schule an ihrem bisherigen Standort", sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, die Schule werde in der Region dringend benötigt. "Da die Gebäude unter Denkmalschutz stehen, werden wir, ungeachtet der hohen Sanierungskosten, den Standort als Schule erhalten müssen."

Nach Angaben von Harald Rösler prüft Schulbau Hamburg, ob die Schule, deren etwa 10.000 Quadratmeter großes Grundstück noch in städtischem Besitz ist, möglicherweise modernisiert und vergrößert oder neu gebaut wird. Eine Entscheidung soll bis Ende des Monats fallen.

Könnte ABR auch das Schulareal kaufen, dann seien auf beiden Grundstücken insgesamt bis zu 500 Wohnungen möglich, sagt Roelcke. "Wir wollen nicht nur Eigentumswohnungen bauen, es soll eine Durchmischung geben."

"Es wäre eine Win-win-Situation", sagt der Bezirksamtsleiter, der davon ausgeht, dass das Bebauungsplanverfahren etwa zwei bis zweieinhalb Jahre dauern wird. Auf jeden Fall sei es realistisch, sagt der 62-Jährige, dass er in einem neuen Büro in einem völlig anderen Bezirksamt in Rente geht.